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Wirtschaft: Für die Kleinsten nur das Beste

Durch die Ein-Kind-Politik haben viele Chinesen Geld übrig, um ihre Kindern in private Bildungseinrichtungen zu schicken

Von Ben Dolven

und Trish Saywell

In diesem Jahr hat der Boshen-Kindergarten warmes Wasser in den Badezimmern bekommen. Die 20 Jahre alte Schule im Norden von Schanghai hat inzwischen auch einen frischen Anstrich, neue Tische und Stühle sowie einen Schwung neuer Lehrer. Es wurden Wände eingerissen, um die Gruppenräume größer zu machen, und das Personal desinfiziert die Spielsachen jetzt regelmäßig. Der Grund: Die vormals staatliche Schule hat einen neuen Eigentümer – ein privates Unternehmen, das auch einen Kindergarten in Hongkong betreibt.

Der Boshen-Kindergarten ist Teil eines großen Experiments, das die chinesische Regierung stillschweigend billigt: das private Investment in Schulen. Die ersten Privatschulen entstanden bereits in den 80er Jahren, aber ihre Popularität ist in den vergangenen Jahren explosionsartig gestiegen, weil die wohlhabende Mittel- und Oberschicht eine bessere Ausbildung für ihre Kinder möchte. „Die Erziehung erfährt jetzt einen grundlegenden Wandel“, sagt Olive Koo, geschäftsführende Gesellschafterin von Hong Zhi (China) Education, die Boshen betreibt.

Der Markt ist gewaltig. Im Jahr 2002 haben die chinesischen Verbraucher mehr als 40 Milliarden Dollar (31,77 Milliarden Euro) für Bildung und Erziehung ausgegeben. Die amerikanische Forschungsgesellschaft Eduventures.com schätzt, dass diese Zahl im Jahr 2005 auf 90 Milliarden Dollar wächst. Und wegen der chinesischen Ein-Kind-Politik können viele Eltern einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens für ihr Kind ausgeben. Die Durchschnittsfamilie in China legt zehn Prozent ihrer Ersparnisse für die Ausbildung des Nachwuchses zur Seite, ermittelte die Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen.

Viele Eltern sind bereit, für bessere Schulen zu zahlen. Hu Wenjie aus Peking sagt, ihre Familie habe 10000 Yuan (960 Euro) gespart, damit ihre fünfjährige Tochter in diesem Jahr eine zweisprachige Schule besuchen kann. „Ich selbst habe eine staatliche Schule besucht“, sagt sie. „Ich weiß, wie es ist. Die Erziehungsmethoden sind veraltet und halten den Anforderungen des neuen Jahrhunderts nicht stand.“

Für die Reichen sind die Kosten nur ein kleines Hindernis. Der 3+3-Kindergarten am Stadtrand Schanghais, in dem etwa 250 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren untergebracht sind – davon 20 Prozent Ausländer: Die helle Einrichtung in einem privaten Hauskomplex hat einen Rasen, Plastikrutschen und ein Basketballfeld. An den Stufen sind Schilder angebracht, die die Kinder auffordern, sie auf Englisch zu zählen.

Die Einrichtung entstand in Zusammenarbeit der örtlichen Erziehungsbehörde mit einem taiwanesischen Unternehmen und ist so gut ausgestattet, dass die Schüler einer nahe gelegenen staatlichen Schule sich dort Bücher ausleihen. Das Schulgeld beträgt 2000 Yuan im Monat, etwa das Einstiegsgehalt eines Lehrers. Wie kann das wirtschaftlich gesehen Sinn machen? „China hat eine Ein- Kind-Politik“, sagt Sam Wu, der taiwanesische Präsident der Schule. „Sechs Familienmitglieder erziehen ein Kind, deshalb können sie sich das Schulgeld leisten.“

Trotz einer Fülle von Vorschriften wird die Errichtung von Privatschulen durch Ausländer zunehmend einfacher. Die Regierung unterstützt grundsätzlich chinesisch-ausländische Vorhaben. Doch dürfen ausländische Investoren keine Grundschulen betreiben und keinen Religionsunterricht anbieten. Kindergärten dürfen sie nur gemeinsam mit einem chinesischen Unternehmen errichten. Die Vorschriften können jedoch von Region zu Region verschieden sein. In Chongqing zum Beispiel durften Geschäftsleute aus Singapur eine internationale Schule errichten, die auch eine Grundschule beinhaltet. Das Gemeinschaftsunternehmen wird offiziell als lokale Firma behandelt.

Fritz Libby, Gründer der Global Education Information Consulting Co. aus Schanghai, glaubt, dass die Gründung von Privatschulen durch Ausländer mit zunehmender Nachfrage einfacher werden wird. Die Studentenzahlen an Chinas Universitäten haben sich in weniger als zehn Jahren verdreifacht. Libby vermutet, dass sich deshalb jährlich 50000 Chinesen an ausländischen Universitäten bewerben. „Wegen der knappen Studienplätze an staatlichen Universitäten investiert jeder in private Ausbildung“, sagt er. „Die Regierung möchte nicht, dass so viele Studenten abwandern, und gestattet es deshalb ausländischen Unternehmen, Privatschulen und -universitäten zu errichten.“

Übersetzt und gekürzt von Karen Wientgen (Modeschulen), Svenja Weidenfeld (China), Tina Specht (Dollar), Matthias Petermann (Eliteuniversitäten, Europa) und Christian Frobenius (Turban).

Ben Dolven, Trish Saywell

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