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Wirtschaft: Für die Telekom-Kläger ist wieder alles offen

Anleger hoffen jetzt auf das Oberlandesgericht

Düsseldorf Der Mammutprozess, den mehr als 15000 Aktionäre gegen die Deutsche Telekom angestrengt haben, wird voraussichtlich direkt von der nächsthöheren Instanz entschieden. Damit wäre der Ausgang des Prozesses wieder völlig offen und die bisherige Tatsachenbewertung durch das Landgericht Frankfurt am Main hinfällig, wie Anwälte beider Seiten dem Handelsblatt bestätigten. Hintergrund ist die Absicht des Vorsitzenden Richters am Landgericht, Meinrad Wösthoff, die Klagen nach dem geplanten Musterverfahrensgesetz zu bündeln. Damit hätte das Oberlandesgericht (OLG) das entscheidende Urteil zu fällen.

Damit wäre auch die Frage, ob die Telekom vor dem Börsengang ihre Immobilien nach falschen Methoden bewertet hat, neu zu klären. In einer vorläufigen Einschätzung hatte Richter Wösthoff die Bewertungsmethoden für unzulässig erachtet. Die Kläger werfen der Telekom vor, sie beim dritten Börsengang im Jahr 2000 im Emissionsprospekt über Konzernvermögen und Risiken falsch informiert zu haben. Nach dem drastischen Kurseinbruch, der nach der Aktienausgabe folgte, verlangen die Anteilseigner nun Schadensersatz in Höhe von insgesamt mehr als 100 Millionen Euro.

Das vom Kabinett bereits verabschiedete Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) wird frühestens im Frühjahr 2005 verabschiedet. Daher hat Richter Wösthoff den nächsten Verhandlungstermin erst für den 21. Juni anberaumt. Allerdings wird er nur noch mit verfahrenstechnischen Fragen betraut sein, wenn das KapMug angewendet werden sollte; Wösthoff hatte in der ersten mündlichen Verhandlung vergangene Woche zu sämtlichen Punkten der Kläger ausführliche Einschätzungen abgegeben. Daran ist das OLG nicht gebunden, das dann ausgewählte Fälle für alle Kläger verbindlich entscheidet. Anlegeranwälte versprechen sich davon eine erhebliche Beschleunigung des Verfahrens. Zudem würden die Kosten für ein Gutachten zur Immobilienbewertung auf alle Kläger verteilt und wären damit besser zu schultern.

„Wenn das Verfahren auf der Grundlage des KapMug weitergeführt wird, dann ist das sicherlich kein schlechter Weg“, sagte der Münchner Anlegeranwalt Klaus Rotter. Während der Verhandlung hatte eine Reihe von Anlegeranwälten Protest dagegen erhoben, dass Wösthoff erst noch das neue Gesetz abwarten will, weil sie dadurch eine weitere Verzögerung befürchteten.

„Die haben noch nicht begriffen, was für Vorteile das Gesetz für alle Seiten bringt“, sagte der Anwalt des Bundes, Matthias Haas von der Kanzlei Linklaters. Richter Wösthoff hatte in der Verhandlung vorgerechnet, dass eine Abwicklung aller 2200 Klagen nach der herkömmlichen Zivilprozessordnung (ZPO) 15 Jahre dauern könnte. Das KapMug soll dagegen eine rasche Abwicklung von Massenklagen ermöglichen. Anlegeranwältin Diane Hilty von der Wiesbadener Kanzlei Doerr, Kühn, Plück, die mehr als 6000 Kläger vertritt, gibt indes zu bedenken, dass mit der 100 Jahre alten ZPO jeder Erfahrung habe, während das KapMug für alle Beteiligten Neuland sei.

Wenn das neue Gesetz kommt, ist die zentrale Frage, ob die Telekom ihre Grundstücke vor der Umwandlung zur Aktiengesellschaft falsch bewertet hat, wieder völlig offen. Das „Clusterverfahren“, wonach die Telekom ihre Grundstücke und Gebäude in Gruppen bewertet hat, ist nach dem Handelsgesetz unzulässig. Dagegen beruft sich die Telekom in den von ihr eingereichten Schriftsätzen darauf, dass im eigens für die Privatisierung der Telekom geschaffenen Postumwandlungsgesetz ein Wahlrecht der Bewertungsmethoden geschaffen worden sei. Doch Anwalt Rotter kontert: „Da steht nur drin, dass die Telekom auch das Wahlrecht hatte, den Verkehrswert anzusetzen, aber von Pauschalbewertung ist dort keine Rede.“ Die Telekom hatte nach der dritten Tranche ihres Börsengangs 2000 auf ihre Immobilien eine Abschreibung von 2,8 Milliarden Euro vorgenommen. Die Telekom gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab.

Anlegeranwälte hoffen jetzt auch, dass das OLG von den Klägern kein teures Gutachten zum tatsächlichen Wert der Telekomgrundstücke verlangt. Richter Wösthoff hatte dahingestellt, ob die fragwürdigen Methoden der Telekom tatsächlich zu Falschbewertungen führten. Ein neues Gutachten würde die Kläger etwa 20 Millionen Euro kosten. hus/HB

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