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Wirtschaft: Für „praktisch Begabte“ bleibt nur ein Praktikum

Clement fordert Jugendliche ohne Lehrstelle zur Einstiegsqualifikation auf/Der Ausbildungspakt wird von allen Beteiligten gelobt

Berlin – Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hat Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag aufgefordert, einen Praktikumsplatz anzunehmen. „Es gibt keine Entschuldigung für diejenigen, die keine Einstiegsqualifikation annehmen“, sagte Clement am Freitag anlässlich einer Zwischenbilanz des Ausbildungspakts, den Bundesregierung und Wirtschaft abgeschlossen haben. Auch Heinrich Alt, Mitglied im Vorstand der Bundesagentur für Arbeit (BA), sagte, Jugendliche würden „nichts verkehrt machen“, wenn sie die von der Wirtschaft angebotenen Praktika annehmen. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) gibt es dagegen erhebliche Vorbehalte.

Trotz des Ausbildungspakts klaffte Ende November immer noch eine Lehrstellenlücke. Zwei Monate nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres seien immer noch 23500 Jugendliche ohne Stelle, erklärten die Paktpartner aus Politik und Wirtschaft. Bei 6000 offenen Stellen ergibt sich eine rechnerische Lücke von 17500. Die Wirtschaft hat deshalb knapp 30000 zusätzliche Praktika („Einstiegsqualifikationen“) bereitgestellt, die bis zu einem Jahr dauern. Etwa 3800 Jugendliche haben nach Angaben der BA dieses Praktikum schon begonnen. Die Stellen richten sich vor allem an diejenigen, die nur schwer vermittelbar sind.

Die Gewerkschaften beklagten, dass diese Praktika völlig ungeregelt seien. „Ob die Jugendlichen am Ende etwas davon haben, ist ungewiss“, kritisierte Volker Scharlowsky. Der Abteilungsleiter für Ausbildung beim DGB wirft den Unternehmen vor, sich immer stärker aus der betrieblichen Ausbildung zurückzuziehen – nur noch 50 Prozent der Jugendlichen gingen in eine betriebliche Ausbildung. „Die Praktika sind öffentlich gesponserte Arbeit“, sagte Scharlowsky. Die Bundesagentur zahlt jedem Praktikanten 200 Euro im Monat, hinzu kommen etwa 100 Euro für die Sozialabgaben. Insgesamt zahlt die BA 250 Millionen Euro für die Einstiegsqualifikation.

Handwerks-Präsident Dieter Philipp verteidigte die Praktika. Es handele sich „nicht um Restposten“. Auch der Ausbildungsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Günter Lambertz, sagte, es gehe den Betrieben nicht darum, „die Leute nur ans Fließband zu stellen oder ins Lager zu schicken“. In den Zeugnissen müssten Ausbildungsinhalte erkennbar sein.

DGB-Ausbildungsexperte Scharlowsky befürchtet, dass „problematische Jugendliche“ selbst bei den Einstiegsqualifikationen wieder durch den Rost fallen werden, weil sie im Anschluss keine Lehrstelle bekämen. Nach Schätzungen der Wirtschaftsverbände gelten mindestens zehn Prozent der Jugendlichen als nicht ausbildungsreif. Genauso viele junge Menschen verlassen jedes Jahr die Schule ohne einen Abschluss.

Trotz Lehrstellenlücke zogen Regierung und Wirtschaft eine positive Bilanz des Ausbildungspakts. IHKs und Handwerk hätten 53000 neue Lehrstellen eingeworben. Unter dem Strich habe es in diesem Jahr 13000 Ausbildungsplätze mehr gegeben als 2003. Das Handelsunternehmen Lidl/Kaufland kündigte am Freitag an, im kommenden Jahr 1600 zusätzliche Lehrstellen anbieten zu wollen. Den Angaben zufolge handelt es sich um „eine Maßnahme zum 75. Firmenjubiläum“.

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