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Getrieben. Bei Verstößen drohen den Betrügern im Schafspelz bis zu 50 000 Euro Strafe.  Foto: ddp

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Wirtschaft: Für schwarze Schafe wird’s eng

Ein neues Gesetz soll die freien Finanzvermittler schärfer kontrollieren

Die einen sprechen von „Murks“, die anderen sind „komplett zufrieden“. Das neue Gesetz, das die rund 80 000 freien Vermittler von Geldanlagen stärker an die Kandare nehmen will, ist höchst umstritten. Die „Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagerechts“, wie die bisher nur im Entwurf vorliegende Regulierung des Grauen Kapitalmarkts und der freien Vermittler zum Schutz der Anleger im Amtsdeutsch genannt wird, ist in Scharmützeln zwischen den vier Ministern für Wirtschaft, Finanzen, Verbraucherschutz und Justiz stark verwässert worden.

Der Hintergrund: Zwar wurde ein verbesserter Anlegerschutz nach der Finanzkrise gerade in Gesetzesform gegossen, doch blieben die freien Vermittler dabei ausgeklammert. Während die 300 000 Bankberater also künftig in einem Zentralregister bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) vermerkt und auch von dort kontrolliert werden, sollen für die Berufszulassung und Kontrolle der freien Vermittler die 7000 örtlichen Gewerbeämter zuständig sein. Damit hat sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle gegen Finanzminister Schäuble durchgesetzt. „Der Schutz von Verbrauchern bleibt damit vom Vertriebsweg abhängig und die Aufsicht zersplittert“, rügt Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV). Denn während die Fachbehörde Bafin Verstöße innerhalb der Banken mit Strafen von Geldbußen bis zum Berufsverbot ahnden kann, fehlen den Gewerbeämtern Expertise, Zeit und der Überblick über den Vertrieb hochkomplexer Produkte. Es sei befremdlich, kritisiert auch der Finanzdienstleister MLP, dass ausgerechnet für die riskantesten Produkte die laxesten Bedingungen gelten sollen.

Problematisch ist dies nach Meinung von Marktkennern vor allem deshalb, weil sich gerade unter den freien Finanzvermittlern nicht wenige schwarze Schafe tummeln. Wer Finanzprodukte empfehlen und verkaufen will, braucht bisher nur einen Gewerbeschein und keinerlei Ausbildung. Gerade freie Vermittler bieten häufig auch Produkte aus dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt an: Firmenbeteiligungen, Genussscheine oder geschlossene Fonds, die bisher nicht reguliert und fast immer hochspekulativ sind. Meist zahlen die Anbieter dem Vermittler hohe Provisionen, so dass der Verkauf hochlukrativ ist. Umgekehrt haben unseriöse Vermittler in der Vergangenheit ihre Kunden oft nicht nur schlecht beraten, sondern auch nicht selten verschwiegen, dass sie mit Schiffs-, Immobilien- oder Ökobeteiligungen das Risiko eines Totalverlusts eingehen.

Der vorläufige Gesetzesentwurf sieht nun vor, dass der Gewerbeschein für freie Finanzvermittler künftig an eine Sachkundeprüfung bei den Industrie- und Handelskammern und an den Abschluss einer beruflichen Haftpflichtversicherung gekoppelt wird. Unklar ist, ob Berater mit langjähriger Berufspraxis von der Prüfung befreit bleiben sollen oder eine Nachhol-Frist erhalten. Ob die Prüfungen die Beratungsqualität tatsächlich verbessern, ist ungewiss. Die Qualifikation der Finanzvermittler sei derzeit „insgesamt sehr vertriebslastig“, kritisiert Dorothea Mohn, Expertin für Kapitalanlagen beim VZBV. „Die Ausbildungsinhalte beschäftigen sich zu stark mit der Frage, wie Produkte erfolgreich verkauft werden können und zu wenig mit der Bedarfsanalyse der Kunden.“ Das gelte sowohl für die IHK-Qualifikationen als auch für interne Schulungen in den Banken und Sparkassen.

Auch bei der Berufsausübung ist ein strengeres Korsett vorgesehen: Dazu zählt etwa die Pflicht, die Beratung zu dokumentieren oder die Höhe der Provisionen mitzuteilen. Bei Verstößen sollen Bußgelder bis zu 50 000 Euro oder sogar der Entzug der Gewerbeerlaubnis drohen. Fraglich bleibt indes, wie dies kontrolliert und realisiert werden soll. Allerdings hat bereits der Bundesgerichtshof die Haftung von Finanzvermittlern verschärft: Danach können sich Berater bei Investment-Flops nicht mehr darauf berufen, dass der Anleger den Verkaufsprospekt hätte lesen und das Risiko hätte kennen müssen. Die Übergabe eines Stapels Papier an den Anleger reiche nicht, urteilten die Richter. Vielmehr genüge es, wenn sich der Anleger auf die Worte des Beraters verlasse. Auch beginne die Verjährungsfrist nicht mit der Übergabe des Verkaufsprospekts, sondern zu dem Zeitpunkt, an dem der Anleger das Risiko erkenne (Aktienzeichen III ZR 249/09).

Auch die Anbieter von geschlossenen Fonds und Beteiligungen müssen sich auf schärfere Spielregeln einstellen. Zwar werden die Verkaufsprospekte weiterhin von der Bafin nur formal, nicht aber inhaltlich geprüft. Geplant ist anscheinend auch, die Emissionshäuser zu mehr Transparenz zu verpflichten. Beispielsweise sollen sie einmal pro Jahr den Wert ihrer Papiere veröffentlichen, Produktionsinformationsblätter erstellen und ihre Bilanzen von Wirtschaftsprüfern testieren lassen. Noch ist das Gesetz in der Abstimmung zwischen den Ressorts.

Der Bundesverband Finanzdienstleistung, Standesvertretung und Lobby der freien Vermittler, ist „absolut zufrieden“ mit den geplanten Neuregelungen, bei denen „genau das umgesetzt wurde, was wir uns erhofft haben“, so Verbandsvorstand Norman Wirth. Die Regulierung werde die schwarzen Schafe und auch jene, „die nur auf Provisionen schielen“, aus dem Markt schwemmen und „das Standing der Branche in der Bevölkerung verbessern.“ Begrüßenswert sei vor allem, dass die Finanzvermittler nicht von der Bafin kontrolliert werden sollen, die „dazu gar nicht imstande ist“.

VZBV-Finanzexpertin Mohn hingegen ist sicher, dass nur die Fachbehörde Bafin „geeignet ist, die Aufsicht über die freien Vermittler sinnvoll zu gewährleisten.“ Der Verbraucher sollte „bei allen Formen der Geldanlage das exakt gleiche Schutzniveau erhalten“. Mohn rät den Verbrauchern, „sich in Geldfragen nicht von jemandem beraten zu lassen, der auf Provisionsbasis vergütet wird, sondern von Honorarberatern, die ihre Expertise direkt auf Stundenbasis abrechnen.“

In der Tat formieren sich die Honorarberater zunehmend als Konkurrenz zu den freien Vermittlern. Während sich Erstere die Finanzberatung über Stundensätze direkt bezahlen lassen und keine Provisionen kassieren, lassen sich freie Vermittler über Provisionen des Anbieters bezahlen. Oft steht der Vorwurf im Raum, der Vermittler empfehle nicht die für den Kunden sinnvollste Anlage, sondern eine, die hohe Provisionen abwerfe.

Auch bezahlte Beratung ist indes keine Garantie für Qualität. Allerdings haben die meisten Honorarberater eine Fachausbildung. Sehr renommiert sind etwa die „Certified Financial Planner“: Wer diesen Titel trägt, ist nach einem internationalen Regelwerk geprüft, verfügt über Erfahrung und muss sich auf hohe ethische Standards verpflichten.

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