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Wirtschaft: Fundamental anormal

Die EZB verteidigt den Kauf von Staatsanleihen: Keine Auswirkungen auf die Geldpolitik

Berlin - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre umstrittene Entscheidung zum Kauf von Staatsanleihen maroder Euro-Staaten verteidigt. „Die Maßnahmen sind so ausgestaltet, dass sie keine Auswirkungen auf den geldpolitischen Kurs haben“, schreibt die EZB in ihrem jüngsten Monatsbericht. „Wir befanden uns ab Donnerstagnachmittag plötzlich in einer Situation, die wir als fundamental anormal empfanden“, sagte Zentralbankchef Jean-Claude Trichet im Rückblick auf die dramatischen Ereignisse in der vergangenen Woche. Die Lage habe sich „abrupt verschlechtert“. „Eigentlich hätten die Zustimmung der Europäer zu den Finanzhilfen für Griechenland und die bevorstehende Entscheidung des Internationalen Währungsfonds (IWF), Griechenland zu helfen, die Märkte beruhigen müssen“, sagte Trichet im Gespräch mit dem „Handelsblatt“.

Das zusätzliche Geld, das die EZB durch den umstrittenen Ankauf von Staatsanleihen in das Finanzsystem speist, wolle die Zentralbank wieder zurückholen. „Wir werden die Liquidität wieder abziehen“, sagte Trichet. Der neue Kurs der EZB bedeute keine Abkehr von dem Ziel, stabile Preise zu gewährleisten. „Was zählt, ist unsere Entschlossenheit und die Tatsache, dass wir unserem Ziel treu bleiben, Preisstabilität zu gewährleisten“, sagte Trichet. „Der EZB-Rat wird Inflation nicht tolerieren.“

Ein Vertreter der deutschen Regierung bestätigte unterdessen dem „Handelsblatt“, dass es im Zusammenhang mit den Euro-Rettungsmaßnahmen auch eine Vorfestlegung auf Bundesbankpräsident Axel Weber als Nachfolger von Trichet gegeben habe. Als Gegenkandidat ist der Italiener Mario Draghi im Gespräch, der Chef der Banca d’Italia. Da kürzlich ein Portugiese zum Vize des EZB-Präsidiums gewählt wurde, werden die Chancen für einen weiteren Südeuropäer für die Spitze gering eingeschätzt. Zum wiederholten Male ermahnte die EZB die Staaten zum Sparen und lobte dabei Griechenland. „Setzt Griechenland sein Konsolidierungs- und Reformprogramm entschlossen um, dürfte die Wiederherstellung des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen tatsächlich eintreten“, schreibt die Notenbank. Allerdings müssten die Griechen gegebenenfalls „weitere Maßnahmen ergreifen“.

Auch in anderen Staaten dulde die Sanierung der Staatsfinanzen angesichts der Vertrauenskrise keinen Aufschub. „Je länger die Haushaltskorrektur aufgeschoben wird, desto größer werden der erforderliche Anpassungsbedarf sowie das Risiko von Vertrauensverlusten sein“, mahnte die EZB. An den Märkten habe sich die Griechenland-Krise in der Flucht der Anleger in höherwertige Anlagen widergespiegelt: In großem Umfang seien Gelder zugunsten von Staatsanleihen des Euro-Währungsgebiets mit AAA-Rating umgeschichtet worden.

Für die Wirtschaft im Euro-Raum rechnet die EZB weiter mit einer moderaten Erholung in diesem Jahr. Von der EZB konsultierte Experten erwarten mit 1,4 (bisher 1,3) Prozent eine etwas höhere Inflationsrate als bisher. Für 2011 wird weiterhin eine Teuerung von 1,5 Prozent veranschlagt. Beim Wachstum zeigen sich die Experten etwas pessimistischer: Für 2010 wird nun ein Plus von 1,1 (1,2) Prozent prognostiziert, für 2011 von 1,5 (1,6) Prozent. mit HB/dpa

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