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Wirtschaft: Funksignale durch das Netz der Telekom

BERLIN . Der Boden ist mit Kartons bedeckt, jeder davon gefüllt mit dicken Ordnern.

BERLIN . Der Boden ist mit Kartons bedeckt, jeder davon gefüllt mit dicken Ordnern. Das ganze Zimmer ist voll, und das nebenan auch, und so weiter einen ganzen Flur hinunter im Gebäude der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in Berlin-Mitte. Die Kartons tragen Aufkleber: "Achtung, Bewerbung!", und auf den Ordnern prangen Logos mit Firmennamen. Arcis steht darauf oder Viag Interkom oder MCI Worldcom. Sie sind Teil einer der größten Ausschreibungen, die das öffentliche Deutschland je auf den Weg gebracht hat.Zu vergeben hat die Regulierungsbehörde Frequenzen, diesmal nicht für Radio oder Mobilfunk, sondern für eine in Europa noch neue Technik: den drahtlosen Teilnehmeranschluß. Wer die begehrten Frequenzen erhält - pro Region höchstens drei Unternehmen - zieht damit im harten Telefonwettbewerb eine Trumpfkarte. Denn die Lizenz erlaubt den Telefonfirmen, Funkstationen aufzustellen, von denen jede einzelne mehrere Kunden mit Telefongesprächen und Internet versorgt. Damit bietet sich den Telefongesellschaften eineinhalb Jahre nach dem Start des Wettbewerbs zum ersten Mal eine Alternative zum herkömmlichen Teilnehmeranschluß per Telefonleitung - und in vielen Fällen eine billigere.Insgesamt 21 Tonnen Papier und CD-Roms stapeln sich daher in den Außenstellen der Regulierungsbehörde, 50 Beamte durchforsten mehrere hunderttausend Seiten Bewerbungsunterlagen. Der enorme Aufwand ist für Behördenpräsident Klaus-Dieter Scheurle nur folgerichtig. Denn das knappe Gut Frequenzen müsse möglichst gerecht vergeben werden, sagt er, und vor allem so, daß keiner, der leer ausgeht, nachher vor Gericht zieht. Für die Unternehmen geht es um viel Geld: Mit Hilfe des sogenannten Wireless Local Loop können sie das immer noch fast intakte Monopol der Telekom im Ortsnetz knacken und kleine und mittlere Unternehmen - für Privatkunden rechnet sich die Technik nicht - direkt anschließen.In diesen Markt drängen auch US-Investoren. Beworben haben sich Arcis, Broadnet, Firstmark und Star One - junge amerikanische Telefon- oder Kabelgesellschaften, die zusammen mit finanzkräftigen Investoren ihre Chance wittern, in den deutschen Markt einzusteigen. Arcis etwa, die seit kurzem Callino heißt, hat als Hauptgesellschafter eine neue Telefongesellschaft namens Formus Communications und den Geldgeber Chase Manhatten Capital Partners. Bei Firstmark haben sich die Internet-Pionierin Lynn Forester und der Investmentbanker Michael Price zusammengetan. Hinter Broadnet steht der drittgrößte Kabelfernsehbetreiber der USA, Comcast, hinter Star One die US-Telefongesellschaft Star Telecom und Finanzpartner. 32 Unternehmen haben das Bewerbungsmarathon mitgemacht, vier bewarben sich bundesweit: Viag Interkom, Star One, Callino und Firstmark.Offen ist, ob sich der Einsatz am Ende lohnt. Weltweit gibt es erst wenig Erfahrung mit dem Wireless Local Loop. Zwar ist das Potential des Marktes allein in Deutschland gewaltig: Mehrere hunderttausend Mittelständler und Freiberufler könnten mitsamt Telefon- und Internetanschluß zur Telekom-Konkurrenz wechseln, wenn die Funkanlagen erst stehen.Im Auge haben die Firmen vor allem den Markt für Internet und Datenkommunikation, der dieses Jahr vier Mrd. DM umsetzt, bis 2002 aber auf zehn Mrd. wachsen soll. Wieviel davon auf drahtlose Teilnehmeranschlüsse entfällt, hängt auch davon ab, wie schnell weitere Alternativen auf den Markt kommen: die Fernsehkabel der Telekom oder der Internetzugang über die Stromleitung.Ordner um Ordner entscheiden die Beamten der Behörde jetzt, ob der deutsche Telefonmarkt nun noch einmal eine kleine Revolution erlebt. Ob etwa die Neustarter flächendeckend ins Spiel kommen oder ob die alteingesessenen Bewerber das Rennen unter sich ausmachen. Denn auch Mannesmann Arcor, Mobilcom und viele regionale Anbieter sind mit von der Partie. Scheurle will keine Prognose wagen. "Wir entscheiden über jede Region einzeln, unabhängig von allen anderen", sagt er. So könnte es gut sein, daß die Investoren statt eines bundesweiten Angebots am Ende einen Flickenteppich an Lizenzen in Händen halten. Star-One-Vorstand Ludwig Hoffmann sieht darin kein Problem: "Nach der Vergabe werden sicher einige Unternehmen beginnen, miteinander zu sprechen." Ihn beschäftigen eher die Engpässe beim Aufbau des Netzes. "Funkplaner wird demnächst ein ganz gefragter Beruf."

ULRIKE SOSALLA (HB)

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