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Wirtschaft: Fußballfieber im Kinderzimmer

Die Spielwarenbranche und -messe setzt auf die Weltmeisterschaft

Düsseldorf - Die Fußball-Weltmeisterschaft soll der deutschen Spielwarenbranche den lang ersehnten Aufschwung bringen. Mit Schiedsrichtern zum Knuddeln, DVD-Quizspielen und klassischem Tischfußball setzen Hersteller und Handel darauf, dass 2006 auch in Kinderzimmern das WM-Fieber ausbricht. Fußball ist auch das Thema auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, wo vom morgigen Donnerstag an 2700 Aussteller ihre Produkte den erwarteten 75 000 Fachbesuchern aus 100 Ländern präsentieren.

Den Fußball haben dabei auch Spielzeughersteller für sich entdeckt, für die dieser Sport früher keine große Rolle spielte. So bringt Barbie-Hersteller Mattel einen grinsenden Plüsch-Schiedsrichter in die Geschäfte, angelehnt an die Figuren aus der TV-Zeichentrickserie „Sponge Bob“. Und Lego präsentiert in Nürnberg seine neue WM-Arena mit Flutlichtmasten und Anzeigetafel. Sechs rote Männchen treten gegen sechs weiße an, mit denen die Spieler einen Plastikball ins gegnerische Tor schnipsen.

„Die Branche will sich ein ordentliches Stück vom WM-Kuchen abschneiden“, sagt Spielwarenmesse-Chef Ernst Kick. Etwa zwei Milliarden Euro, so schätzt der Weltfußballverband Fifa, werden allein mit offiziellen WM-Produkten umgesetzt – überwiegend in Europa. Von dieser Summe könnten 200 Millionen Euro in die Kassen der neun Lizenzfirmen aus der Spielwarenbranche fließen, hofft Kick. Und hunderte weitere Firmen ohne Lizenz sowie der Handel dürften profitieren, wenn sie den Fußball-Boom nutzen.

So wie Legos Erzrivale Playmobil: Der Plastikmännchenhersteller hat seit Februar ebenfalls ein Tischfußballspiel im Katalog. „Bislang fehlten den Männchen die nötigen Gelenke zum Sporttreiben“, sagt Playmobil-Entwicklungsleiter Bernhard Hane. Die Plastikfiguren konnten deshalb höchstens die Arme zum Torjubel hochreißen.

Damit ist nun Schluss – Mitarbeiter der 50-köpfigen Entwicklungsabteilung bauten den Männchen ein neues rechtes Hüftgelenk ein. Jungen und Mädchen benachbarter Kindertagesstätten befanden die Schussqualitäten der Playmobil-Kicker für gut. Ein leichter Druck auf den am Hintern befestigten Hebel genügt, um den Ball aufs Tor zu schießen.

Dass Unternehmen wie Playmobil den WM-Trend voll mitmachen, stört traditionelle Tischfußball-Hersteller wie Mieg aus Villingen-Schwenningen in Baden-Württemberg wenig. Zwar bezeichnet Geschäftsführer Mathias Mieg das Playmobil-Fußballspiel als „Plastikkopie unseres Tipp-Kick“. Allerdings schadet die Konkurrenz dem eigenen Umsatz kaum: In diesem Jahr werde Mieg seine Erlöse verdreifachen und mit 200 000 Spielen mehr als im Weltmeisterjahr 1954 verkaufen. „Den normalen Jahresumsatz haben wir jetzt schon erreicht“, sagt Mieg. „Mit dem Versand kommen wir kaum hinterher.“ Ähnlich euphorisch ist die Laune beim Plüschtierhersteller Nici, der fünf Millionen Stück des WM-Maskottchens „Goleo“ produziert.

Dennoch warnen Branchenkenner vor Katerstimmung nach der Weltmeisterschaft. „2007 werden wir wieder nüchtern“, sagt Messe-Chef Kick. Wenn der Fußballboom vorbei ist und die Mehrwertsteuererhöhung kommt, werde die Branche es wieder mit ihren typischen Problemen zu tun bekommen. „Eine generelle Kehrtwende ist durch die WM nicht zu erwarten“, betont daher auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels, Willy Fischel. Für die Händler lief das Geschäft in Deutschland zuletzt besonders schlecht. Seit Jahren stagniert der Umsatz bei 3,2 Milliarden Euro. Beim traditionellen Spielzeug ohne Videospiele sind die Erlöse sogar gesunken.

Und so hat auch Tipp-Kick-Hersteller Mieg trotz WM-Boom keine neuen Mitarbeiter eingestellt. Die im WM-Jahr zusätzlich produzierten Kicker bepinseln Arbeiter in Tunesien mit den Farben der Turniermannschaften. Und am schwäbischen Stammsitz packen die Kinder der 18 Angestellten die Spiele ein – als Minijobber.

Nils-Viktor Sorge

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