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Wie geht es jetzt weiter? Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und seine Nachfolgerin Brigitte Zypries am Donnerstag im Bundestag.

© Tobias Schwarz/AFP

Gabriels Abschied: Bilanz im Bundestag

Bei seiner letzten Rede als Wirtschaftsminister kommt Sigmar Gabriel an Donald Trump und Marine Le Pen nicht vorbei.

Der ausscheidende Wirtschaftsminister ist mit sich im Reinen. Und den Parlamentariern, denen er demnächst als Außenminister Rechenschaft abgeben muss, ruft er zum Ende seiner Rede beschwingt zu: „Viel Erfolg, das waren gute Jahre im Wirtschaftsministerium.“

Sigmar Gabriels letzte Rede als Bundesminister für Wirtschaft und Energie hören die meisten Abgeordneten am Donnerstag mit Wohlwollen. Ein paar bissige Kommentare gibt es von der Opposition. Klaus Ernst von den Linken wirft Gabriel vor, nichts für die „Abgehängten“ getan zu haben, womit er vor allem die Beschäftigten im Niedriglohnbereich meint. „Sie werden mitverantwortlich sein für das, was wir an Rechtsentwicklung in diesem Bereich noch erleben“, wirft Ernst dem Minister vor. Grünen-Chef Cem Özdemir versucht die gute Situation der Wirtschaft von der Leistung des Wirtschaftsministers zu entkoppeln. Das robuste Wachstum und die geringe Arbeitslosigkeit verdankten sich mehr den niedrigen Zinsen und dem billigen Öl und weniger dem Handeln der Regierung.

Auch Grüne und Linke wollen mehr Investitionen

Mit dieser Einschätzung ist der Grüne nicht weit weg vom Sozialdemokraten Gabriel, der auf diese positiven Effekte häufiger hingewiesen hat, und der ebenso wie Grüne und Linke höhere Ausgaben des Staates fordert: Die öffentliche Hand müsse deutlich mehr ausgeben für Bildung und Infrastruktur. Investitionen haben für die rot-rot-grünen Politiker Vorrang vor Sparen und/oder Steuersenkungen, wie sie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) präferiert. „Das Land muss in den sozialen Zusammenhalt investieren“, hatte Gabriel Ende 2016 fordert. Das Geld sei da oder aufgrund des Zinsniveaus sehr günstig zu beschaffen.

Zu der Allianz für höhere Investitionen, zum Beispiel in den Ausbau von Breitbandnetzen und die Digitalisierung, zählen auch die Gewerkschaften und Teile der Industrie. Sie alle werben seit Jahren für eine steuerliche Forschungsförderung, auch um den Investitionsmotor in Schwung zu bringen – und finden kein Gehör bei Schäuble.

Die Energiewende als Großbaustelle

Von der „Vorfahrt für Investitionen“ sprach Gabriel am Donnerstag im Bundestag, und plädierte ferner für steuerliche Entlastungen von Familien und Alleinerziehenden. Michael Fuchs, wirtschaftspolitischer Sprecher der Union, setzte die Priorität beim Thema Digitalisierung, da die Bundesrepublik hier „ziemlich rückständig“ sei. Der Koalitionspartner lobte alles in allem Gabriels Leistung im Rahmen der „Arbeitskoalition“, kritisierte aber die Energiepolitik. Die Stromkosten seien „völlig aus dem Ruder“ gelaufen, sagte Fuchs.

Tatsächlich hat sich Gabriel im Herbst 2013, als die Ministerien neu zugeschnitten wurden, mit dem Bereich Energie eine riesige Last ins Haus geholt. Auch eine Altlast. Denn in der vorangegangenen Legislatur hatten sich die zuständigen Ministerien für Wirtschaft unter der Leitung der FDP und Umwelt unter Leitung der CDU wechselseitig blockiert und energiepolitisch nicht viel zustande gebracht. Vor allem deshalb liefen die Kosten des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes mit den hohen, garantierten Einspeisevergütungen für den Grünstrom aus dem Ruder. Und der Ausbau der Erneuerbaren erfolgte deutlich schneller als die Ertüchtigung der Energienetze für den Transport des erneuerbaren Stroms.

In diesem Jahr fehlen Arbeitstage

Mit Ach und Krach hat Gabriel in den vergangenen Jahren rund ein Dutzend Gesetze durchgebracht, um „die erneuerbaren Energien fit für den Markt und den Markt fit für die erneuerbaren Energien“ zu machen. Unter anderem verläuft der Ausbau von Wind- und Solarenergie jetzt nicht mehr unkontrolliert, sondern über das Instrument der Auktion stärker nach marktwirtschaftlichen Prinzipien. Die deutsche Wirtschaft lebt traditionell stark vom Export, die Handelsbilanzüberschüsse sind enorm. Vor allem wegen der internationalen Unsicherheiten – Folgen des Wirkens von Donald Trump und des Brexits – erwartet Gabriel in diesem Jahr nur noch eine Wachstumsrate von 1,4 Prozent nach 1,9 Prozent im vergangenen Jahr. Ein paar Zehntelpunkte Wachstum kosten indes auch die Feiertage respektive die geringere Zahl von Arbeitstagen in diesem Jahr.

Trump auf dem sinkenden Schiff

Eine Spitze gegen den Protektionismus des neuen US-Präsidenten konnte sich Gabriel am Donnerstag im Bundestag nicht verkneifen. „Dieses Kommando ,Schotten dicht’ ist das Kommando eines Kapitäns auf dem sinkenden Schiff.“ Mindestens so schwankend wie die USA ist jedoch der Zustand der EU. Die Europafeindlichkeit habe ein gefährliches Ausmaß angenommen, und wenige Monate vor den Wahlen in Frankreich und in den Niederlanden „kann man die Lage gar nicht dramatisch genug empfinden“.

Die Präsidentschaftswahlen in Frankreich seien „bittere Schicksalswahlen für Europa“. Wenn Marine Le Pen gewählt werde, „droht uns wirklich das Auseinanderfallen des größten Zivilisationsprojekts des 20. Jahrhunderts“, meinte Gabriel. An diesem Freitag übernimmt er das Amt des Außenministers. mit rtr

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