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Galileo-Projekt: Marktwirtschaft nach Berliner Art

Das Satellitennavigationssystem Galileo gilt in Europa als Schlüssel-Projekt. Doch die Bundesregierung hält sich zurück, wenn es um die Finanzierung der Spitzentechnologie geht.

Brüssel - Die Amerikaner und die Russen haben es längst, die Chinesen sind dabei, es aufzubauen. Die Europäer hätten es auch gern, sind aber so zerstritten, dass es sich von Jahr zu Jahr verzögert: die Satellitennavigation. „Galileo ist für Europa ein Schlüsselprojekt, das größte Hightech-Programm der europäischen Technologie. Wir brauchen es und wir wollen es“, versichern deutsche Diplomaten in Brüssel.

Doch wenn es um die Finanzierung des größten Zukunftsprojekts der Europäer geht, dann hält sich die Berliner Regierung zurück. Beim EU-Ministerrat in Luxemburg wird der Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) am heutigen Dienstag seinen Widerspruch gegen die Finanzierungsvorschläge von EU- Verkehrskommissar Jacques Barrot zu Protokoll geben. „Diesen Vorschlag tragen wir nicht mit“, heißt es aus deutschen Kreisen in Brüssel. Der für Galileo zuständige EU-Kommissar will die für den Aufbau von Galileo noch fehlenden 2,4 Milliarden Euro nämlich aus der EU-Kasse bezahlen. Dem EU-Verkehrskommissar ist Mitte September der Kragen geplatzt. Die EU hatte aus ihrem Haushalt die nötige Anschubfinanzierung von rund einer Milliarde Euro bereitgestellt. Der Rest von 2,4 Milliarden Euro sollten private Unternehmen investieren. Das Gezerre der privaten Unternehmen, die sich zum Galileo-Konsortium zusammengeschlossen hatten, war nach der Sommerpause aber immer noch nicht beendet. Barrot will deshalb jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen: Die fehlenden 2,4 Milliarden Euro soll die EU selbst aufbringen. Und die Aufträge zum Aufbau des Galileo-Systems sollen neu ausgeschrieben werden.

Das aber passt der Regierung überhaupt nicht. Die EU-Kommission solle, so fordert der deutsche Finanzminister, Galileo nicht über den Haushalt, sondern entweder über echte Einsparungen an anderer Stelle finanzieren oder aber über die Europäische Weltraumagentur ESA.

Dass ausgerechnet die Bundesregierung, die sich in der EU doch sonst so gerne als Anwalt der Marktwirtschaft darstellt, gegen die Ausschreibung der Galileo-Aufträge ist, hat in Brüssel Befremden ausgelöst. Bundesverkehrsminister Tiefensee forderte eine Art industriellen Proporz: Da die Finanzierung zu rund einem Viertel aus der deutschen Kasse komme, sollten auch die Aufträge zu einem Viertel an die deutsche Industrie vergeben werden. Frankreich dagegen, dem doch oft „Staatsinterventionismus“ vorgeworfen wird, hat sich für die Neuausschreibung der Galileo-Aufträge ausgesprochen. Der Grund für den Gesinnungswandel in Berlin und Paris liegt nach Ansicht von Brüsseler Branchenkennern auf der Hand: In der Raumfahrttechnik ist die französische Industrie hoch wettbewerbsfähig, die deutsche Industrie dagegen nicht. Thomas Gack

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