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Gamescom: Von Söldnern und Zauberstäben

Immer mehr Spieler gehen einfach online oder spielen mobil. Die Branche muss sich umstellen. Ob ihr das gelingt, zeigt sich am Mittwoch. Dann beginnt in Köln die weltgrößte Messe für Videospiele, die Gamescom.

Jens Begemann hat eine klare Überzeugung: Spielen liegt in der Natur des Menschen. Und er hat ein klares Ziel: Er möchte Spiele zu einem gleichberechtigten Unterhaltungsmedium machen – ähnlich wie Radio oder Fernsehen. Dass er bisher mit seiner Idee ganz gut gelegen hat, zeigt die Entwicklung seines Unternehmens: 2009 gründete er die Spielefirma Wooga. Am Anfang stand ein Drei-Mann-Team. Heute arbeiten bereits mehr als 200 Mitarbeiter aus 30 Nationen bei Wooga, wöchentlich kommen zwei weitere hinzu, die Büros in der ehemaligen Backfabrik in Mitte müssen immer wieder erweitert werden.

Doch nicht alle in der Branche haben Grund zur Freude. Woogas größter Konkurrent, Zynga aus den USA, schreibt seit Monaten Verluste, musste die Prognose zurücknehmen und die Aktie hat seit dem Börsengang Ende vergangenen Jahres mehr als zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt. Zynga leidet darunter, von Facebook abhängig zu sein und kein mobiles Angebot zu haben. Das gesamte Umfeld sei „herausfordernder“ geworden, erklärt Zynga. Ein aktuelles Stimmungsbild der Industrie wird die Computer- und Videospielmesse Gamescom bieten, die Mitte der Woche in Köln beginnt.

Wooga macht kleine Spiele, die man zwischendurch spielen kann, es geht um Geschicklichkeit, Schnelligkeit oder darum, einen kuriosen Garten zum Blühen zu bringen. Und es geht darum, mit anderen zusammenzuspielen. Diamond Dash oder Monsterworld konnte man zuerst nur auf Facebook spielen. Deshalb nennt man sie Social Games. Der Informationsdienst AppData verzeichnet aktuell 313 Millionen aktive Spieler im Monat bei Zynga und knapp 40 Millionen bei Wooga. Die Spiele von Zynga und Wooga sind grundsätzlich kostenlos.

Social Games haben ebenso wie Browser Games, die gesamte Spieleindustrie durcheinandergebracht. Bisher werden die meisten Spiele noch für 50 oder 100 Euro als physisches Produkt im Laden gekauft oder auf den PC heruntergeladen. Doch immer mehr Spieler gehen heute einfach ins Netz und spielen dort – meist ohne etwas zu bezahlen. Geld verdienen Anbieter wie Zynga oder Wooga nur, wenn Spieler sich virtuelle Güter wie zum Beispiel Zauberstäbe kaufen, um im Spiel schneller voranzukommen. Weniger als fünf Prozent der Spieler bei Wooga geben überhaupt Geld aus. „Der Umsatzanteil von virtuellen Zusatzinhalten ist im Vergleich zu den klassischen Geschäftsmodellen noch gering – aber er wächst kontinuierlich und äußerst dynamisch“, sagt Maximilian Schenk, Geschäftsführer beim Branchenverband BIU, der vor allem die Unternehmen vertritt, die Spiele mit großen Budgets und langen Entwicklungszeiten produzieren.

Die Gamecity Hamburg liegt vorn, Berlin holt auf.

Im Herbst soll Monsterworld auch für iPhone und iPad erscheinen. Mittlerweile arbeitet die Hälfte der 200 Spiele-Autoren, Grafiker und Entwickler bei Wooga an mobilen Titeln.
Im Herbst soll Monsterworld auch für iPhone und iPad erscheinen. Mittlerweile arbeitet die Hälfte der 200 Spiele-Autoren, Grafiker und Entwickler bei Wooga an mobilen Titeln.

© Wooga

Im Gegensatz zu Zynga hat sich Wooga schon früh daran gemacht, sich von Facebook zu emanzipieren und Spiele auch für Smartphones und Tablets zu entwickeln. Mobile Spiele werden immer beliebter, weil man sie ohne großen Aufwand zwischendurch spielen kann. Und auch dieser Trend bringt das Geschäftsmodell der traditionellen Spieleentwickler und -verleger in Bedrängnis. Die gesamte Industrie setzte mit Computer- und Videospielen im ersten Halbjahr 2012 in Deutschland 845 Millionen Euro um, ein Prozent mehr als in der Vorjahresperiode. Doch während die Erlöse bei Datenträgern und Downloads um 3,7 Prozent auf 616 Millionen Euro schrumpften, stiegen sie bei mobilen Spielen um 40 Prozent auf 20,4 Millionen Euro an. Rund 25 Millionen Deutsche spielen regelmäßig Computer- oder Videospiele. Die meisten sind immer noch Männer (56 Prozent). Doch auch das ändert sich: Bei Wooga sind 70 Prozent der Spieler Frauen.

In ganz Deutschland gibt es inklusive der Dienstleister etwa 800 Unternehmen der Computer- und Videospielindustrie, sie machen rund zwei Milliarden Euro Umsatz im Jahr und beschäftigen mehr als 10 000 Mitarbeiter. Die meisten Firmen sitzen in Hamburg. „Hamburg hat früh angefangen, die Computerspielbranche zu fördern und Standortmarketing zu betreiben“, sagt Michael Liebe, Referent Neue Medien beim Medienboard Berlin-Brandenburg. Die Gamecity Hamburg gibt es bereits seit 2003. Aber Berlin steht an zweiter Stelle. Und: „Wir holen auf“, sagt Liebe. Es gibt in der Hauptstadt bereits zahlreiche Ausbildungs- und Studienangebote für Spielentwickler. „Die Hauptstadtregion ist ein international anerkannter Standort für Talente.“ Veranstaltungen wie die Deutschen Gamestage und der Deutsche Computerspielpreis trügen ihren Teil zur Popularität bei. Inzwischen fördert das Medienboard auch das Games.net Berlin-Brandenburg, das mit einem Gemeinschaftsstand von mehr als einem Dutzend Berliner und Brandenburger Unternehmen auf der Gamescom vertreten sein wird.

Rund 250 Firmen, schätzt Liebe vom Medienboard, umfasst die erweiterte Computerspielbranche in der Region, dazu zählt er auch Dienstleister, die etwa die Vertonung oder die Lokalisierung übernehmen oder Bezahlsysteme anbieten. Genaue Zahlen für die Branche gibt es nicht, die Abgrenzung sei schwierig, da die Firmen sowohl der Kulturwirtschaft als auch der IT zuzurechnen seien, sagt Liebe. Zur Zahl der Mitarbeiter in Berlin will er sich nicht äußern, „die ändert sich so schnell“. In Berlin sind vor allem die Entwickler von Online- und mobilen Spielen stark vertreten. Neben Wooga sind das Bigpoint Berlin mit 80 und Gameduell mit 180 Mitarbeitern. Gameforge Berlin (ehemals Frogster) kommt auf knapp 200 Mitarbeiter. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Karlsruhe bietet seinen 300 Millionen registrierten Nutzern Online-Games in mehr als 50 Sprachen an. Yager wiederum hat 100 Mitarbeiter. Das Kreuzberger Studio hat gerade sein neues Spiel „Spec Ops: The Line“ herausgebracht, nach dem Vorbild von Francis Ford Coppolas Anti-Kriegsfilm „Apocalypse Now“. Vertrieben wird es von der US- Firma 2K-Games. Das Militärspiel ist ein sogenanntes Triple A Game, das sind Spiele von hoher Qualität für Konsole oder PC, meist mit einem zweistelligen Millionenbudget. 2K-Games wird das Spiel aus Berlin auf der Gamescom präsentieren. Wooga dagegen wird keinen Stand haben. Jens Begemann fährt trotzdem nach Köln – um neue Mitarbeiter anzuwerben.

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