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Thomas Ganswindt saß nach dem Auffliegen der gesamten Affäre Ende Dezember 2006 zehn Tage in Untersuchungshaft. Foto: Reuters

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Wirtschaft: Ganswindt kämpft

Zum Auftakt des Schmiergeld-Prozesses weist der Ex-Siemens-Vorstand alle Vorwürfe zurück

München - Dieser Mann versteckt sich nicht. In der Verhandlungspause steht er direkt vor dem Haupteingang des Münchner Landgerichts an der Nymphenburger Straße, umgeben von seinen Verteidigern, und raucht. Gerader Blick, ernste Miene. Thomas Ganswindt war einmal ganz oben, er war im Zentralvorstand des Siemens-Konzerns. Und er ist tief gefallen in den vergangenen vier Jahren.

Gestern begann der Prozess gegen Ganswindt vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München. Die Anklage: Der heute 50-Jährige soll im Zuge der Siemens-Korruptionsaffäre von schwarzen Kassen in seinem Bereich gewusst und dies geduldet haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, seine Aufsichtspflicht vorsätzlich verletzt und Steuern hinterzogen zu haben. Stetig ist Ganswindt seit 1989 auf der Siemens-Karriereleiter emporgestiegen. 2001 wurde er Chef der Telekommunikationssparte „IC Networks", 2004 rückte er in den Konzernvorstand auf.

Genau zählt Staatsanwalt Florian Bronnen in der über 40-seitigen Anklageschrift ein Firmenprojekt nach dem anderen auf, das durch Bestechung zustande gekommen sein soll. Es sind Geschäfte mit Ländern, die wegen ihres hohen Korruptionsgrades bekannt sind: Nigeria, Kasachstan, Russland, Thailand. So soll Ganswindt von „Sonderzahlungen“ für ein Kasachstan-Geschäft gewusst, aber nicht nachgefragt haben. In Russland gab es „Geschenke“ für die Partner, ein neues Museum wurde kostenlos mit PCs ausgestattet. Bei einem Thailand-Besuch soll ein Siemens-Mitarbeiter Ganswindt direkt auf Korruptionszahlungen angesprochen haben, und für Nigeria seien jede Menge „Beraterverträge“ abgeschlossen worden.

Die Bestechung soll sich in der Zeit von 2000 bis mindestens 2003 abgespielt haben. 1998 war Korruption im Ausland gesetzlich unter Strafe gestellt worden, Siemens stellte wie andere Unternehmen auch „Compliance“-Regeln auf, die ein gesetzeskonformes Handeln verlangen. Insgesamt aber waren große Teile des Konzerns von Korruption und einem System schwarzer Kassen befallen, bis die Verstöße Ende 2006 aufgedeckt wurden.

Ganswindt aber weist die Vorwürfe gegen ihn zurück – und wird mit aller Kraft für einen Freispruch kämpfen. Das wurde schon beim missglückten Prozessauftakt im Januar deutlich. Sein Verteidiger Michael Rosenthal hatte gleich zu Beginn kritisiert, dass das Gericht nicht mit drei, sondern nur mit zwei Berufsrichtern besetzt war und kündigte eine „aufwendige, kontroverse Beweisaufnahme“ an. Nach kaum zehn Minuten war der Prozess geplatzt, Richterin Jutta Zeilinger wollte keine spätere Revision riskieren. Nun also ein neuer Auftakt mit drei Richtern.

Nicht nur der Staatsanwalt redet an diesem ersten Verhandlungstag, sondern auch Ganswindt. Lange, eineinhalb Stunden dauern seine Ausführungen. Er erzählt, wie er als Ingenieur über viele Jahre hinweg bei Siemens verwurzelt wurde. Er spricht von den „schönsten Aufgaben“, die er hatte. Und es wird klar: In seinem Leben stand Siemens an erster Stelle. Mit fester Stimme und hoch konzentriert beschreibt er seine Sicht der Dinge. Bei den Computern für das Museum in St. Petersburg etwa habe er gar nicht an Korruption gedacht – viele Konzerne hätten das Technik-Museum gesponsert, warum nicht auch Siemens? In Thailand sei er von einem Ex-Mitarbeiter angesprochen worden, mit dem er nichts mehr zu tun haben wollte, da sich Siemens wegen Schmiergeldzahlungen von ihm getrennt habe. Und die hohen Provisionszahlungen für Kasachstan seien von den unabhängigen KPMG-Wirtschaftsprüfern gebilligt worden.

Es wird ein langer, detailreicher Prozess. 23 Verhandlungstage bis Ende September hat das Gericht schon angesetzt.

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