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Wirtschaft: Ganz Frankreich senkt die Preise

Finanzminister Sarkozy hat einen Pakt verordnet: Industrie und Einzelhandel müssen billiger werden

Berlin – Die französischen Verbraucher können sich freuen: In der Nacht zum Donnerstag setzte sich ihr neuer Finanzminister, Nicolas Sarkozy, erfolgreich für sie ein. Nun werden im September die großen Lebensmittelketten die Preise der Markenartikel um zwei Prozent senken. Vertreter der Ernährungsindustrie und Handelsketten ließen sich darauf ein – nachdem Sarkozy mit einer gesetzlichen Verordnung gedroht hatte.

Der Plan des Ministers: Die Inflationsrate, die im Mai mit 2,8 Prozent zu den höchsten in der Eurozone gehörte, soll sinken. Vor allem aber sollen die Franzosen mehr Geld ausgeben, so die Konjunktur ankurbeln und neue Steuergelder in die Staatskasse bringen. Denn Sarkozy muss das französische Budgetdefizit im kommenden Jahr wieder unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken, mehr erlaubt der europäische Stabilitätspakt nicht. Das gleiche Problem hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) – und die Wähler würden ihm niedrigere Preise bestimmt danken. Aber hierzulande ist man sich einig: Die Preise in den Supermärkten zu senken, das geht in Deutschland nicht. „Schließlich haben wir die niedrigsten Preise in Europa, der Wettbewerb ist sehr hart“, sagt ein Sprecher der Metro-Handelsgruppe.

Fakt ist nämlich, dass die Franzosen müssen für Markenartikel fünf bis zehn Prozent mehr bezahlen als ihre Nachbarn in Deutschland. Die Lebensmittelpreise liegen in Deutschland um 15 Prozent unter dem EU-Durchschnitt, ermittelte die Marktforschungsgruppe AC Nielsen. „Der Wettbewerb findet in Deutschland nur über den Preis statt“, sagt Jörg Hinze, Konjunkturexperte vom Hamburgischen Weltwirtschaftsarchiv. Preissenkungen würden die Gewinne der Handelsketten so weit drücken, sagt Hintze, dass Arbeitsplätze gefährdet wären. Er hält verordnete Preissenkungen ohnehin für unsinnig – in Deutschland und in Frankreich: „Das Beste ist, wenn der Markt die Preise allein regelt.“

Was auf den ersten Blick wie ein autoritärer Eingriff des französischen Staates in die Marktwirtschaft aussieht, geht aber auf den zweiten Blick mit einer Liberalisierung einher. Denn in Frankreich sind die Preise höher, weil sie reglementiert sind. Um der Anordnung des Finanzministers überhaupt folgen und die Preise senken zu können, muss zunächst ein Gesetz aufgeweicht werden, die „Loi Galland“. Dieses Gesetz schreibt den Herstellern vor, mittelständischen Händlern die gleichen Konditionen einzuräumen wie Großkonzernen. Die Hersteller unterlaufen das Verbot von Mengenrabatten bereits jetzt, indem sie Handelsketten Geld für die besondere Bewerbung ihrer Produkte zahlen. Diese „Nachmarge“ darf aber nicht an die Kunden weitergegeben werden, damit der Mittelstand nicht unter Preisdruck gerät.

Sarkozys Preissenkungen sollen nun aus dieser Nachmarge finanziert werden. Sarkozy will den Supermärkten auch erlauben, ihre rechtlich beschränkte Verkaufsfläche zu erweitern. Bedingung ist, dass auf den neuen Fläche Waren mittelständischer oder regionaler Anbieter verkauft werden.

Der Handel und die Hersteller sollen die Preissenkungen gemeinsam schultern. Die Handelsketten protestierten jedenfalls kaum: Angesichts eines Rückgangs der Konsumnachfrage im Mai um acht Prozent und der Kundenwanderung zu Billigketten wie Lidl sprach sich auch der Chef der Supermarktkette Leclerc für die Senkung aus. Die Gespräche sollen nun weitergehen. Finanzminister Sarkozy möchte die Preise bis 2005 um fünf Prozent drücken.

Flora Wisdorff

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