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Wirtschaft: Garnelen mit Ananas im Eisglas

Beim Foodpairing wagen Profiköche und Laien ungewöhnliche Kreationen.

Berlin - Man nehme Garnelen, Ananasstücke, Champignons und etwas Orangensauce, gebe alles in ein Eisglas und nenne es Garnelencocktail. Spinnerei? Lebensmittelverschwendung? „Viele Kunden kommen genau deshalb zu uns“, sagt ein Verkäufer. Wie auf Bestellung drängt sich eine ältere Dame durch die Menge und kauft zwei Cocktails. Die Feinkostetage im KaDeWe in Berlin-Charlottenburg ist bekannt für exquisite Kreationen – der Wunsch nach Ausgefallenem sorgt für immer verrücktere Nahrungskombinationen. Auch die am nächsten Stand angebotene Williamsbirne mit feiner Edelpilzcreme dürfte bei den wenigsten zum Weihnachtsmenü gehören. Doch was nicht ist, kann dank experimentierfreudiger Köche durchaus werden. Nicht nur im KaDeWe, wo Kunden ein ein Meter langes Modell des Brandenburger Tores aus Niederegger-Marzipan besichtigen können.

„Foodpairing“ heißt, Geschmacksrichtungen neu zu denken und wagemutig zu kombinieren. Experimentiert wurde in den Küchen dieser Welt schon immer, doch „durch das Internet wird auch das Kochen stark internationalisiert“, sagt Steffen Sinzinger, der auf www.steffensinzinger.de/blog Kreationen präsentiert und dabei vor allem auf ihre Präsentation samt Hochglanzfotos achtet. Als Trend bezeichnet Sinzinger beispielsweise „ Gemüse in Desserts“. Aber auch die Wiederentdeckung von Produkten ist in Mode, wie Sinzingers Rezept für „Gewürzkaffeeeis & Milchmädchencreme für Café au lait“ zeigt. Die gekochte, gezuckerte Kondensmilch ist ein Verkaufsschlager aus vergangenen Zeiten, nun findet sie neue Fans.

Wer zum Fest seine Liebsten mit einem Dessert mit Koriander, Gewürznelken und Lorbeerblättern zum Kaffee überraschen will, kann sich auf Sinzingers Blog inspirieren lassen. „Der Vorteil ist, dass auch bekannte Restaurants heutzutage mehr preisgeben als früher und gleichzeitig die Inspiration durch Kochbücher geblieben ist“, sagt er. Dadurch wird auch für weniger gekonnte Kochfreunde das Experimentieren erleichtert. Wem der Sinn danach steht, kann sich auch auf www.sternefresser.de informieren, einer Internet-Seite, die neben Rezepten Tipps für die Wahl von besonderen Restaurants bereithält.

Überraschungen für den eigenen Gaumen gibt es im Netz aber längst nicht nur auf privaten Seiten. Ritter Sport stellt Rezepte für einen „Sommersalat mit Pfeffer-Schokodressing“ zur Verfügung, und wer glaubt, dass schon in Namen an sich ein Widerspruch steckt, wird bei den weiteren Zutaten (ganze Schokoladenstückchen, Rucola, Kirschtomaten und Limette) wirklich Augen machen.

Martin Hablesreiter, von Beruf Food Designer und im Internet mit www.honeyandbunny.com präsent, glaubt, dass „die Gesellschaft immer reicher wird und dadurch auch die dekadenten Spielchen zunehmen“. Vor 50 Jahren hätten die Menschen noch Tiefkühl-Erdbeeren für verrückt gehalten, heute „sind schlichtweg mehr unterschiedliche Lebensmittel und Verarbeitungstechniken verfügbar“.

Dabei sieht Hablesreiter eine Paralle zwischen dem Trend zum Ausgefallenen und der steigenden Nachfrage nach regionaler Kost. „Es ist zu beobachten, dass Restaurants nach experimentellen Phasen manchmal wieder zu jenen einfachen Produkten zurückkehren, die sie einst groß gemacht haben.“ So ist es kein Wunder, dass bei den Deutschen zu Weihnachten regelmäßig nicht Exotisches, sondern Würstchen mit Kartoffelsalat oder die klassische Weihnachtsgans ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen.Nik Afanasjew

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