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Ulrich Weber (l.), Personalvorstand der Deutschen Bahn, verhandelt seit zehn Monaten mit GDL-Chef Claus Weselsky.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

GDL gegen Deutsche Bahn: Zehn Monate Streit, keine Einigung

Schon im Herbst bestreikten die GDL-Lokführer die Bahn. Danach zeichnete sich zunächst eine Einigung ab – nun überwarfen sich die Konfliktparteien erneut. Warum?

Wie lang ist ein Meter? Nach Angaben von Ulrich Weber, Personalchef der Bahn, „waren wir einen Meter vor der Ziellinie“ in den Tarifverhandlungen mit der Bahn. Das kommt einem bekannt vor. Seit zehn Monaten wird verhandelt, 16 Mal trafen sich die Verhandlungskommissionen. Da waren häufiger Ziellinien in Sichtweite. Oder auch nicht. Es ist alles in allem erbärmlich, was Weber und sein Tarifpartner Claus Weselsky von der GDL zustande bringen. Und dieses grausige Gezerre ist auch nur ansatzweise entschuldbar, weil es um mehr geht als Lohnprozente oder kürzere Arbeitszeiten.

Bei der Bahn gibt es zwei Gewerkschaften: Die kleine Lokführertruppe GDL und die große Eisenbahnverkehrsgewerkschaft EVG. Bis vor einem Jahr hat die GDL für die Lokführer Tarife gemacht und die EVG für den Rest des Personals, jetzt wollen beide auch für ihre Mitglieder in den anderen Beschäftigtengruppen einen Tarif abschließen, die GDL also auch für Lokrangierführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten. Das verkompliziert die Lage aus Sicht des Arbeitgebers gewaltig, denn die Bahn will verständlicherweise vermeiden, dass sich die verfeindeten Gewerkschaften EVG und GDL mit Tarifabschlüssen zu übertreffen versuchen.

Der GDL geht es um ihr eigenes Überleben

Auf den ersten Blick will die GDL für ihre Leute fünf Prozent mehr Geld, eine Arbeitzeitverkürzung um eine Stunde und überhaupt mehr Personal, damit weniger Überstunden geleistet werden müssen. Über diese materiellen Forderungen ist bislang so gut wie nicht gesprochen worden. In 16 Verhandlungsrunden haben Weber und Weselsky vielmehr Pirouetten gedreht rund um die Frage, welcher Tarif für welche Beschäftigtengruppe gilt. Da geht es eher um technische Details, die für die Arbeitnehmer weniger wichtig sind als ein paar Lohnprozente. Und trotzdem ist es zumindest begrenzt verständlich, wenn sich die beiden Parteien so schwer tun, denn es geht in diesen Monaten auch um hohe Politik.

Zum 1. Juli will die Bundesregierung die Tarifeinheit gesetzlich regeln, um künftig Sparten- oder Berufsgewerkschaften das Leben schwerer zu machen. Das Projekt ist fünf Jahre alt, damals im schwarz-gelben Regierungsgestrüpp hängen geblieben und im Herbst 2013 im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen von den Arbeitgebern wieder hervorgeholt worden: Wenn die Gewerkschaften den gesetzlichen Mindestlohn kriegen und die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren eingeführt wird, dann wollen sie im Gegenzug ein Gesetz über die Tarifeinheit.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat Wort gehalten, die erste Lesung im Bundestag war bereits, im Juni soll das parlamentarische Verfahren abgeschlossen sei, das Gesetz im Juli in Kraft treten. Im Kern ist dann geregelt, dass die größte Gewerkschaft in einem Betrieb künftig den Ton angibt. Wenn, wie bei der Bahn, zwei Gewerkschaften für identische Beschäftigtengruppen die Zuständigkeit beanspruchen, dann hat künftig der Tarifvertrag der größeren Gewerkschaft Vorrang. Die kleinere, in diesem Fall die GDL, wäre kaltgestellt, weil mittelbar auch ihr Streikrecht eingeschränkt wird. Weselsky glaubt inzwischen, dass sein Gegner Weber genau darauf zielt: Die Tarifverhandlungen so lange hinziehen, bis das Gesetz kommt und die GDL quasi entmachtet ist. Ganz abwegig ist diese Vermutung nicht: Wenn Weber es geschafft hat, zehn Monaten eine Einigung zu vermeiden, dann kann er auch noch knapp zweieinhalb Monate dranhängen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.

Weselskys letzter Kampf

Dagegen streikt Weselsky. Ohne dieses letzte Mittel gibt Weber nicht nach, denkt Weselsky. Allerdings setzt er das Mittel inzwischen zum siebten Mal ein. Es wäre noch häufiger zum Streik gekommen, etwa kurz vor Weihnachten und dann zuletzt im Februar, wenn Klaus Dauderstädt, Bundesvorsitzender des Beamtenbundes, zu dem auch Weselskys GDL gehört, sich nicht eingemischt hätte. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube und Vertreter der Regierung, schließlich ist die Bahn ein Staatskonzern, haben geholfen. Das wird auch diesmal nötig sein, weil sich Weber und Weselsky verhakt haben und kaum noch abschlussfähig sind. Schließlich ist das die Ironie der Geschichte für Weselsky: Das unendliche Theater bei der Bahn spielt denen in die Karten, die für eine Tarifeinheit sind. Womöglich kämpft der GDL-Chef gerade seinen letzten Kampf.

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