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GDL-Chef Claus Weselsky hat erneut zum Streik aufgerufen

© dpa/Britta Pedersen

GDL-Streik bei der Bahn: Für Claus Weselsky gibt es kein Zurück mehr

Die Lokführergewerkschaft hat erneut zum Streik aufgerufen, der neunte in dieser Tarifrunde. GDL-Chef Claus Weselsky ist längst klar, dass er verloren hat. Doch er ist gefangen in seinem starken Ego und der Erwartungshaltung seiner Mitglieder. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Für Claus Weselsky ist der Zug abgefahren. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL kann diesen Tarifkonflikt nach menschlichem Ermessen nicht mehr gewinnen – zumindest nicht gemessen an seinem definierten Ziel, den Einflussbereich seiner Spartengewerkschaft auf weitere Berufsgruppen auszuweiten. Acht Streiks haben der Arbeitgeber Deutsche Bahn und dessen Kunden nun schon erduldet. Warum sollten sie nicht auch diesen neunten Streik ertragen können, selbst wenn er über die Pfingstfeiertage hinweg dauern sollte?

Streik ist das härteste Schwert, das eine Gewerkschaft im Arbeitskampf hat. Es stumpft mit jedem Schlag ab, weil sich die Getroffenen mit der Situation arrangieren. Mit dem unbefristeten Streikaufruf ist die oberste Sprosse der Eskalationsleiter erreicht. Wie geht es weiter, beziehungsweise da wieder herunter? Möglichkeit eins: Claus Weselsky glaubt an seine Restchance im Promillebereich, er glaubt tatsächlich daran, dass die Bahn ihm und seiner GDL doch noch eingesteht, auch für andere Berufsgruppen Tarifverträge abzuschließen. Das wäre gut für Deutschland, dann bliebe zumindest die Chance, dass Weselsky die Niederlage doch noch irgendwann als solche erkennt und sie eingesteht – vielleicht schon am kommenden Freitag: Sollte das geplante Gesetz zur Tarifeinheit im Bundestag von einer übergroßen Mehrheit der Abgeordneten verabschiedet werden, sich auch Arbeitnehmerfreunde aller Parteien dazu bekennen, dürfte das manchen Lokführer zum Nachdenken bringen.

Es geht nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern um Realismus

Wahrscheinlicher aber ist Möglichkeit zwei: Auch diesem cleveren und strategisch denkenden Weselsky ist längst klar, dass er verloren hat. Nur ist er derart gefangen in seinem starken Ego und den Erwartungshaltungen seiner Mitglieder, dass er nicht mehr zurückkann. Es spricht vieles dafür, dass Weselsky die Sache mittlerweile persönlich nimmt und maßgeblich darauf achtet, wie er gesichtswahrend aus der Sache rauskommt. Machen er und seine Lokführer also weiter, bis ein Gericht ihnen erstmals das Streiken untersagt, dann wird man ihnen am Ende zumindest nicht vorwerfen können, sie hätten nicht alles versucht.

Weselsky selbst könnte im Falle einer richterlich festgestellten Niederlage für manche Zeitgenossen sogar als Held der Arbeiterbewegung in die Geschichte eingehen. Während alle großen Spieler der Gewerkschaftslandschaft nämlich besagtes Gesetz zur Tarifeinheit mittragen, kämpft diese GDL tapfer weiter – und das stellvertretend auch für Ärzte und Piloten, deren Macht ebenfalls durch das Gesetz eingeschränkt würde. Claus Weselsky kann, und das ist das Perverse an dieser Situation, persönlich je mehr gewinnen, desto länger der Tarifkonflikt dauert. Alle lieben Asterix und seine Leute – auch und gerade in der Stunde einer drohenden Niederlage. Würden sie nach acht Angriffen ihren Widerstand aus freien Stücken aufgeben, blieben sie nicht als Gallier, sondern nur als Querulanten in Erinnerung.

Die Streiks der Lokführer sind nervtötend und schädlich für die Volkswirtschaft: Das ist in Ordnung, diese Streiks sind legitim und rechtens. Streiks werden aber unmoralisch von dem Zeitpunkt an, an dem Streikende wissen, dass sie nicht mehr weiterkommen können. Es geht jetzt nicht mehr um Gerechtigkeit, sondern um Realismus: Nicht der Klügere gibt nach, sondern der Schwächere.

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