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Wirtschaft: Geduld der Herlitz-Aktionäre wird strapaziert

BERLIN (dr).Auch in diesem Jahr wird es voraussichtlich keine Dividende von der Herlitz AG geben.

BERLIN (dr).Auch in diesem Jahr wird es voraussichtlich keine Dividende von der Herlitz AG geben.Das mußte der Vorstandsvorsitzende Karel de Vries bei der Hauptversammlung gestern im Internationalen Kongreß-Centrum in Berlin den wenig begeisterten Aktionären gegenüber einräumen.Die Holding werde auch 1998 wahrscheinlich kein positives operatives Ergebnis erreichen.Im Gegenteil: Ein Verlust in zweistelliger Millionenhöhe sei möglich.Damit wird die immer wieder angekündigte Wende bei Herlitz wieder verschoben.

Allerdings versuchte der Vorstandsvorsitzende seine Aussage einzuschränken, dies gelte insbesondere für die PBS AG (Papier-, Büro- und Schreibwaren) nur, wenn sich der Trend der ersten fünf Monate fortsetze.Dieser Bereich mache sein Hauptgeschäft aber zum Schulbeginn und über die Weihnachtszeit.Bei der Vorlage der Bilanz im April hatte de Vries allerdings für dieses Jahr noch einen Gewinn versprochen.

War es da ein Zeichen, daß Punkt 6 der Tagesordnung, unter dem eine Ermächtigung zur Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen an Führungskräfte beschlossen werden sollte, von der Verwaltung zurückgezogen wurde? Falls dieser Vorschlag der Hauptversammlung im kommenden Jahr wieder vorgelegt werden sollte, würde sie erbitterten Widerstand leisten, erklärte eine Vertreterin der Kleinaktionäre unter Beifall.Erst einmal solle der Vorstand gefälligst etwas leisten.Die Aktionäre hätten durch Dividendenverzicht ihren Beitrag schon geleistet.

De Fries betonte, daß gewaltige Umstrukturierungen und harte Sanierungsmaßnahmen notwendig seien.Dies bedeute auch einen deutlichen Personalabbau, nachdem bereits im vergangenen Jahr rund 217 Arbeitsplätze oder vier Prozent der Belegschaft im Konzern gestrichen wurden.Konkrete Zahlen zum veranschlagten Stellenstreichungen nannte er nicht.Sie dürften aber in diesem Jahr eine Zahl von über 500 erreichen.Geschlossen werden sollen 1998 mehrere Standorte.Allein die Optimierung des Ergebnisses werde die Anzahl bestimmen, so de Vries.Aus heutiger Sicht sei jedoch zu erwarten, daß es zumindest vier sein würden.Weitere Sanierungsmaßnahme ist eine deutliche Straffung des derzeitigen Produktionssortiments von 20 000 Artikeln um rund 15 Prozent.Die Produktivität soll dadurch in den kommenden Jahren um 20 Prozent erhöht werden.

Positiv für Berlin und sein Umland: In Zukunft soll die gesamte Logistik von Herlitz für Zentraleuropa auf Falkensee konzentriert werden.Seit Mitte des vergangenen Jahres gilt dies bereits für die Glückwuschenkartentochter Susy Card, Becker Falken aus Berlin soll in diesem Jahr folgen.Arbeitsintensive Aktivitäten sollen an Standorte in Polen und der Tschechischen Republik verlagert werden.

Alle diese Maßnahmen sollen sich dann auch positiv auf den Aktienkurs auswirken, den de Vries als äußerst unbefriedigend einschätzte.Die Börsenbewertung des Unternehmens liege momentan beim Substanzwert, mußte de Vries gegenüber den Aktionärenb eingestehen.Berücksichtige man nur die stillen Reserven aus der Inanspruchnahme von steuerlichen Sonderabschreibungsmöglichkeiten, so ergebe sich ein Eigenkapital von über 420 Mill.DM, fügte er hinzu.

Hier setzte erneut die Kritik der Kleinaktionäre und ihrer Vertreter an, die die Kursentwicklung als katastrophal und peinlich bezeichneten.Sie warfen dem Vorstand vor, von den Aussagen auf den letztjährigen Hauptversammlung stimme aus heutiger Sicht nichts mehr.Vorgeworfen wurde der Verwaltung insbesondere, daß sie das Risiko in Rußland völlig unterschätzt habe.Allein bei der AO Volga hat die Herlitz AG rund 105 Mill.DM verloren.36 Mill.DM hiervon entfallen auf die Abschreibung der Beteiligung, 30 Mill.DM auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, 9 Mill.DM auf die Entsendung des Managements durch die Herlitz International Trade (Hit) zur AO Volga und 30 Mill.DM aus Verbindlichkeiten, die durch nun einlaufende Reklamationen der Kunden entstehen, die AO Volga aber nicht erfüllen kann.Die Russen seien zahlungsunfähig, mußte de Vries einräumen.Heftig kritisiert wurde von den Aktionären das Personalkarussell im Konzern.Ob beispielsweise im Aufsichtsrat, bei dem im vergangenen Jahr drei Mitglieder ausgeschieden sind und drei neue benannt wurden, eine Art Staffellauf stattgefunden habe, fragte eine Vertreterin.

Immerhin konnte de Vries aber auch einige positive Nachrichten verkünden.So gebe es konkrete Ansätze für den Verkauf von Herlitz Falkenhöh (Immobilien) und Hit.Das Gelände um den Borsigturm, das derzeit bebaut wird, ist an einen offenen Immobilienfonds übergegangen.Man wolle in den Wohnungsbau für Bundesbedienstete einsteigen, wo die Gesellschaft kürzlich einen Wettbewerb gewonnen habe, so de Vries.An Arbeit mangele es auch in Zukunft nicht.

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