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Wirtschaft: Gegen die Ausbeutung von Praktikanten

DGB reicht Petition beim Bundestag ein/ Auch Berliner IHK will Standards für Praktikanten und eine Mindestvergütung

Berlin - Der DGB will mit diversen Maßnahmen die „schamlose Ausbeutung“ von Praktikanten beenden. Am Freitag stellte der Gewerkschaftsbund einen Maßnahmekatalog vor und reichte mit dem Verein „Fairwork“ eine Online-Petition beim Deutschen Bundestag ein. „Immer mehr junge Menschen werden durch unbezahlte oder unterbezahlte Praktika hingehalten und häufig auch betrogen“, sagte die stellvertretende DGB-Chefin Ingrid Sehrbrock in Berlin. Auch Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hatte kürzlich die Ausbeutung der Praktikanten beklagt. „Statt reguläre Stellen einzurichten, bedienen sich Arbeitgeber der billigen Praktikanten“, meinte Sehrbrock und forderte den Gesetzgeber zum Handeln auf. Das Praktikum müsse gesetzlich als Lernverhältnis definiert werden, „Inhalt, Dauer und Vergütung müssen geregelt werden“, sagte Sehrbrock.

Die DGB-Forderungen macht sich ein Ausschuss der Berliner IHK zu eigen. So wird für Studenten im Praktikum eine monatliche Vergütung von 300 Euro vorgeschlagen. Der IHK-Ausschuss für Medien und Kommunikation hat Qualitätsstandards für Praktikanten in den Medien entwickelt. „Während Praktikanten in einigen Unternehmen sehr viel lernen können, werden sie anderswo als günstige Arbeitskraft missbraucht“, heißt es in einer Mitteilung der Kammer. Die IHK schlägt Standards vor, mit denen unter anderem die fachliche Betreuung der Praktikanten, professionelle Beurteilungen, geregelte Arbeitszeiten und eine Mindestvergütung geregelt werden.

Dem DGB zufolge gibt es immer mehr junge Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen. Wie viel es genau sind, weiß niemand; die aktuellste Zählung liegt drei Jahre zurück und kommt auf 800 000 Praktikanten und Aushilfen. Um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, würden sich viele Junge auf un- oder unterbezahlte Praktika einlassen. In manchen Branchen habe sich geradezu ein „Praktikanten-Arbeitsmarkt“ insbesondere von Akademikern herausgebildet. „Dieser zeichnet sich aus durch ein extrem hohes Qualifikationsniveau, flexibelste Arbeitszeiten, niedrige Sozialstandards sowie geringe bis keine Entlohnung“, heißt es beim DGB. Wenn man aber trotz Arbeit kein Einkommen erziele, dürfe man sich über „schwerwiegende soziale Konsequenzen“ wie zum Beispiel Kinderarmut nicht wundern. Wer eine „pessimistische Sicht auf den eigenen Werdegang“ habe, der verzichte womöglich „aus Angst“ auf Kinder, meint der Gewerkschaftsbund.

Schließlich leide das Gemeinwesen insgesamt unter dem massenhaften Einsatz von Praktikanten, weil bei diesen Arbeitsverhältnissen keine oder wenig Sozialbeiträge und Steuern abgeführt würden. „Indem der Staat den Unterhalt der Praktikanten mitfinanziert, zahlt er sogar noch drauf“, beklagt der DGB. Damit sich Praktikanten, die vollwertig arbeiten, ihren Vergütungsanspruch einklagen können, regt der DGB eine genauere gesetzliche Abgrenzung eines Lern- von einem Arbeitsverhältnis an. Zwar liegt bereits heute der Tatbestand des Lohnwuchers nach Bürgerlichem Gesetzbuch vor, wenn der gezahlte Lohn unter 80 Prozent der durchschnittlichen Bezahlung liegt. Doch der Betroffene muss nachweisen, dass es sich um ein Arbeits- und kein Lernverhältnis haltet, was nach DGB-Einschätzung in der Regel schwierig ist.

Betriebe mit extremen Einsatzformen von Praktikanten stellt der Verein Fairwork jeden Monat an den Pranger. Aktuell ist das eine Galerie in München, die einen unbezahlten Leiter sucht, zu dessen Aufgaben unter anderem Vertragsverhandlungen mit Künstlern gehören.

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