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Wirtschaft: Gehalt gibt es nur noch gegen Ausweis

Im Jemen kassieren viele Bürger doppelt. Die Firma Dermalog aus Hamburg liefert ein Gegenmittel

Sana’a - Gerade hieß er noch Mohammed, eine halbe Stunde später Ahmed. Und beide Male sammelt er eine Lohntüte ein. Viele Jemeniten haben sich eine doppelte Identität zugelegt, um bei mehreren Behörden Gehalt einzustreichen. Das kostet die ohnehin klamme jemenitische Regierung jeden Monat umgerechnet mehrere Millionen Dollar. Das Gegenmittel liefert die Firma Dermalog aus Hamburg: Fälschungssichere Ausweise mit biometrischen Merkmalen. Auf der Vorderseite gibt es ein Foto und einen normalen Fingerabdruck. Auf der Rückseite sind über einen zweidimensionalen Strichcode die Daten von weiteren Fingern aufgenommen.

Gerade läuft die Registrierung der rund 500 000 Beschäftigten des Ministeriums für Bürgerdienste und Versicherungen – zuerst in der Hauptstadt Sana’a, später in den Außenstellen in der Provinz. „Bisher gibt es keinen spürbaren Widerstand“, sagt Sergej Hassouna, der Dermalog-Projektleiter in Sana’a. Viele Ministeriumsangestellte seien sogar froh, dass der Betrug abgestellt wird. Denn sie müssen die Arbeit für ihre Phantomkollegen mit erledigen, ohne dass diese große Angst vor Enttarnung zu haben brauchen. „Die Ministerien sind zu unübersichtlich“, meint Hassouna. Der Anstoß, in den Ministerien aufzuräumen, kam von außen – von der Weltbank. Sie schrieb auch den Auftrag für die Erfassung der Ministeriumsbeschäftigten und die Produktion der Ausweise aus. Gewonnen hat Dermalog, weil die Hamburger mit ihrer Technik führend sind bei der Verarbeitung großer Mengen von Fingerabdrücken. Sie haben schon viele Projekte in Asien, Südamerika und im Nahen Osten betreut. Auch beim neuen biometrischen deutschen Reisepass will Dermalog mitarbeiten. Der Jahresumsatz des Unternehmens ist zwar mit zehn Millionen Euro noch recht bescheiden, doch gab es in den vergangenen drei Jahren jeweils Zuwächse von etwa 50 Prozent.

„Nicht jeder Abdruck ist einzigartig. Es kann vorkommen, dass zwei Menschen den gleichen Fingerabdruck haben“, erklärt Hassouna. Um die Identität einer Person zweifelsfrei zu klären, müssen auch die Abdrücke weiterer Finger gespeichert worden sein und verglichen werden. Drei Millionen Euro ist der Auftrag wert, den Dermalog gewonnen hat. Die Hamburger sind stark im Ausland engagiert. Von 50 Mitarbeitern seien sechs bis acht regelmäßig außerhalb Deutschlands unterwegs, sagt Hassouna. In Malaysia gibt es ein eigenes Büro.

In einem größeren Saal warten Beschäftigte darauf, fotografiert zu werden und ihre Fingerabdrücke abzugeben. Auch tief verschleierte Frauen sitzen auf den Plastikstühlen. Es sieht aus wie auf einem deutschen Arbeitsamt, bloß dass im Ministerium die Wände frisch gestrichen sind. Und auch der Spender mit Wartenummern fehlt. Stattdessen herrschen drei Männer und eine Frau an einem großen Tisch über das Geschehen. Vor ihnen liegen Ordner mit Erfassungsbögen für persönliche Daten. Erst wenn diese dank einer mehrstufigen Prozedur als echt einzustufen sind, werden die betroffenen Mitarbeiter einbestellt. Bei 3600 Beschäftigten ist es schon so weit.

Auch der Personaldirektor Muhammad Abdu Juman al-Aschua muss die Prozedur über sich ergehen lassen wie seine Untergebenen. „Die Aktion ist sehr wichtig“, sagt der schmächtige Mann, während ein Mitarbeiter seine Fingerabdrücke einen nach dem anderen über einen Scanner erfasst. Erleichtert wird die Arbeit durch einen freimütigen Umgang mit persönlichen Informationen. Über Datenmissbrauch macht sich im Jemen niemand Gedanken. Wichtiger ist es, dass Frauen, die in der Mehrzahl Gesichtsschleier tragen, nicht öffentlich fotografiert werden. Sie lüften das Kopftuch hinter einer Stellwand – vor anderen Frauen mit Kameras.

Alles läuft bislang glatt, sagt Hassouna. Sollte die Weltbank mit der Arbeit zufrieden sein, winke ein Folgeauftrag über 1,5 Millionen Euro. Natürlich könne auch eine andere Firma die Arbeit übernehmen, sagt Hassouna. Aber die 1,5 Millionen hat er innerlich schon für Dermalog gebucht.

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