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Wirtschaft: Geld ist nicht genug

Eine neue Generation von Managementabsolventen will nicht nur gut verdienen, sondern auch die Welt verbessern.

Amicis X. Arvizu hat einen Lebenslauf, wie ihn sich die Business-Schools wünschen: Mehr als zehn Jahre im Bildungsbereich gearbeitet, auch gemeinnützige Organisationen als Arbeitgeber, im Erststudium Biologie in den USA studiert. Jetzt macht er den Master of Business Administration (MBA) an der deutschen HHL Leipzig Graduate School of Management.

Nach dem Abschluss will der 32-jährige Amerikaner in die Biotech-Branche gehen. Aber nicht zu irgendeinem Arbeitgeber. „Nur zu einem Unternehmen, dessen Kultur zu meinen Werten passt“, sagt Arvizu. „Ich möchte nicht für ein Unternehmen arbeiten, dessen Geschäftsmodell auf genetisch veränderten Organismen basiert und dessen Geschäftspraktiken ich nicht mittragen kann.“

Arvizu ist Vertreter einer Generation, die die Wirtschaftshochschulen verändern wird. Generation Y haben Forscher sie getauft. Weil sie selbstverständlich das Lernen online und offline kombiniert, müssen das auch die Wirtschaftshochschulen. Weil sie selbstverständlich über soziale Netzwerke kommuniziert, sind auch die Hochschulen dort aktiv. Weil sie Frontalunterricht langweilt, müssen sich auch die Professoren davon verabschieden.

Der Business-School-Berater und MBA-Experte Matt Symonds geht noch einen Schritt weiter, wenn er sagt: „Die Generation Y kombiniert mit den neuen Technologien bedeutet für die Business-Schools, dass sie ihr Geschäftsmodell überdenken und erneuern müssen.“ Natürlich ist das, was Forscher über die Generation Y sagen, stark verallgemeinernd. Dass sich in dieser Gruppe aber Gewichte verschieben, spüren auch die Verantwortlichen an den Business-Schools. Etwa, wenn ihre Statistiken ihnen zeigen, dass mehr ihrer Absolventen – wenn auch noch auf bescheidenem Niveau – soziale Unternehmen gründen. Etwa, wenn – noch im einstelligen Prozentbereich – mehr Studenten aus gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen in den MBA-Klassen sitzen.

Etwa, wenn die Studenten die Projekte und Clubs stürmen, die sich mit nachhaltigem Wirtschaften beschäftigen. Das ist eines der Themen, das die Generation Y am stärksten einfordert. „Diese Generation ist damit aufgewachsen“, sagt Symonds. „Aber sie haben das nie als isolierte Themen gesehen, sondern als ganz normaler Teil der Art und Weise, wie sie auf die Welt schauen.“ MBA-Student Arvizu fasst es so zusammen: „Ich will eine Organisation oder ein Unternehmen voranbringen und gleichzeitig die Umwelt schützen.“

Ethisches und nachhaltiges Wirtschaften oder die Frage, welche Rolle Unternehmen in der und für die Gesellschaft haben, dürfen keine isolierten Kurse, sondern müssen Bestandteil aller Kurse sein. Doch darüber streiten die Professoren an den Hochschulen, überzeugt sind davon längst nicht alle.

Dass die Studenten diese Themen nachfragen, hänge auch mit den Krisen zusammen, die diese Generation mit dem Platzen der Internetblase und der Weltfinanzkrise erlebt habe, sagt Bodo Schlegelmilch, Dekan der Business-School der Wirtschaftsuniversität Wien. „Man ist sich bewusst, dass man leicht in Krisen geraten kann.“ Auch wollen die Studenten wissen, wie man den ständigen Wandel begleitet oder unter Unsicherheit führt, hat der Chef der Schweizer Ausbildungsstätte IMD in Lausanne, Dominique Turpin, festgestellt.

Damit sie selbst bestimmen können, wie das Unternehmen tickt, in dem sie arbeiten, gründet die Generation Y verstärkt selbst. Ihr Interesse an Unternehmertum und Gründerlehre hat Insead-Professor Peter Zemsky als einen der großen Trends ausgemacht. Zemsky sieht hier eine „große Veränderung“: für die Jungen erscheine es attraktiver, nicht Teil der langen Hierarchiekette in den Unternehmen zu werden.

Denn die Ypsiloner legen Wert auf einen anderen Führungsstil. „Früher konnte man sagen: ,Müller machen Sie mal das.' Heute muss der Müller denken: ,Das könnte spannend sein, das will ich machen“, fasst Michael Frenkel, Rektor der WHU-Otto Beisheim School zusammen. Dafür müssen auch die Dozenten ihre Rolle überdenken. Studien zur Generation Y zeigen, dass sie Autoritäten anders wahrnimmt. „Aus den Professoren werden mehr und mehr Coaches“, sagt IMD-Chef Dominique Turpin.

Für viele in der Generation Y heißt Unterricht auch, gut unterhalten zu werden. Das Wort „Edutainment“, eine Mischung aus Education (Bildung) und Entertainment (Unterhaltung) drückt genau das aus. Es bedeutet nicht, dass aus Professoren Clowns werden sollen. Es bedeutet aber, dass die Professoren einen guten Mix verschiedener Unterrichtsmethoden brauchen. „Wir müssen die Leute aus dem Rhythmus reißen“, sagt WU-Dekan Schlegelmilch. Da kommt auch all die Technik ins Spiel, mit der die Generation Y ohnehin spielend umgeht.

Tablet-PCs etwa: An der WU Wien wird für die Teilnehmer der englischsprachigen MBA-Programme nichts mehr ausgedruckt. Was die Studenten lesen sollen, laden sie auf das Gerät, das sie zu Beginn des Studiums erhalten. Oder soziale Netzwerke: Schon Monate bevor der MBA am französischen Insead beginnt, haben sich die künftigen Studenten über das soziale Netzwerk Facebook gefunden. Das verändert auch die Kommunikation im MBA. „E-Mails funktionieren nicht mehr, die Leute lesen sie nicht mehr“, sagt Zemsky. „Wir haben nun ein Social-Media-Tool für die Organisation.“ Und boten die Professoren früher Sprechstunden an, klären sie jetzt vieles online.

Hinzu kommt: Die Anreize haben sich für viele der Studenten und künftigen Absolventen verändert. „Es geht um die Erfüllung der persönlichen Ziele, statt nur darum, am Ende des Monats viel Geld auf dem Konto zu haben“, sagt IMD-Chef Dominique Turpin. Trotzdem spielt das Gehalt auch bei der Generation Y eine Rolle, die Jungen gehen schlicht davon aus, dass das Salär stimmt.

„Natürlich wollen wir als MBA-Studenten unsere Karriere voranbringen und nach dem MBA mehr Geld verdienen“, sagt auch HHL-Student Arvizu. „Aber wir wissen, dass es Probleme gibt, die wir benennen müssen, sowohl als Konsumenten als auch im Job.“ (HB)

Stefani Hergert

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