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Allein die Allianz hat Rückstellungen für 117 Millionen gebildet.

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Geld zurück: Versicherer müssen Kunden Milliarden erstatten

Bislang machten Lebensversicherer gute Geschäfte mit vorzeitig aufgelösten Verträgen. Das soll sich nun ändern.

Von Carla Neuhaus

Nur die wenigsten halten durch. Etwa 80 Prozent der Verbraucher kündigen ihre Lebensversicherung vor Ende der Laufzeit. Für die Versicherer war das lange ein gutes Geschäft. Denn wer vorzeitig kündigt, bekommt nur einen Teil des angesparten Geldes zurück. „Manche Verbraucher haben bisher sogar überhaupt nichts rausbekommen“, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. Jetzt können Versicherungskunden, die in der Vergangenheit ihren Vertrag gekündigt haben, dagegen auf Nachzahlungen hoffen. Gleich gegen fünf Versicherer hat die Verbraucherzentrale Hamburg geklagt – und Recht bekommen. Zuletzt ist auch die Allianz eingeknickt. Sie beugte sich einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart und verzichtete damit auf den Gang vor den Bundesgerichtshof.

Die Richter haben mehrere Klauseln in den Verträgen von Kapitallebens- und Rentenversicherungen, die zwischen 2001 und Ende 2007 abgeschlossen wurden, als unwirksam erklärt. Statt zum Beispiel die fälligen Abschlussgebühren häppchenweise auf die Jahre der Laufzeit zu verteilen, hatten die Versicherer sie direkt am Anfang von den ersten Beiträgen abgezogen. Das hat den Rückkaufwert der Lebensversicherung deutlich gemindert – mit der Folge, dass Verbraucher, die ihren Vertrag vorzeitig gekündigt haben, nur wenig Geld vom Versicherer zurückbekamen. Zu Unrecht, sagten die Richter. Als Folge müssen die Versicherer die Rückkaufswerte jetzt neu berechnen. Von der neuen Rechtsprechung profitieren auch Kunden, die ihre Lebensversicherung nur beitragsfrei gestellt haben. Bei ihnen erhöht sich die Versicherungssumme. Verbraucher sollten sich schriftlich an ihren Versicherer wenden, um einen Nachschlag einzufordern. Denn nicht in jedem Fall handeln die Versicherer von sich aus. Verbraucherschützer fordern von den Konzernen deshalb den „Rückruf der Verträge“ und die automatische Erstattung. „Kaputte Autos werden vom Hersteller ja auch zurückgerufen und kostenlos repariert“, sagt Edda Castello von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Für fehlerhafte Abrechnungen von Policen muss das Gleiche passieren.“

Die Verbraucherschützer rechnen damit, dass Versicherte im Schnitt 500 Euro zurückverlangen können. In Einzelfällen könnten es aber auch schon mal mehrere tausend Euro sein, sagt Castello. „Den gesamten Schaden, der durch eine vorzeitige Kündigung entsteht, kann aber auch die Nachzahlung nicht ausgleichen.“ Allein bei der Allianz dürfen rund 900 000 Kunden darauf hoffen, Geld erstattet zu bekommen. Der Konzern hat dafür bislang Rückstellungen in Höhe von 117 Millionen Euro gebildet. Insgesamt müssen die deutschen Versicherer ihren Kunden nach Schätzungen der Verbraucherschützer rund zwölf Milliarden Euro zurückzahlen.

Klar ist die Rechtslage derzeit nur bei den Konzernen, deren Klauseln von Gerichten für unwirksam erklärt wurden. Neben der Allianz sind das Signal Iduna, Ergo, Generali und Deutscher Ring. Zwölf weitere Konzerne hat die Verbraucherzentrale Hamburg zwar abgemahnt, bislang hat jedoch keiner von ihnen eine entsprechende Unterlassungserklärung unterschrieben. Verbraucherschützerin Edda Castello rechnet daher noch mit weiteren Gerichtsverfahren.

„Wir gehen davon aus, dass auch Kunden dieser Versicherer einen Anspruch auf Rückzahlung haben“, sagt Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten (BdV). Denn die Klauseln seien bei allen Konzernen ähnlich. Kleinlein rät deshalb auch Kunden anderer Versicherer, Geld zurückzuverlangen. Bei strittigen Fragen können sie sich an den Ombudsmann für Versicherungen wenden, einer Schlichtungsstelle, die für den Verbraucher kostenlos ist.

Die bisherigen Urteile betreffen nur Verträge für Lebens- und Rentenversicherungen aus den Jahren 2001 bis Ende 2007. „Verträge, die später abgeschlossen wurden, müssen noch einmal gesondert geprüft werden“, sagt Axel Kleinlein. 2008 sei zwar das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) überarbeitet worden, viele Klauseln seien aber noch immer intransparent und wenig verständlich. Die Abschlusskosten müssen die Versicherer seitdem immerhin auf die ersten fünf Jahre des Vertrags strecken. Wer vorzeitig kündigt, muss dann nur einen Teil der Kosten tragen.

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