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Geldanlagen: Der Preis der Sicherheit

Wie man mehr aus seinem Geld macht – trotz Minirenditen bei Bundesanleihen und Tagesgeld.

Eigentlich stellen diese Konditionen alle Gesetzmäßigkeiten aus der Welt des Geldes auf den Kopf: Wer dem Staat bis zum Juli 2042 – also für mehr als 30 Jahre – Geld leiht, muss für einen 100-Euro- „Schuldschein“ mehr als 108 Euro bezahlen. Trotzdem erhält er zum Dank für seinen Finanzierungsbeitrag an die Bundesrepublik nur einen kargen jährlichen Zinskupon von 3,25 Prozent. Unter dem Strich bedeutet dies: Die Rendite 30-jähriger Staatsanleihen ist unter drei Prozent gesunken, genauer gesagt auf 2,84 Prozent pro Jahr – und liegt damit so tief wie noch nie zuvor. Bei zehnjährigen Staatsbonds fallen nur 2,25 Prozent ab, das Allzeittief lag kürzlich bei 2,09 Prozent.

Doch die Anleger schreckt dies keineswegs ab: Investoren aus aller Welt reißen sich seit Monaten schon um deutsche Staatspapiere, ebenso wie um Schuldscheine anderer Industrienationen wie den USA oder Japan. In Frankreich erfreuen sich selbst Papiere mit 50-jährigen Laufzeiten eines reißenden Absatzes. Wer zu solchen Konditionen Geld verleiht, ist offenbar sicher: In den kommenden zehn bis 30 Jahren wird die Inflation nicht steigen, die Zinsen bleiben im Keller, die Wirtschaft schwächelt.

Wer Staatsanleihen schon länger im Depot hat, kann bisher noch triumphieren. Denn die hohe Nachfrage hat nicht nur die Renditen eingedampft, sondern auch die Kurse getrieben. 30-jährige Bonds, früher eher als Langweiler für Übervorsichtige belächelt, haben sich zu Kursraketen gemausert. „Zwischen Januar und Ende August konnten Anleger durch Kursgewinne und Zinskupon unter dem Strich 30 Prozent Gewinn mit 30-jährigen einfahren“, sagt Johannes Rudolph, Anleiheanalyst bei HSBC Trinkaus. Wer im Januar 2000 eine 30-jährige Bundesanleihe für 100 Euro pro Stück ins Depot gelegt hat und seither jährlich 6,25 Prozent Zinsen kassiert hat, könnte sie aktuell für 150 Euro verkaufen.

Volkswirte und Analysten fragen sich: Ist an den Anleihemärkten der Industrienationen eine gewaltige Blase entstanden, die irgendwann platzt? Ist es an der Zeit, Gewinne mitzunehmen? Oder kann auch der Privatanleger weiter Staatsanleihen kaufen? Die Meinungen sind sehr geteilt.

„Natürlich macht es für einen konservativ ausgerichteten Investor weiter Sinn, Bundesanleihen zu kaufen“, ist sich HSBC-Trinkaus-Rentenexperte Rudolph sicher. Vor allem die hohe Sicherheit in Zeiten großer konjunktureller Unsicherheit und Zukunftsangst sei ein wichtiges Argument. Staatspapiere seien mittlerweile auch ein Spielball im Risikomanagement großer Investoren wie Banken und Versicherungen und würden deshalb sehr häufig und aktiv gehandelt. Dies sei auch für normale Anleger interessant: „Privatanleger sollten ihre häufige Strategie, Anleihen immer bis zur Endfälligkeit zu halten, unbedingt überdenken“, sagt Rudolph. Es mache gar keinen Sinn, nun für viele Jahre einen niedrigen Zins zu akzeptieren. Auf kurze Sicht könne der Anleger jedoch durchaus zu Staatsanleihen greifen. Bis Jahresende sieht der HSBC-Analyst die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen höchstens geringfügig steigen. Wer jedoch gute Kursgewinne erzielt habe, könne diese „auch ruhig einmal realisieren“, also seine Anleihen verkaufen.

David Schnautz, Rentenstratege der Commerzbank, hält sogar ein Abtauchen der Zehnjährigen unter die Zwei-Prozent-Marke noch für denkbar. Die Angst der Profis vor einem zweiten Rückfall in die Rezession, sei so ausgeprägt, dass Investoren sogar Kaufkraftverluste akzeptierten, um sichere Papiere zu halten. Für zweijährige Bundesanleihen werden 0,56 Prozent Zinsen in Kauf genommen – bei einer Inflationsrate von zuletzt einem Prozent. Schnautz glaubt sogar, dass das Zinstief dauerhaft bestehen bleiben könnte. In Japan etwa verzinsen sich zehnjährige Bonds mit einem Prozent, die „Blase“ besteht seit mehr als 20 Jahren.

Andere Experten sind pessimistischer. Dass die gegenwärtige Kaufwut bei Staatsanleihen einem Tanz auf dem Vulkan gleicht, glaubt etwa Ulrich Blum, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle. Auch der Schweizer Anlageguru und Dauerpessimist Marc Faber („Dr. Doom“) rät dazu, von Staatsanleihen jetzt die Finger zu lassen. Die Deutsche Bank empfiehlt, kurzfristig einen Blick auf etwas höher verzinste Anleihen anderer Euro-Länder wie Österreich oder Frankreich zu werfen, oder auch auf Anleihen aus den Schwellenländern. Peter Huber, Fondsmanager bei Star-Capital und Spezialist für Anleihen, würde sogar „auf keinen Fall öffentliche Anleihen mit längeren Laufzeiten kaufen, auf die sich jetzt alle Welt stürzt“. Denn wo Geld ungezügelt in eine Anlageklasse fließe, könne es keine Rendite geben. Vorerst glaubt jedoch auch Huber nicht an einen Kurs-Crash. Dennoch werde die Blase irgendwann platzen.

Was dann passiert, kann sich jeder ausmalen: Steigen die Zinsen, etwa, weil die Notenbanken die Sätze wieder anheben, dann sind alte, bereits laufende Papiere mit Magerzinsen unattraktiv und werden verkauft. Die Kurse fallen. Zwar garantiert der deutsche Finanzminister eine hundertprozentige Rückzahlung am Laufzeitende. Doch wer zu höheren Preisen gekauft hat, kann das Papier womöglich nicht rechtzeitig verkaufen und muss bis zur Endfälligkeit warten, um Verluste zu vermeiden. Zudem: Steigt die Inflation, dann reicht ein Mini-Zinskupon nicht aus, um Kaufkraftverluste abzudecken.

Wer dieses Risiko nicht eingehen will, kann sich bei Tages- und Festgeldern umsehen. Hier ist mehr zu holen. Zwar sind die meisten Zinsschnäppchen an Bedingungen geknüpft oder gelten nur für Neukunden. Doch mit 1,3 bis 1,6 Prozent bieten Banken rund drei Mal mehr als der Finanzminister, der für die Tagesanleihe 0,55 Prozent zahlt. Spitzenreiter ist momentan die Ikano-Bank aus dem Konzern von Ikea-Gründer Kamprad mit 2,22 Prozent. Die Bank of Scotland hat den Tagesgeldsatz gerade von 2,1 auf 2,2 Prozent angehoben. Bei beiden Instituten ist die Einlagensicherung jedoch auf etwa 50 000 Euro beschränkt. Wer sein Geld länger arbeiten lassen will, kann mit Festgeldern und Sparbriefen für fünf Jahre bis zu 3,35 Prozent einfahren, etwa bei der ABC-Bank. Auch hier gilt: Wer sich zu lange bindet, riskiert, auf steigende Marktzinsen nicht reagieren zu können.

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