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Wirtschaft: Gen-Food: Lebensmittel müssen Kennzeichen tragen

Eine europäische Einigung über die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln ist näher gerückt: Die Bundesregierung hat sich nach Aussage von Verbraucherministerin Renate Künast (Bündnis90 / Die Grünen) auf einen Schwellenwert von einem Prozent geeinigt. "Der Verbraucher muss eine Wahlfreiheit bekommen", sagte Künast am Wochenende in Bad Neuenahr in Rheinland-Pfalz.

Eine europäische Einigung über die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln ist näher gerückt: Die Bundesregierung hat sich nach Aussage von Verbraucherministerin Renate Künast (Bündnis90 / Die Grünen) auf einen Schwellenwert von einem Prozent geeinigt. "Der Verbraucher muss eine Wahlfreiheit bekommen", sagte Künast am Wochenende in Bad Neuenahr in Rheinland-Pfalz. Alles, was nicht ganz frei von gentechnisch veränderten Organismen sei, solle künftig gekennzeichnet werden. Nach der Einigung in der Koalition ist auch ein Konsens auf europäischer Ebene wahrscheinlicher geworden. Seit Jahren streiten sich die Mitgliedsländer über die Kennzeichnungspflicht für Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten.

Novel Food gehört bereits zum Alltag

Kritiker der Gentechnik ( siehe Lexikon ) befürchten, dass gentechnisch veränderte Organismen langfristig schädliche Folgen für Mensch und Umwelt haben könnten. Dafür gibt es wissenschaftlich bislang allerdings wenig Anhaltspunkte. Obwohl der kommerzielle Anbau in Europa verboten ist und die Mehrheit der Europäer Gen-Food ablehnt, wird eine rasche Einigung immer drängender: Schon jetzt ist in vielen Gebieten der Welt ein Großteil der Soja-, Mais- und Rapssaaten gentechnisch verändert - mit steigender Tendenz. Als Futtermittel werden die Gen-Pflanzen auch nach Europa verschifft und gelangen so in die Nahrungskette.

Die EU hat dieses Problem bislang nicht geregelt. Zwei entsprechende Richtlinien sind aber in Vorbereitung. Verbraucherministerin Künast hatte sich bislang für einen Grenzwert unterhalb von einem Prozent ausgesprochen, sich damit aber in der Koalition offenbar nicht durchsetzen können.

Eine schnelle Einigung wird auch aus einem anderen Grund notwendig: Die Regierung will bis zum Jahr 2010 einen Anteil von zwanzig Prozent Ökolandbau erreichen. Das hatte sie erst in der vergangenen Woche im Rahmen der "nationalen Nachhaltigkeitsstrategie für Deutschland" noch einmal bekräftigt. Voraussetzung für die Realisierung dieses Ziels ist allerdings, dass es klare Kriterien für den Ökolandbau gibt. Dazu gehört auch die Festlegung auf klare Schwellenwerte für gentechnisch veränderte Bestandteile in Futtermitteln und in der Nahrung. Schon jetzt warnen Agrarverbände und Futtermittel-Importeure, dass eine Trennung von Gen-Futter und genfreiem Futter fast unmöglich ist. Grund ist der wachsende Anteil von Futtermittel-Importen aus Nicht-EU-Ländern, in denen der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen rasant zunimmt. Wurden Gen-Pflanzen 1996 noch auf einer Fläche von 1,7 Millionen Hektar angebaut, lag ihr Anteil im vergangenen Jahr schon bei 52,6 Millionen Hektar.

Hauptanbauländer sind neben den USA und Kanada auch Argentinien, Mexiko, China und Brasilien. Allein in Asien bauen 2,5 Millionen Bauern Gen-Pflanzen an. In diesem Jahr wird sich der Anteil nach Meinung von Experten weiter erhöhen - und damit auch der Druck auf die EU, zu einer Regelung zu finden. Vor allem die USA drängen auf eine rasche Einigung. Doch einen Nutzen sehen bislang nur die Bauern. Da die Gen-Saaten dank eingebauter Zusatz-Gene weniger anfällig gegenüber Schädlingen sind, können die Bauern Insektizide einsparen und haben Aussicht auf höhere Gewinne.

Vorteile versprechen sich auch Entwicklungsländer. Gen-veränderte Pflanzen sollen resistenter gegenüber Hitze und Trockenheit sein und einen größeren Ertrag liefern. "Gen-Saaten können einen wichtigen Beitrag zum Problem der Unterernährung in der Dritten Welt leisten", sagte der kanadische Biotech-Befürworter Clive James, Chef des International Service for the Acquisition of Agri-Biotech-Applications (ISAAA).

In Europa lehnen Umfragen zufolge jedoch mehr als 80 Prozent der Bevölkerung die genetisch veränderte Bestandteile in der Nahrung ab. Erste Versuchsballons mit entsprechenden Lebensmitteln, wie die "Anti-Matsch-Tomate", die dank eines Zusatz-Gens nicht zusammenschrumpelte, oder dem "Butterfinger", den der Schweizer Nahrungskonzern Nestle vor Jahren in die Supermärkte brachte, wurden Flops. Aus Angst vor Imageschäden haben seither alle Hersteller freiwillig darauf verzichtet, Gen-Food in die Supermärkte zu bringen. Andererseits wird Gentechnik schon jetzt in der Lebensmittelproduktion fleißig eingesetzt: Ohne gentechnisch hergestellte Enzyme könnte etwa Käse nicht im Industriemaßstab produziert werden. Auch viele künstliche Aromastoffen werden mit Hilfe der Gentechnik produziert. Dass Gentechnik in Lebensmitteln längst Realität ist, wissen auch Verbraucherschützer und Umweltverbände. Auch sie fordern daher eine Kennzeichnungspflicht. "Wir müssen für den Verbraucher die Voraussetzung für eine Wahlfreiheit schaffen", sagt Thomas Isenberg vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Noch ist der Zug nicht abgefahren."

pet

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