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Miteinander. Herkunft, Geschlecht, Sexualität: Unternehmen sollten die verschiedenen Biografien und Lebensentwürde ihrer Angestellten nutzen und die Zusammenarbeit stärken. In dem Studiengang an der Freien Universität Berlin lernen Interessierte, wie das geht. Foto: Kai-Uwe Heinrich

© kai-uwe heinrich hf

Gender Diversity Management: Den Unterschied nutzen

Der Master Gender Diversity-Management lehrt, von den verschiedenen Profilen der Mitarbeiter zu profitieren. Gerade große Unternehmen beschäftigen bereits solche Experten.

Abseits des Rummels um die gerade zu Ende gegangene Frauenfußballweltmeisterschaft unterzeichnete der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Theo Zwanziger feierlich die tausendste Urkunde der Charta der Vielfalt. Er macht damit sein Bekenntnis zu mehr Vielfalt in der deutschen Gesellschaft deutlich. Fast die Hälfte des WM-Kaders der Männer bestand aus Spielern mit Migrationshintergrund – was die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund betrifft, ist Diversity Management hier geglückt. Auch den Kampf gegen Homophobie hat der DFB aufgenommen, denn der diesjährigen Christopher Street Day stand unter dem Motto „Fairplay für Vielfalt“ und machte sich gegen Diskriminierung vor Homosexuellen im Sport stark. Und was die Gleichstellung der Frau angeht, so hat die Fußballweltmeisterschaft der Frauen einiges in Bewegung gebracht – auch wenn die Spielerinnen nach wie vor nur einen Bruchteil des Preisgeldes der männlichen Spieler bekommen.

Diversity Management – der Begriff kommt ursprünglich aus US-amerikanischen Management-Konzepten und wurde Ende der 90er Jahre durch internationale Unternehmen auch in Deutschland bekannt. Im Zentrum steht dabei der Gedanke, dass die Unterschiede in Herkunft, Geschlecht, Sexualität, Alter und Religion der Mitglieder eines Unternehmens oder einer Organisation den Erfolg eines Unternehmens fördern. Sofern ein positives Miteinander gefördert wird und die Vielfalt in der Belegschaft als Bereicherung empfunden wird. Hier setzt das Diversity Management an.

Der weiterbildende Masterstudiengang der Freien Universität Berlin (FU), Gender- und Diversity-Kompetenz, wurde entwickelt, um einen positiven und konstruktiven Umgang mit den unterschiedlichen Biografien, Geschlechtern und Lebensmodellen in Unternehmen zu lehren. Der Studiengang, der im Oktober 2008 erstmals startete, ist interdisziplinär und anwendungsorientiert ausgerichtet und soll mit einer Berufstätigkeit bis zu 30 Stunden wöchentlich zu vereinbaren sein. Das Studium wird von der Zentraleinrichtung zur Förderung von Frauen- und Geschlechterforschung der FU organisatorisch mitgetragen und die Fachbereiche Politik- und Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft sind inhaltlich beteiligt.

Die Themen der Seminare reichen von Menschrechten, Antidiskriminierungsrecht, Methoden der Sozialforschung bis hin zu diversity- und genderorientiertem Personalmanagement. Voraussetzung für die Zulassung zu einem der 20 Studienplätze ist ein erster berufsqualifizierender Hochschulabschluss, ganz gleich welcher Fachrichtung. „So vielfältig wie das Thema selbst sind auch die Studierenden“, erklärt Katharina Pühl, Koordinatorin des Studiengangs.

Unter den Studenten befinden sich viele Kultur- und Sozialwissenschaftler, aber auch Betriebswirte und Juristen. Einen vergleichbaren Master gibt es bisher nicht im deutschsprachigen Raum und auch international sind Studiengänge zum Thema Diversity rar.

Helena Barke ist die einzige Diplom-Ingenieurin unter den Studierenden in Berlin. „In meinem Beruf als Ingenieurin habe ich festgestellt, dass ich neben einer Kollegin die einzige Frau im Unternehmen war. Das sich das zukünftig ändert, dazu möchte ich gerne beitragen“, sagt die 29-Jährige. Aus diesem Grund hat Helena Barke ihren Beruf für den Masterstudiengang vorübergehend an den Nagel gehängt. Mittlerweile schreibt sie an ihrer Masterarbeit und betreut in diesem Zusammenhang ein internes Netzwerk für Ingenieurinnen bei der deutschen Niederlassung des kanadischen Unternehmens Bombardier in Berlin. „Ziel des Netzwerkes ist es etwa, die Frauenquote von jetzt zwölf Prozent auf zukünftig 20 Prozent zu steigern“, erklärt Helena Barke. Zukünftig kann sie sich eine Anstellung bei einem großen, internationalen Unternehmen wie Bombardier, aber auch eine selbstständige, beratende Tätigkeit als Diversity Managerin vorstellen.

Gerade große Unternehmen beschäftigen bereits solche Experten, um die Vielfalt im Unternehmen zu fördern und zu nutzen. So auch die Deutsche Bahn AG, deren Diversity Managerin der Abteilung Personalstrategie angehört. Birgit Reinhardt, selbst im Vorstand der Charta der Vielfalt, ist Schnittstelle zwischen der Deutschen Bahn AG und anderen Unternehmen, wie der Deutschen Telekom oder der Fraunhofer Gesellschaft und bearbeitet das Thema innerhalb der Firma. „Unsere Kunden sind vielfältig und so soll auch unsere Belegschaft möglichst vielfältig sein. Wenn wir als großes, internationales Unternehmen keine Mitarbeiter mit Migrationshintergrund – ob aus Europa oder anderen Ländern – hätten, wäre das schwierig“, sagt Birgit Reinhardt. „Sie sind gut qualifiziert und in allen Bereichen der Bahn zu finden.“ Trotzdem sei es immer wieder wichtig, etwa durch Trainings Vorurteile abzubauen und Vielfalt in Unternehmen weiter zu fördern.

Ein großer Bereich des Diversity Managements ist natürlich auch die Gleichstellung von Männern und Frauen.DieDeutsche Bahn AG möchte den derzeitigen Frauenanteil im Konzern anheben, von insgesamt 21 auf 25 Prozent. „Wir haben uns hier klare Ziele gesetzt“, sagt Birgit Reinhardt. Das Unternehmen wolle mehr Frauen für sich gewinnen und sich mit dem jetzigen Anteil an weiblichen Mitarbeitern nicht zufrieden geben. Gerade die Mischung bringe neue Ideen und Potentiale in die Unternehmensstruktur, sagt Brigit Reinhardt. Doch auch die Themen lebenslanges Lernen, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Elternzeit und Pflege von Angehörigen gehören zu den Fragen, die die Deutsche Bahn AG und damit die 49-Jährige Diversity Managerin beschäftigen.

Es gibt sie also schon, die Vorreiter-Unternehmen. In staatlichen Unternehmen sind Gleichstellungsbeauftragte schon länger per Gesetz vorgeschrieben. Auch die Berliner „Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung“ kümmert sich um das Thema Diversity und führt aktuell das Projekt „Berlin – Stadt der Vielfalt“ durch, das die Kompetenzen der Verwaltungsangestellten im Umgang miteinander und Kunden stärken soll. Doch in kleineren und mittelständischen Unternehmen befindet sich das Berufsfeld des Diversity Managers noch sehr stark in der Entwicklung. Die ersten Absolventen des Studiengangs sind mittlerweile auf dem Arbeitsmarkt angekommen und haben die unterschiedlichsten Karrierechancen, bestätigt Katharina Pühl. „Durch ein Upgrade mit dem Master finden sie interessante Jobs, wie zum Beispiel in der Bildungsarbeit, bei Nichtregierungsorganisationen, als Gleichstellungsbeauftragte oder als freie Trainer für Gender- und Diversity-Schulungen.“

Ein ganz anderes Profil als seine Kommilitonin Helena Barke bringt der Student Michael Berenson mit. Der 61-Jährige befindet sich in Altersteilzeit und hat zuvor viele Jahre im Bereich Human Resources von Procter & Gamble gearbeitet. Dort betreut er nach wie vor ein Projekt, das den Status von Diversity Management im deutschen Zweig des Unternehmens untersucht und aufzeigt, wie das Diversity Management des Unternehmens weiterentwickelt werden kann. „Ich profitiere dabei von der Symbiose zwischen Beruf und Studium und kann auf beiden Seiten interessante Erfahrungswerte einbringen“, erzählt Michael Berenson. Sein Wunsch für die Zukunft: Er möchte noch tiefer in die Forschung einsteigen und liebäugelt damit, an seine Masterarbeit auch noch eine Dissertation anzuschließen über den positiven Umgang zwischen Arbeitnehmern unterschiedlichen Geschlechtes, verschiedenen Herkünften und Lebensentwürfen und dem Potential, dass in dieser Vielfalt steckt. Der Masterstudiengang Gender-Diversity-Kompetenz hat ihn auf den Geschmack gebracht.

Viola Zech

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