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Krise, Schrumpfkur, Verstaatlichung – das war einmal. GM-Chef Ed Whitacre will den einst weltgrößten Autobauer bis Jahresende wieder an die Wall Street bringen. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

General Motors: Neustart an der Börse

General Motors will noch 2010 an den Aktienmarkt zurückkehren. Opel könnte davon profitieren – wenn der Staat mitmacht.

Berlin - In den Glastürmen der General- Motors-Zentrale in Detroit wird wieder in großen Dimensionen gedacht. Die Autos, die GM in den USA verkauft, sind wieder dicker. Die Gewinne sprudeln wieder üppiger. Und die Pläne für das laufende Jahr haben nichts mehr mit Krise zu tun. Nach der erzwungenen Schrumpfkur im vergangenen Jahr setzt GM-Chef Ed Whitacre auf Expansion. Bis Ende 2010 will der Manager den einst weltgrößten Autohersteller an die Börse zurückbringen. Wegen seiner Insolvenz musste GM das Parkett 2009 verlassen. Am Freitag kündigte das US-Finanzministerium, das 61 Prozent der Aktien hält, in Washington an, der Konzern solle im vierten Quartal zurück auf den Kurszettel kommen. GM ist wieder da.

Für die angeschlagene Tochter Opel im fernen Europa könnte das Comeback ein Glücksfall sein. Eine erneute Börsennotierung des Konzerns und die Vorbereitungen für den Gang an den Kapitalmarkt könnten die Sanierung von Opel beschleunigen – und erleichtern.

„Wer an die Börse geht, muss gesund sein, mit allen seinen Gliedern“, sagt Willi Diez, Direktor des Nürtinger Instituts für Automobilwirtschaft. Die Vorbereitungen auf einen IPO (Initial Public Offering) „erhöhen den Druck, Opel in die schwarzen Zahlen zu bringen“. Das werde 2010 zwar noch nicht gelingen – Opel verliert Marktanteile und Kunden –, aber die GM-Führung wisse, was sie bei der Präsentation ihres Businessplans von potenziellen Investoren zu erwarten habe. „Opel ist nicht irgendwer im GM-Konzern“, sagt Willi Diez. Als Treiber für Innovationen und neue Antriebstechnologien seien die Europäer wichtig für den gesamten Markenverbund. „Die Analysten sind extrem sensibilisiert, weil GM Jahrzehnte lang Marken mitgeschleppt hat, die rote Zahlen geschrieben haben“, sagt Diez.

Damit Opel sich erholen kann, muss auch die politisch umstrittene Frage, ob staatliche Bürgschaften für Bankkredite nötig sind, nach Ansicht von Finanzexperten bald beantwortet werden – mit Ja. „Opel braucht dringend eine eigene Bewertung seiner Kreditrisiken (Kreditrating) und eine eigene Bilanz“, sagt Christoph Stürmer, der beim US-Analysehaus Global Insight die Autoindustrie beobachtet. Erst mit staatlichen Bürgschaften im Rücken sei Opel in der Lage, eine eigene Finanzierung auf die Beine zu stellen und einen stabilen Anteil an Fremdkapital zu beschaffen. „Das Geld liegt bereit“, sagt Stürmer. Die Konsortialbanken Deutsche Bank und Barclays warteten nur auf die Bewilligung öffentlicher Sicherheiten.

Da Geschäftsbanken bei verbürgten Krediten üblicherweise zehn Prozent des Risikos selbst tragen müssen, waren die beiden Institute nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) nicht zur Kreditvergabe an Opel bereit. Die Gefahr eines Ausfalls war ihnen offenbar zu groß. Solange die US-Regierung Großaktionär bei GM ist, müssen die Banken außerdem fürchten, dass der US-Staat Eigentumsvorbehalte bei Vermögenswerten geltend macht, die im Falle einer Opel-Pleite versilbert werden. Diese Sorge könne den Bankern mit einem GM-Börsengang genommen werden, glaubt Christoph Stürmer. Je mehr Aktien in private Hände gelangten, desto geringer sei der Einfluss des Staates.

Die US-Regierung erklärte am Freitag, sie behalte sich das Recht vor, zu entscheiden, ob und wie viele GM-Aktien sie aus ihrem Besitz bei einem Börsengang verkaufe. Die Rettung von GM hatte Washington immerhin 50 Milliarden Dollar gekostet. Steuergeld, das der US-Konzern jetzt nicht einfach für die Opel-Sanierung verwenden könne, argumentiert Opel-Chef Nick Reilly. Erklärtes Ziel der Regierung ist es, das investierte Geld zurückzubekommen. Auch hier könnte der wachsende Einfluss privater Eigentümer Opel aus der Falle helfen, meint Analyst Stürmer. „Der Börsengang würde GM über den Emissionserlös hinaus einen großen Schwung Eigenkapital verschaffen, über das der Konzern in Zukunft freier verfügen könnte.“

Die Banken jedenfalls sind ganz wild auf den „heißesten Börsengang des Jahres“. Sie versprechen sich von der Rückkehr des Autobauers an die Börse ein dickes Geschäft, obwohl die Gebühren wegen des staatlichen Drucks vergleichsweise klein ausfallen dürften. Dafür ist der Gesamtwert hoch: Experten taxieren GM auf bis zu 75 Milliarden Euro. Nach Informationen des „Wall Street Journal“ haben die Investmentbank Morgan Stanley und die Großbank JPMorgan Chase die besten Chancen, den IPO anzuführen. GM selbst und das US-Finanzministerium halten sich dazu offiziell noch bedeckt.

Die Regierung von US-Präsident Barack Obama legte die Vorbereitungen in die Hände des Unternehmens selbst. Dem zuständigen Finanzministerium fehle dafür die Erfahrung, lautete die Begründung. 24 000 Opelaner in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach hoffen, dass diese Freiheit in Detroit jetzt genutzt wird, um Großes zu denken – auch im Sinne der deutschen Tochter.

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