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Wirtschaft: General Motors will in Berufung gehen

NEW YORK/BERLIN (nks/HB/Tsp). Das am Freitag von einem Geschworenengericht im US-Bundesstaat Kalifornien ausgesprochene Urteil, nachdem der größte US-Autoproduzent General Motors Corp.

NEW YORK/BERLIN (nks/HB/Tsp). Das am Freitag von einem Geschworenengericht im US-Bundesstaat Kalifornien ausgesprochene Urteil, nachdem der größte US-Autoproduzent General Motors Corp. (GM), Detroit, insgesamt 4,9 Mrd. Dollar an sechs Personen zahlen soll, die 1993 schwere Brandverletzungen erlitten hatten, als der Tank ihres von GM hergestellten Autos nach einem Zusammenprall mit einem betrunkenen Fahrer explodierte, hat am Wochenende weitere Reaktionen ausgelöst.Experten rechnen mit einer deutlichen Reduzierung des Strafmaßes in der Berufung oder in einem möglichen außergerichtlichen Vergleich. "Die Chance, daß dieses Urteil aufrechterhalten wird, ist minimal", sagte Greg Keating, Juraprofessor an der Universität von Südkalifornien. Der Anwalt der Kläger sagte hingegen, es seien noch 30 bis 60 weitere Verfahren gegen GM wegen Benzintankexplosionen von GM-Modellen anhängig, die ein ähnliches Design wie das des Unfallfahrzeuges haben. Nach eigenen Angaben hat GM aber nur einen einzigen dieser Prozesse verloren. Im vergangenen Jahr hatte ein Gericht in Florida GM zur Zahlung von 33 Mill. Dollar an die Überlebenden eines Unfalls verurteilt, bei dem der Tank ihres Fahrzeugs der GM-Marke Oldsmobile Cutlass in Flammen aufgegangen war. Zwei Personen starben dabei, vier erlitten Brandverletzungen.General Motors hat indes angekündigt, in Berufung zu gehen. Die Summe, zu der GM verurteilt wurde, setzt sich aus 107,6 Mill. Dollar Schadensersatz und einer Strafe in Höhe von 4,8 Mrd. Dollar zusammen und gilt als das höchste jemals in den USA verhängte Strafmaß in einem Produkthaftungsprozeß.Die Kläger hatten argumentiert, daß der Tank ihres Chevrolet Malibu des Baujahres 1979 zu nahe an die Stoßstange gebaut wurde und die Explosion beim Aufprall deswegen ausgelöst wurde. Die Geschworenen folgten der Ansicht, daß GM diese Sicherheitsmängel im Design bekannt waren, das Unternehmen aber keine Maßnahmen dagegen ergriffen habe, um Geld zu sparen. Das Hauptbeweisstück im Prozeß war ein 1973 verfasstes Memo eines GM-Ingenieurs, der kalkuliert hatte, daß sich die Kosten aus Todesfällen durch Autobrände für GM auf 2,40 Dollar pro Fahrzeug beliefen. Änderungen in der Produktion hätte das Unternehmen aber von vier Dollar bis zu zwölf Dollar pro Auto gekostet. GM besteht darauf, daß das Benzinsystem des Chevrolet Malibu den behördlich geforderten Sicherheitsanforderungen entspreche. "Der Unfall war nicht die Schuld von GM", sagte GM-Sprecher Terry Rhadigan nach Bekanntgabe des Urteils. Der schwere Unfall sei einzig auf Alkohol am Steuer zurückzuführen.In den vergangenen Jahren haben Berichte über Gerichtsurteile in den USA, in denen auf außergewöhnlich hohe Schadensersatzansprüche entschieden wurde, großes Aufsehen erregt. Die Autoindustrie ist davon insbesondere betroffen, da die Gerichte oftmals entscheiden, daß selbst durch kleinste Mängel oder das Fehlen eines Warnschildes höchste Gefahr für das Leben der betroffenen Kunden besteht. Besonders spektakulär und auch teuer sind deshalb die Rückrufaktionen der Autohersteller, die Haftungsprozessen vorbeugen sollen. Fast jeder große Autohersteller sah sich in den vergangenen Jahren veranlaßt, Fahrzeuge in die Werkstätten zurückzurufen. Rund eine Mrd. Dollar kostete etwa ein Rückruf, bei dem Anfang 1995 8,8 Mill. Fahrzeuge von elf Herstellern zurückgerufen werden mußten, weil ein Kunststoffteil in der Gurthalterung Ermüdungserscheinungen zeigte.Andere Branchen treten seltener in Erscheinung, doch sind einzelne Fälle nicht weniger spektakulär: 160 Mill. Flaschen Mineralwasser holte etwa Perrier wegen Verunreinigungen durch Benzol weltweit vom Markt. Und noch immer sprechen Kinderärzte von 500 000 Kindern, denen gesüßter Tee das Gebiß zerstörte.

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