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Wirtschaft: Gentechnik: Guter Klon, schlechter Klon

Geklonte Rinder sind völlig normal - wenn sie erst einmal ausgewachsen sind. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die in der vergangenen Woche in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht wurde.

Geklonte Rinder sind völlig normal - wenn sie erst einmal ausgewachsen sind. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die in der vergangenen Woche in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht wurde. Sie stammt von Wissenschaftlern des Klon-Unternehmens Advanced Cell Technology (ACT) und der Mayo-Klinik in Rochester, Minnesota. Die Forscher hatten geklonte Rinder nach zahlreichen Kriterien untersucht, die Verhalten wie Körperbau berücksichtigen. Das Ergebnis: Die Tiere sind anscheinend völlig normal.

Früher dagegen wurde wiederholt von körperlichen Defekten bei Klon-Tieren berichtet. Weil die Klone Herz- und Lungenprobleme hatten, verbot die FDA (US-Aufsichtsbehörde für Nahrungsmittel und Medikamente) ihr Fleisch bei der Lebensmittel-Herstellung. Die neuen Ergebnisse könnten sich nun darauf auswirken, wie geklonte Tiere zukünftig vermarktet werden und welchen Bestimmungen sie unterliegen.

Sie könnten auch die ethische Debatte über das Klonen von Menschen wieder aufleben lassen. Bislang waren Schäden bei geklonten Rindern, Mäusen und Schafen für die Gegner der Methode ein Beweis für die Risiken. "Jetzt aber werden die Klon-Befürworter ohne Zweifel den Schluss ziehen, dass man beruhigt weitermachen kann", sagt Rudolf Jaenisch, Biologe am Whitehead Institut in Cambridge, Massachusetts. Das Institut ist führend auf dem Gebiet der Genomforschung. Jaenisch glaubt, die Tests bei der Studie seien zu oberflächlich gewesen. Das Klonen könnte feine, schwer zu entdeckende Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere haben, die unentdeckt blieben. Zudem seien die Tiere nicht auf genetische Veränderungen untersucht worden.

An der Studie hängt für Advanced Cell eine Menge Geld. ACT ist eine von mehreren kleinen Biotechnologie-Firmen, die auf die lukrativen Märkten für das Klonen preisgekrönter Milch- und Fleischtiere schielen. Die ACT-Tochterfirma Cyagra hat nach eigenen Angaben mehr als 60 Verträge über die Lieferung von Klon-Rindern unterzeichnet; ein Tier kostet rund 25 000 Dollar. Die große Frage ist: Wird die FDA geklonte Tiere der Regulierung unterwerfen oder nicht? Advanced Cell und seine Klon-Wettbewerber Infigen aus Deforest, Minnesota, und Prolinia aus Athens, Georgia, sind sich einig: Für die Firmen sind Klone normale Tiere und sollten keinen speziellen Regeln unterworfen sein.

Die FDA plant jedoch, ein Zulassungsverfahren einzuführen. Wahrscheinlich wird sie durch Klonen hervorgebrachte Tiere mit Antibiotika, Hormonen und anderen Medikamenten für Tiere auf die gleiche Stufe stellen. Für Joseph Mendelson, Rechtsexperte beim Center for Food Safety, einer gemeinnützigen Konsumenten- und Umweltschutz-Gruppe in Washington, reicht auch das noch nicht: "Die Bestimmungen haben viele Lücken", sagt er. Zudem hinkten die Vorschriften hinter den schnellen Fortschritten der Wissenschaftler her. Weiterer Kritikpunkt: Die FDA beteilige die Öffentlichkeit erst dann, wenn die Tatsachen längst geschaffen sind.

Keith Campbell, einer der Väter von Klonschaf Dolly, hält das Fleisch geklonter Tiere für sicher. Er arbeitet an der Universität von Nottingham in England und ist gleichzeitig Mitglied des wissenschaftlichen Beratungsgremiums von Cyagra. "Ich habe vor drei Wochen während einer Reise nach Japan solches Fleisch gegessen", sagt Campbell. Japanische Supermärkte verkaufen Klon-Fleisch ganz offen.

Vor kurzem sandte auch Campbell einen Artikel zur Veröffentlichung ein. Darin untersucht er die Daten aus 20 bereits publizierten Studien über Klon-Experimente bei Schafen, Rindern und Schweinen. Sein Ergebnis: "Alle Tiere, die bis ins Erwachsenenalter überlebten, schienen normal zu sein", sagt er. "Wir brauchen aber längerfristige Studien, um sicher zu gehen."

Die Regulierungsbehörden müssen sich mit einem ganzen Zoo verschiedenartiger und oft bizarrer neuer Tiere herumschlagen. An der Universität von Connetticut werden allergenfreie Hauskatzen entwickelt. Eine andere Neuerung sind transgene Insekten; den Wissenschaftlern schweben beispielsweise Stechmücken vor, die keine Malaria übertragen, oder Krabbeltiere, die Wirkstoffe für Arzneien herstellen. Genetisch veränderte Insekten werden im Rahmen von Experimenten bereits in die Umwelt freigesetzt; dabei seien die Vorschriften weltweit noch nicht weit genug, um mögliche Risiken zu minimieren, sagt Marjorie Hoy, Professorin für Insektenkunde an der Universität von Florida in Gainesville.

Bis jetzt sind noch keine genetisch veränderten Tier auf dem Esstisch gelandet. Aber die FDA hat nach eigenen Angaben mehrere Anträge auf Marktzulassung erhalten - darunter einen von der Firma Aqua Bounty Farms in Waltham, Massachusetts, und zwar für einen gen-manipulierten Lachs, der zweimal so schnell wächst wie normal.

Bis nachgewiesen ist, dass geklonte Tiere oder deren Nachkommen ohne Bedenken für die Herstellung von Lebensmitteln eingesetzt werden können, sollen sie in den Labors bleiben - das ist die Haltung der FDA. Derweil bringen die Firmen aber schon Klon-Tiere zu Kunden. Nach ihren Angaben müssen sie die FDA nicht darüber informieren. Infigen hat beispielsweise im vergangenen Monat den Klon einer Hochleistungs-Holstein-Kuh an einen Käufer in Ontario ausgeliefert. Das Tier gibt rund 45 Liter Milch pro Tag - und Infigen weiß nach eigener Aussage nicht, ob die Milch in die menschliche Nahrung gelangt.

Die kürzlich veröffentlichte Studie enthält jedoch nicht nur Positives für die Klon-Branche. Von den 30 Tieren, die Advanced Cell untersucht hat, starben sechs kurz nach der Geburt an Herz-, Lungen- oder anderen Organproblemen. Zudem mussten erst 110 Schwangerschaften erzeugt werden, damit 30 Tiere lebend geboren wurden; die anderen starben noch im Mutterleib.

Klon-Chronik

Februar 1997 Schottische Forscher verkünden die Geburt von Klonschaf Dolly, dem ersten Klon eines erwachsenen Säugetiers.

August 1997 Bill Clinton schlägt Gesetze vor, die das Klonen von Menschen für mindestens fünf Jahre verbieten.

Januar 1998 19 europäische Länder unterzeichnen eine Übereinkunft, das Klonen von Menschen zu verbieten.

Januar 1998 England lässt als erstes Land das Klonen eines menschlichen Embryos bis zum Alter von 14 Tagen für die medizinische Forschung zu.

November 2000 Japan verabschiedet ein Gesetz, das Klonen von Menschen zum Verbrechen macht.

April 2001 Im US-Kongress wird ein Gesetzesantrag eingebracht, um das Klonen von Menschen zu verbieten.

November 2001 Der Rechtsausschuss der UN-Generalversammlung unterstützt eine Initiative, die das Klonen von Menschen verbietet.

November 2001 Dem Oberhaus wird ein Gesetzesantrag vorgelegt, der das Klonen von Menschen verbietet. Er soll bald verabschiedet werden.

Antonio Regaldo, Gautam Naik, Jill Carroll

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