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GEorg Funke, HRE: Das Gesicht der Krise

Noch vor einem Jahr galt Georg Funke als langweiliger Banker. Mittlerweile steht der ehemalige Vorsitzende der Hypo Real Estate für einen Berufsstand, der dramatisch an Ansehen verloren hat.

Am Dienstag, den 16. Dezember steht die Polizei in Georg Funkes Wohnung. Die Beamten haben einen Durchsuchungsbeschluss dabei. Der Vorwurf: Marktmanipulationen und falsche Darstellungen nach dem Aktiengesetz.

Es ist der vorläufige Tiefpunkt eines Jahres, das für Georg Funke kaum schlechter hätte laufen können. Ende 2007 ist er noch ein normaler Banker. In der Fachwelt gelobt und geschätzt - in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Partys und Glamour sind seine Sache nicht. Er führt eine Bank, die zwar zu den 30 größten börsennotierten Unternehmen des Landes gehört, für das sich aber kaum jemand interessiert. Die Hypo Real Estate in München, kurz: HRE. Das Unternehmen, das vor allem Gewerbeimmobilien finanziert, gilt selbst in der Bankenszene als langweilig. Auch der Kauf des Staatsfinanzierers Depfa im Sommer 2007 bringt nicht gerade Wall-Street-Flair in den Konzern. Denn die Depfa ist vor allem durch ihre Pfandbriefe bekannt. Ein Geschäft "mit ganz geringem Risiko", wie Funke damals sagt.

Auch durch die seit Juli 2007 tobende Finanzkrise scheint der stoische Westfale Funke seine Hypo Real Estate sicher zu lotsen. Am 7. November 2007 präsentiert er in München Geschäftszahlen und sieht die Bank "voll auf Kurs". Sie sei aus der Krise an den Märkten "gestärkt hervorgegangen", tönt der Bankchef.

Funkes Absturz vollzieht sich in Raten. Erste schwere Kratzer bekommt sein Image am 15. Januar. Der selbst bewusste Manager muss einräumen, dass seine Bank 390 Millionen Euro auf US-Wertpapiere abschreiben wird. In diesen Zeiten eigentlich kein dramatischer Betrag. Die Deutsche Bank etwa hat schon Milliarden in den Wind schreiben müssen. Doch das Vertrauen der Anleger ist mit einem Schlag weg: Funke habe die Anleger "aufs schlimmste belogen", schäumt ein Analyst. Der Aktienkurs bricht um 35 Prozent ein und reißt die anderen Werte im Aktien index Dax mit sich. Es ist der Beginn eines dramatischen Verfalls.

Das Gesicht der Finanzkrise

Funke will das offenbar nicht wahrhaben. Es sei "schlicht irrational, was hier an der Börse geschieht", kommentiert er die Kursverluste der HRE-Aktie und kauft selbst Aktien zu. "Wir werden die Situation meistern." Doch es kommt noch viel schlimmer: Am Freitag, den 26. September, elf Tage nach der spektakulären Pleite der US-Bank Lehman Brothers, tauchen die ersten Gerüchte auf: Der Hypo Real Estate geht das Geld aus. Die neu erworbene Tochter Depfa mit Sitz in Irland hat sich bei der Finanzierung von Krediten gehörig verzockt. Sie hat langfristig Geld verliehen und wollte sich selbst kurzfristig welches leihen. Doch nach der Lehman-Pleite ist dieser Markt tot. Was folgt, ist eine dramatische Rettungs aktion. In einer Telefonkonferenz ringt Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit den Spitzenmanagern der deutschen Finanzwirtschaft um Kredite für die HRE. Sie sollen eine Kettenreaktion im deutschen Bankensystem verhindern. Heraus kommt ein 35 Milliarden Euro schweres Kreditpaket der Banken, der Staat bürgt für die Rückzahlung. "We did it", verkündet Funke am Montag darauf in einer Telefonkonferenz mit Investoren. Doch nur wenige Tage später steht die nächste Rettung an. Die Deutsche Bank hatte ihre Mitarbeiter zur Depfa nach Irland geschickt: Das Ergebnis: Die Hypo braucht nicht 35, sondern 50 Milliarden Euro.

Spätestens nach dieser zweiten Rettung ist Georg Funke nicht mehr zu halten. Minister Steinbrück beklagt sich öffentlich, der Banker habe ihn falsch informiert. Sein Verbleib an der Konzernspitze sei "undenkbar". Einen Tag später tritt Funke zurück.

In Deutschland ist Funke 2008 zum Gesicht der Finanzkrise geworden. Für viele steht er stellvertretend für einen Berufsstand, der im zurückliegenden Jahr dramatisch an Ansehen verloren hat: Banker. Für den 53-Jährigen selbst ist das Kapitel HRE noch lange nicht abgeschlossen. Er muss nicht nur um seine Pension von 560 000 Euro pro Jahr fürchten, die ihm ab dem 60. Lebensjahr zusteht. Wenn ihm die Staatsanwaltschaft nachweisen kann, dass er Aktionäre und Öffentlichkeit wissentlich über die Lage der Bank getäuscht hat, drohen ihm sogar bis zu fünf Jahre Haft. Stefan Kaiser

Stefan Kaiser

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