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Ein Airbus A320 der Fluggesellschaft Germanwings.

© dpa

Germanwings-Absturz: Das Cockpit ist zur Festung geworden

Der Germanwings-Absturz hat Sicherheitsfragen aufgeworfen. Es bleibt bei gepanzerten Cockpittüren. Nur eine neue Maßnahme gilt bis heute.

Die dramatischen letzten sechseinhalb Minuten des Fluges 9525 sind auf Tonband festgehalten: Um 9.34 Uhr und 31 Sekunden ertönte im Cockpit der Summer, um anzuzeigen, dass Flugkapitän Patrick S. nach dem Toilettenbesuch den Zugangscode eingegeben hatte. Doch der Öffnungsmechanismus wurde von Co-Pilot Andreas Lubitz mit dem dafür vorgesehenen Kippschalter blockiert. In den folgenden Minuten klingelt viermal das Telefon der Sprechverbindung zwischen Kabine und Pilotenkanzel, doch niemand hebt ab. Dumpfe Stimmen jenseits der Tür fordern den Co-Piloten vergeblich auf, diese zu öffnen.

Sechsmal ist ein Klopfen zu hören. Zwischen 9:39:30 und 9:40.28 sind es dann laute Schläge, als Patrick S. und vermutlich weitere Besatzungsmitglieder versuchen, die Tür gewaltsam zu öffnen. Ein chancenloses Unterfangen. 13 Sekunden später ertönt die Computerstimme des Bodenannäherungs-Warnsystems: „Terrain, Terrain, Pull-Up, Pull-Up“. Nach weiteren 25 Sekunden zerschellt der Airbus am Berghang.

Welche Maßnahmen zur Debatte stehen

Der laut den Ermittlungsergebnissen von Lubitz mutwillig herbeigeführte Absturz hat zu einer umfassenden Diskussion über den Cockpit-Zugang geführt. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001, bei dem Terroristen zwei Passagiermaschinen ins New Yorker World Trade Center und einen weiteren Jet ins Pentagon bei Washington steuerten, sind die Pilotenkanzeln zu Festungen geworden. So haben die Cockpittüren einen Kern aus kugelsicherem Verbundwerkstoff und sind durch drei elektrische Schlossfallen gesichert. Sie können von außen nur durch einen Zahlencode geöffnet werden.

Weil Terroristen Flugbegleiter zur Preisgabe des Codes zwingen könnten, gibt es Kameras, die den Piloten auf Bildschirmen zeigen, wer hinein kommen möchte. Zeigt ein Summer die Eingabe des Codes an, können sie die Öffnung bei einer möglichen Gefahr mit dem Kippschalter blockieren. Für Notfälle wie den Ausfall eines Piloten gibt es einen zweiten Code, der die Tür nach 15 Sekunden öffnet – falls keine Reaktion aus dem Cockpit erfolgt.

Die Zwei-Personen-Regel gilt noch heute

Bei diesen Regelungen war eine durch Piloten selbst ausgehende Gefahr nicht in Betracht gezogen worden. Einen mit der Germanwings-Katastrophe vergleichbaren Fall gab es im November 2013 mit einem Regionaljet in Namibia. Einige Fluggesellschaften nutzen eine zweite, nicht gepanzerte Tür zur Kabine, die von einem Flugbegleiter geschlossen wird, wenn ein Pilot die vordere Bordtoilette aufsucht. Eine mögliche Alternative könnte es sein, diesen Bereich komplett in das Cockpit einzubeziehen und die Sicherheitstür davor einzubauen. Dann würde den Passagieren aber eine Toilette weniger zur Verfügung stehen.

Die Möglichkeit, Besatzungsmitgliedern per Fingerabdruck einen Notzugang zum Cockpit zu ermöglichen, wurde ebenso erwogen wie die Mitnahme eines Schlüssels durch den austretenden Piloten. Beides hat man aus Sicherheitsgründen wieder verworfen. Die einzige Konsequenz ist bisher die Zwei-Personen-Regel: Ein Flugbegleiter muss in die Kanzel, wenn einer der Piloten hinaus geht. Sie wurde sehr schnell nach dem Absturz eingeführt und gilt bei Lufthansa und anderen Airlines nach wie vor. Davon verspricht man sich allerdings vielmehr einen psychologischen Effekt. Ein selbstmörderisch herbeigeführter Absturz kann im Zweifelsfall auch durch eine zweite Person nicht verhindert werden.

Pilotenverbände lehnen Fernsteuerung ab

Weltweit drei entsprechende Abstürze von Verkehrsflugzeugen sind zwischen 1982 und 1999 belegt; ein vierter, nie restlos aufgeklärter Fall, gilt als wahrscheinlich. Auch die bereits im Zusammengang mit Entführungen aufgekommene Überlegung, Flugzeuge im Notfall vom Boden aus zu steuern, hat nach der Germanwings-Katastrophe neuen Auftrieb bekommen. Technisch ist das kein Problem. Schon 2013 flog in Großbritannien ein Jetstream-Kleinverkehrsflugzeug ferngesteuert von Warton bis ins 800 Kilometer entfernte Inverness. Pilotenverbände lehnen diese Möglichkeit aber vehement ab. Nicht zuletzt deshalb, weil sich dann auch Terroristen in die Bordsysteme hacken könnten.

Bereits vor Jahren hatte die EU im SOFIA-Projekt untersucht, wie man vom Boden aus den in den Bordcomputern eingespeicherten Flugplan ändern kann. Doch das kostet Zeit, die man im Ernstfall nicht hat. Bei Germanwings 9525 vergingen von der Änderung der Flughöheneingabe durch den Co-Piloten bis zum Aufprall nur zehn Minuten und 13 Sekunden. So müsste zunächst ein anderes System greifen, bei dem der Bordcomputer selbstständig Anomalien im Flugverlauf erkennt und die jeweilige Maschine bis zur Klärung in eine Warteschleife in sicherer Höhe steuert. All das ist aber noch Zukunftsmusik.

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