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Gerüchte um Irland: Ist die Euro-Krise zurück?

Die Finanzminister der Euro-Länder haben am Dienstag reichlich Themen: Griechenlands Neuverschuldung ist noch höher, Irland könnte schon bald Hilfen aus dem Rettungsfonds beantragen.

Auf den zweiten Blick ist die Nachricht gar nicht so schlecht, die die europäische Statistikbehörde Eurostat am Montag verschickt hat. Die Luxemburger Zahlenmeister stellten bei der Rechnungsprüfung in Athen fest, dass das Haushaltsloch dort 2009 noch höher ausgefallen ist als bereits bekannt – der Wert musste von 13,6 auf 15,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nach oben korrigiert werden. Damit erwirtschaftete Griechenland einen höheren Fehlbetrag als der bisherige Spitzenreiter Irland mit 14,4 Prozent. So weit der schlechte Teil der Botschaft. Bedeutender wohl ist aber die Tatsache, dass nun erstmals seit sechs Jahren verlässliche Zahlen zu Griechenland vorliegen: Eurostat entfernte am Montag offiziell die misstrauische Fußnote, die den Athener Angaben stets beigefügt war.

Allerdings setzt sich Griechenland nun auch bei der Staatsverschuldung an die Spitze der Euro- Länder. Ende 2009 betrug die Schuldenlast 126,8 Prozent des BIP. Italien folgt mit 116 Prozent. Deutschlands Schuldenquote betrug 73,4 Prozent. Der EU-Stabilitätspakt schreibt eine Obergrenze von 60 Prozent des BIP vor.

Das hat erhebliche Folgen. Die Vorgaben des Sparprogramms, zu dem sich Athen gegenüber der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) im Gegenzug zu den bereitgestellten Hilfskrediten von 110 Milliarden Euro verpflichtet hat, geraten in Gefahr. So wird Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sein Ziel, die Defizitquote in diesem Jahr auf 7,8 Prozent zu begrenzen, sicher verfehlen. Man erwarte jetzt einen Fehlbetrag in Höhe von 9,4 Prozent des BIP, teilte das Finanzministerium am Montag mit. Die Staatsverschuldung dürfte auf 144 statt bisher veranschlagter 133 Prozent des BIP klettern. Papakonstantinou will aber trotz der neuen Zahlen an dem Ziel festhalten, das Haushaltsdefizit 2014 unter die im EU-Stabilitätspakt festgelegte Grenze von drei Prozent des BIP zu drücken.

Dafür braucht es aber zusätzliche Sparmaßnahmen, worüber die Regierung seit Montag mit Vertretern der EU, des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) verhandelt. Zur Diskussion stehen weitere Streichungen bei den Staatsausgaben, erneute Steuererhöhungen sowie die Sanierung und Privatisierung von Staatsbetrieben. Die Verhandlungen mit der „Troika“, wie die Vertreter von EU, IWF und EZB in Athen genannt werden, stehen unter großem Zeitdruck: Am Donnerstag muss Papakonstantinou seinen Haushaltsentwurf 2011 dem Parlament vorlegen.

Ministerpräsident Giorgos Papandreou hält sich politisch für stark genug, seinen Landsleuten weitere Opfer abzuverlangen. In der zweiten Runde der Kommunalwahlen konnten die regierenden Sozialisten am Sonntag wichtige Erfolge erzielen. So stellen sie erstmals wieder seit 24 Jahren die Bürgermeister in Athen und Thessaloniki. Papandreou wertete den Wahlausgang als Bestätigung seines Sparkurses. Wirklich aufatmen kann er aber nicht. Eine am Montag veröffentlichte Umfrage zeigt einen dramatischen Vertrauensverlust für die Regierung: Zwei von drei Befragten glauben nicht, dass Papandreou die Finanzprobleme lösen kann. Fast sechs von zehn befragten Griechen halten einen Staatsbankrott ihres Landes für wahrscheinlich, knapp die Hälfte meint, Griechenland solle mit seinen Gläubigern über einen Schuldenerlass verhandeln.

Sicher ist, die Euro-Krise, zumindest die Angst vor ihr, ist zurück. Das zeigt auch das Beispiel Irland. Das Gerücht, die Insel stehe kurz vor der Zahlungsunfähigkeit und müsse bald den Euro-Rettungsschirm in Anspruch nehmen, verstummt nicht – obwohl das alle maßgeblichen Politiker in Dublin, Brüssel und den anderen europäischen Hauptstädten mit dem Argument von sich weisen, die Finanzierung der entsprechenden Verpflichtungen sei bis Mitte 2011 gesichert.

Fakt ist: Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestrebte Haftung privater Gläubiger verschreckte die Kapitalgeber; seither verlangen sie täglich steigende Risikozuschläge auf die Zinsen, die Irland, Portugal oder Spanien bezahlen müssten, wenn sie Kredite in Form von Staatsanleihen aufnehmen würden. Dublins Finanzminister Brian Lenihan machte daher vergangene Woche auch keinen Hehl daraus, dass er Berlin eine Mitschuld gibt. Seine Regierung musste im Zuge der Finanzkrise Abermilliarden in die Rettung der bankrotten Anglo Irish Bank stecken und sitzt auf einem horrenden 32-Prozent-Defizit. Und es ist auch richtig, dass neben den Iren auch viele europäische Politiker die Situation wahlweise als „sehr schwierig“, „besorgniserregend“ oder „ernst“ ansehen.

Aber selbst hinter vorgehaltener Hand ist in Brüssel nichts anderes als Dementis zu hören. „Es gibt keine Anfrage aus Dublin“, heißt es aus dem Umfeld von Euro- Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker. Am heutigen Dienstag würden die Probleme in Irland beim Treffen der 16 Euro-Finanzminister in Brüssel natürlich zur Sprache kommen. Aber: „Es gibt weder Gespräche über einen Einsatz des Rettungsschirms noch machen die Argumente dafür irgendeinen Sinn“, sagt ein deutscher EU-Diplomat. Dass diese Beteuerungen untergehen, mag damit zu tun haben, dass im Falle Griechenlands während des Frühjahrs ähnliche Dementis zu hören waren – ehe es schließlich doch so kam wie vermutet.

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