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Auf dem Basar in Teheran kauft vor allem die Unter- und Mittelschicht.

© AFP

Geschäfte im und mit dem Iran: Das Land hofft auf eine Öffnung gen Westen

Der Iran hofft nach dem Ende des Atomstreits auf eine Aufhebung der Sanktionen. Firmen und Investoren wittern ein dickes Geschäft.

Zum Treffen in einem Teheraner Büroturm erscheint Hassan Rezapour mit energischen Schritten und mit einer Botschaft. Jetzt, da ist der Unternehmer sich sicher, ist die Zeit gekommen für große Geschäfte im Iran. Und Irans Unternehmer wollten, ja brauchten den Kontakt zum Ausland, sagt er. Bevor der Geschäftsmann weiterspricht, lässt er sich schnell versichern, dass sein richtiger Name in der Zeitung nicht auftauchen wird. Denn Kritik am Regime ist in seinem Land unerwünscht.

Wenn es um Politik geht, duckt der Unternehmer sich weg

Der Iraner Hassan Rezapour ist ein Vollblutunternehmer alter Schule. Seit 43 Jahren führt er seine eigene Firma im Petrochemiesektor. Das Geschäft dreht sich um die Herstellung von Dichtungen für Öl-Pipelines. Rezapour glaubt eher an Umsatz und Gewinn als an die Heilsversprechen seiner theokratischen Staatsführung. In einem anderen Land wäre der Öl-Industrielle Rezapour wohl reich an Geld und Einfluss. Hier, im Iran, kann der 70-Jährige gut leben, doch wenn es um Politik geht, duckt er sich besser weg.

Der Staat hat Irans Geschäftsleute an den Rand gedrängt

Wie ihm geht es im Iran vielen Privatunternehmern. Der Staatsapparat hat sie an den Rand gedrängt. Doch jetzt, rund 36 Jahre nach der Machtübernahme der Kleriker, wittert Rezapour in seiner Heimat endlich wieder die Chance auf das große Geschäft – und die politische Öffnung. Mit der Beilegung des Atomstreits zwischen dem Westen und dem Iran könnten die Sanktionen gegen das Land bald beendet werden. Der Druck ist groß: Mehr als acht Jahre nach der Verhängung scharfer Wirtschaftssanktionen steht die Islamische Republik am Rande des Kollaps.

Die Staatseinnahmen sind um bis zu 60 Prozent gesunken

Allein seit die Europäische Union Anfang 2012 ein Öl-Embargo verhängte, sanken die Staatseinnahmen um bis zu 60 Prozent. Das Wirtschaftswachstum erreichte zeitweise einen Negativrekord von minus 5,8 Prozent (2013), die Inflation Höchstwerte von offiziell bis zu 35 Prozent, tatsächlich etwa 45 Prozent (2013). Entscheidend aber für den Beinahe-Zusammenbruch der iranischen Wirtschaft war die Entscheidung Europas, das Land vom internationalen Bankensystem Swift auszuschließen und damit den Zahlungsverkehr zwischen iranischen und ausländischen Banken weitgehend unmöglich zu machen.

Ein Großteil der iranischen Unternehmen wird vom Staat kontrolliert

Die schweren strukturellen Probleme der iranischen Wirtschaft aber sind hausgemacht: Rund 80 Prozent der Unternehmen, schätzen Experten, werden direkt oder in Form undurchsichtiger Firmenkonglomerate vom Staat kontrolliert. Politiker und Militärs verdienen dadurch Millionen am Geschäft mit Irans reichen Öl- und Gasvorkommen, doch ihre Konzerne arbeiten ineffizient und blockieren freie Unternehmer. Der Wirtschaft Irans fehlt es an Freiräumen und damit am Nötigsten: an Wachstum, an Innovation, an Arbeitsplätzen.

Rezapours Firma hat einmal 200 Mitarbeiter beschäftigt

Auch bei Fabrikbesitzer Rezapour lässt sich die Situation an Zahlen ablesen. Vor zehn Jahren beschäftigte seine Firma 200 Mitarbeiter, heute sind es noch 26. Die Auslastung der Produktionsstätten liegt bei gerade einmal 20 Prozent. Dennoch, erklärt er nicht ohne Stolz, habe er im vergangenen Jahr einen Gewinn von rund 2,8 Milliarden Iranischen Rial erwirtschaftet. Umgerechnet ergibt der vermeintlich hohe Betrag je nach Wechselkurs nicht mehr als 80 000 bis 90 000 Euro. Dabei sind Rezapours Produkte im Öl-Land Iran eigentlich sehr gefragt. „Die großen Aufträge aber bekommt eben, wer die höchsten Schmiergelder zahlt und Kontakte hat“, klagt der Firmengründer. „Ohne Beziehungen ins Parlament hast du keine Chance.“

Auch im Establishment gibt es Andersdenkende

Rezapour trägt Anzug und ist penibel rasiert. Das politische Establishment trägt wahlweise den Turban der Kleriker oder die biederen Jacken der Populisten. Doch auch im Establishment gibt es Andersdenkende, auch hier werden Richtungsdebatten geführt. Die Machthaber der Islamischen Republik wissen nur zu gut, dass die Mehrheit der Bevölkerung sie längst nicht mehr unterstützt. Um das System zu erhalten, müssen sie es verändern. So setzte sich bei der Präsidentschaftswahl 2013 mit Hassan Rouhani ein Zentralist durch, der mit Reformen das System erhalten will. Rouhani trägt Turban und spricht doch die Sprache der Anzugträger.

Präsident Rouhani hat Wirtschaftswachstum zur Priorität erklärt

Rouhani hat Wirtschaftswachstum zu seiner obersten Priorität erklärt. Die neokonservativen Populisten billigen ihn zähneknirschend, doch ob der Versuch, das System von innen heraus auch wirtschaftlich tragfähig zu halten, langfristig erfolgreich sein kann, hängt wesentlich davon ab, ob nach dem 30. Juni die Sanktionen fallen.

Das Parlament unterstützt Rouhani offiziell - noch

Noch unterstützt das Parlament Rouhani offiziell zwar, doch schon jetzt werden aus den Rängen kritische Stimmen laut. Viele von ihnen haben vom Klüngel der vergangenen Jahre finanziell profitiert und lassen sich ungern in die Karten schauen. Ein Besuch im Parlament in Teheran gelingt folglich nur mit den richtigen Kontakten und einer Menge Geduld. Wer als ausländischer Besucher einige Monate auf einen Termin wartet und schließlich bereit ist, Handy, Kamera, Block und Stift an der Sicherheitsschleuse am Eingang zu einem der Parlamentsgebäude abzugeben, der kann in seinen Hallen eine eigene Weltsicht kennenlernen. In einem Besprechungssaal hängen meterhohe Landkarten: Auf einer Weltkarte liegt Iran in der Mitte, auf der Karte „Palästinas“ fehlt Israel. Ein Abgeordneter, der seinen Namen nicht nennen will, erklärt, dem Iran gehe es auch mit Sanktionen gut, die Exportbeschränkungen hätten die Wirtschaft im Innern widerstandsfähiger gemacht. Die Verhandlungen der vergangenen Wochen müsse man dennoch gutheißen: „Schließlich sind wir eine Nation der Vernunft“, sagt er. Das sind abstrakte Worte, doch zwischen den Zeilen ist zu lesen: Wir sind skeptisch, aber aktuell stehen wir unter Druck, die Reformpolitik mitzutragen.

Seit Rouhanis Wahl herrscht Aufbruchstimmung im Iran

So scheint Rouhanis Strategie vorerst zu verfangen. Seit seiner Wahl herrscht Aufbruchsstimmung im Iran, nach Schätzungen der Weltbank verzeichnete das Land 2014 nach vier Jahren erstmals wieder ein positives Wirtschaftswachstum von rund drei Prozent. Allein zwischen März 2014 und Januar 2015 legten die Exporte jenseits des Ölgeschäfts um rund ein Viertel zu – unter anderem durch die Ausfuhren der Textilbranche. Die Zahlen kommen von der Regierung und müssen mit Vorsicht genossen werden, doch ein leichter Aufschwung ist mindestens in den Städten des Landes zu spüren.

Auf dem Basar im Süden von Teheran kauft die Unter- und Mittelschicht

Am Donnerstagnachmittag drängen sich tausende Menschen auf dem großen Basar im Süden von Teheran. Hier kaufen die Familien der Unter- und Mittelschicht für das Wochenende ein, Frauen drängen sich bei den Stoffhändlern, und junge Männer begutachten Sneakers mit gut gefälschten Logos der großen Sportmarken in den Schaufenstern der Schuhgeschäfte. Wer Hunger hat, der setzt sich in eines der typisch iranischen Fastfood-Restaurants in den Seitenstraßen. Burger- und Pizzaläden gibt es an jeder Ecke, nach McDonald’s und Co aber braucht man gar nicht erst zu suchen. Nur Coca-Cola hat es gegen alle politischen Widerstände auch in der Islamischen Republik geschafft, seine Dosen in jedem noch so kleinen Kiosk zu platzieren. In den beliebten Shopping-Malls im wohlhabenden Norden der Stadt am Fuße des Elbrus-Gebirges findet man seit einigen Jahren auch einen fast authentischen Apple-Store. Computer, Autos und Mode der im Westen beliebten Hersteller können sich auch angesichts der hohen Zölle allerdings nur wenige Reiche leisten.

Die Menschen sind optimistisch, aber auch skeptisch

Wenige Wochen vor Ablauf der Frist für die Verhandlungen des Iran mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates und Deutschlands, der sogenannten „5 + 1-Gruppe“, schwingt im Stimmengewirr des Basars vorsichtiger Optimismus aber auch Skepsis mit. „Alle Augen sind auf die Verhandlungen gerichtet, die Medien sind voll davon“, sagt ein Teppichhändler. Eine Passantin, die als Professorin an einer großen Universität lehrt, sieht die Gespräche der Diplomaten kritischer: „Alles wird bleiben wie bisher“, sagt sie. „Die USA machen Politik zu unserem Nachteil, sie haben ein schlechtes Bild vom Iran und vom Islam.“ In einem aber sind sich Händler, Hoteliers und Geschäftsleute einig: Weil sie erwarten, dass ihr Land sich für Geld und Touristen aus dem Ausland öffnen wird, investieren sie alle wieder mehr Geld. Gleichzeitig zieht auch der Handel mit dem Ausland wieder leicht an.

Das jüngste Wachstum ist vor allem das Resultat eines veränderten Geschäftsklimas

Dabei sind die Sanktionen noch in Kraft. Denn Handelsbeschränkungen gelten zwar für militärisch einsetzbare Güter, der Im- und Export ziviler Waren ist grundsätzlich aber erlaubt. Für mehr Handel aber fehlte es bislang an Vertrauen. So ist das jüngste Wachstum vor allem ein Resultat eines veränderten Geschäftsklimas: „Allein der psychologische Effekt, die Tatsache, dass auf politischer Ebene wieder Gespräche stattfinden, hat die Wirtschaft anziehen lassen“, erklärt Daniel Bernbeck, Geschäftsführer der Deutschen Auslandshandelskammer in Teheran.

Alle wollen jetzt im Iran Geschäfte machen

Wie schnell das Vertrauen verloren ging, erlebte Bernbeck, als er er 2006 seinen Posten antrat. Der damalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad sprach im Fernsehen von der Atombombe und leugnete den Holocaust, die Vereinten Nationen antworteten mit Sanktionen. Bernbecks Job bestand vor allem darin, deutschen Unternehmen dabei zu helfen, ihre Geschäfte im Land möglichst zügig abzuwickeln. Heute, unter Rouhani, ist der 51-Jährige wieder ein gefragter Berater, täglich kommen Anrufe aus den Zentralen großer deutscher Unternehmen. Offiziell sagt es noch niemand, doch hinter den geschlossenen Türen der Konferenzräume werden bereits konkrete Pläne diskutiert. Alle wollen jetzt im Iran Geschäfte machen.

Der Iran gehört zu den 18 größten Märkten der Welt

Die Aussichten sind verlockend. Der Iran gehört mit 80 Millionen Einwohnern und reichen Rohstoffvorkommen zu den 18 größten Märkten der Welt. Noch 2005 zählte die Investmentbank Goldman Sachs den Iran zu den „Next 11“, den elf vielversprechendsten Volkswirtschaften des 21. Jahrhunderts. Das Land hat eine solide Infrastruktur und eine überdurchschnittlich gut ausgebildete Bevölkerung. „Iran ist heute weltweit vielleicht das einzige Land dieser Größenordnung, das wirtschaftlich so unerschlossen ist“, sagt Bernbeck.

Für Unternehmer bleiben unkalkulierbare Risiken

Irans Unternehmer wissen um das Potenzial. Doch wissen sie auch um die Fallstricke. In einem Staat, in dem weder Markt noch Bürger frei sind, bleiben auch für Unternehmer unkalkulierbare Risiken. Die Berliner Nichtregierungsorganisation Transparency International führt Iran unter den 40 korruptesten Staaten der Welt. Der Filz macht für Investoren Geschäfte weniger planbar. Wer einen Vertrag abschließt, der kann nicht sicher sein, dass die Konditionen ohne weitere Zahlungen eingehalten werden. Im weltweiten Vergleich der Weltbank zum Klima für Unternehmer liegt Iran auf Platz 130 von 189– zwischen Pakistan und Tansania.

Anna Leli

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