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Näschen fürs Geschäft. Der 54-jährige Bauingenieur füllt unter anderem schwere Parfüms in Flakons mit Berlin-Motiven – und verkauft sie im arabischen Raum.

© Arne Bensiek

Geschäfte mit dem Irak: Exporteur Nasyr Birkholz: „Kein Arrangement mit Terroristen“

Der Berliner Exporteur Nasyr Birkholz hat im vergangenen Jahr 120 Seecontainer voller deutscher Konsumgüter in den Irak exportiert. Mit dem Tagesspiegel sprach er über komplizierte Geschäfte und seine geplante Parfümfabrik in Dreilinden.

Der Tagesspiegel berichtete zuletzt über Birkholz’ eigenes Parfümlabel „BB by Berlin“, den Erfolg seiner Produkte im Irak und sein Bemühen, deutsche Firmen für den irakischen Markt zu begeistern. Der 54-Jährige Bauingenieur, der im Zweistromland geboren wurde und seit dem Studium in Deutschland lebt, schilderte die Situation im Nordirak damals als sehr friedlich und unbedenklich.

Spätestens seit der Eroberung der Stadt Mosul durch Anhänger der Terrororganisation IS befindet sich der Nordirak allerdings im Ausnahmezustand. Schiiten, Christen und andere Minderheiten sind auf der Flucht. Internationale Unternehmen ziehen sich zurück. Nasyr Birkholz war noch im Juni im Nordirak, um mit Geschäftspartnern zu verhandeln. Unter anderem besitzt sein Unternehmen dort das Handelsmonopol auf Produkte des Chemiekonzerns Henkel.

Herr Birkholz, seit dem Sturz von Saddam Hussein exportieren Sie im großen Stil deutsche Waren in den Irak – vom selbst produzierten Parfüm über Schwarzkopf-Shampoo bis hin zu Baumaschinen. Ist das derzeit noch möglich?

Ja, zum Glück ist das bis jetzt möglich. Ich nutze seit vielen Jahren die kurdische Grenze im Norden zum Import in den Irak. Diese Entscheidung stellt sich jetzt als sehr gut heraus. Denn ich glaube auch, dass dieser Grenzübergang weiter ungefährdet bleibt, weil er für die Türkei von immenser wirtschaftlicher Bedeutung ist.

Der Nordirak galt in den vergangenen Jahren als relativ sicher, jetzt werfen die USA dort Bomben auf Terroristen. Konnten Sie diese Entwicklung in den zurückliegenden Monaten absehen?

Die politische Lage ist seit Anfang des Jahres sehr kritisch. Ich war zuletzt im Juni im Irak und konnte mir selbst ein Bild machen. Dennoch hat niemand ernsthaft damit gerechnet, dass die IS-Terroristen so weit in den Norden vordringen könnten. Ohne Unterstützung aus dem Irak hätte IS das allerdings niemals geschafft. Nicht wenige Araber im Irak sympathisieren mit den Terroristen oder unterstützen sie sogar. Nicht aus Liebe, sondern weil IS gegen die Schiiten kämpft, die viele Sunniten hinter vorgehaltener Hand als Marionetten des Iran betrachten.

Was würde es für Ihre Geschäfte bedeuten, wenn IS die Kontrolle über den Nordirak übernähme?

Das würde einer Katastrophe gleichkommen. Wir haben bereits 35 Prozent unseres Umsatzes eingebüßt. Wenn IS im Nordirak Fuß fassen sollte, würden wir wahrscheinlich mehr als die Hälfte unseres Geschäfts verlieren. Ein Arrangement mit den Terroristen kommt für mich aber niemals in Frage, egal unter welchen Umständen. Diese Extremisten muss man mit allen Mitteln bekämpfen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass IS sich nicht durchsetzen wird. Dem stehen einfach zu viele westliche, vor allem amerikanische, Interessen gegenüber. Auch die Türkei wird nicht einfach zusehen, wie sich Terroristen an ihrer Grenze ausbreiten.

Wie beschreiben Ihre Geschäftspartner die Situation vor Ort?

Eine Gruppe von Geschäftspartnern wollte eigentlich gerade nach Deutschland kommen, kann den Irak aber nicht verlassen. Die meisten Fluggesellschaften haben ihre Flüge in den Irak bis auf Weiteres gestrichen. Unser Partner im nördlichen Mosul hat praktisch seine gesamte wirtschaftliche Existenz verloren. Er und seine Familie konnten sich zum Glück retten und ins nördlichere Dohuk fliehen. Dort, im kurdischen Norden des Irak, laufen die Geschäfte noch, aber auf ganz kleiner Flamme. Alle meine Geschäftspartner sind sehr vorsichtig geworden und bestellen nun wesentlich weniger. Das Gleiche gilt für Bagdad, nur ganz im Süden des Landes merkt man kaum etwas von dieser Verunsicherung.

Nach den Hussein-Jahren und dem Wirtschaftsembargo wuchs die Wirtschaft des Irak zuletzt um zweistellige Prozentzahlen. Halten Sie eine schnelle Rückkehr zum Wiederaufbau für realistisch?

Nein, das glaube ich leider nicht. Die wirtschaftliche Entwicklung hat erheblich unter der negativen politischen Entwicklung der letzten Monate gelitten. Vielleicht wird es Jahre dauern, bis die notwendigen Investoren und Unternehmen wieder Vertrauen in den Irak fassen.

Sie haben schon deutsche Minister in den Irak begleitet. Sind Sie mit Deutschlands zurückhaltender Rolle zufrieden?

Deutschland sollte sich mit militärischem Material engagieren und sich an der humanitären Hilfe für die Flüchtlinge beteiligen. Das wird Deutschlands Ansehen fördern. Im Irak verlangt keiner nach deutschen Soldaten.

Sie bauen in Kleinmachnow eine Parfümfabrik, deren Produkte auch für den Irak bestimmt sind. Bis zu 40 neue Arbeitsplätze wollen Sie schaffen. Inwiefern sind Ihre Pläne von der politischen Entwicklung im Irak abhängig?

Zum Glück spielt der Irak dabei keine entscheidende Rolle. Wir bauen dort, um hauptsächlich in Deutschland und andere Länder der Welt zu verkaufen. Damit wir die Nachfrage nach unserem Parfüm bedienen können, brauchen wir diesen neuen Standort.

Das Interview führte Arne Bensiek

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