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Wirtschaft: Geschenkt ist noch zu teuer

Obwohl die Kunden weniger ausgeben, wollen die Händler auf Rabattschlachten verzichten – doch Experten glauben ihnen nicht

Der Bundeskanzler geht mit gutem Beispiel voran: Er will zu Weihnachten großzügig sein und Frau und Kinder ordentlich beschenken. Das hat er in einem Interview gesagt und dabei auch an alle Bürger appelliert, es ihm gleich zu tun. Die Menschen sollten zu Weihnachten ihre Kaufzurückhaltung aufgeben, es müsse „eine vernünftige Balance“ zwischen der Bereitschaft Konsumausgaben zu tätigen und dem Willen zum Sparen geben“, so Gerhard Schröder. Die Weihnachtsbotschaft der Kanzlers scheint aber bei den Menschen nicht angekommen zu sein. Denn die meisten Bundesbürger wollen diesmal noch weniger für Geschenke ausgeben als im vergangenen Jahr: Jeder vierte Deutsche will beim Weihnachtseinkauf mit weniger als 100 Euro auskommen, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid ergeben hat (siehe Grafik).

Allzu freigiebig mag auch der Einzelhandel in diesem Jahr nicht sein: Rabattschlachten wird es nicht geben, kündigte der Branchenverband HDE an. Handelsexperten und Konsumforscher bezweifeln allerdings, dass die Händler das durchhalten werden. „Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“, kommentiert Wolfgang Twardawa, Marketingleiter der Gesellschaft für Konsumforschung, die Ansage des HDE. Schließlich reiche es schon aus, wenn nur ein Händler die Preise senkt, weil alle anderen dann nachziehen würden. „Das Problem der deutschen Einzelhändler ist, dass sie sich zu sehr an der Konkurrenz orientieren“, sagt Twardawa. Deshalb geht er auch davon aus, dass es in diesem Jahr wieder eine Preisschlacht geben wird – allerdings nicht so exzessiv wie im vergangenen Jahr. Da hatten die Händler mit Preisabschlägen von bis zu 70 Prozent versucht, die Kunden zu locken. Am Ende machten sie trotzdem weniger Umsatz und schlossen das Jahr insgesamt mit einem Minus von 0,8 Prozent ab.

„An der Misere ist die Branche selber Schuld“, sagt Handelsexperte Volkhardt Klöppner von der Unternehmensberatung BBDO Consult. Der Einzelhandel habe die Kunden zu Schnäppchenjägern erzogen. „Deshalb sind die Preise mittlerweile das einzige Instrument, auf das die Verbraucher noch reagieren“, so Klöppner. Auch sein Kollege Fred Otto vom Marktforschungsinstitut AC Nielsen glaubt, dass es in einigen Sortimentsbereichen nicht mehr ganz ohne Niedrigpreise geht. „In der Unterhaltungselektronik werden alle Gas geben“, sagt Otto.

Daran lassen die Marktführer Saturn und Media Markt keine Zweifel. „Wir haben ohnehin Dauertiefpreise“, sagt ein Media-Markt-Sprecher. Aber zu Weihnachten würden in den Bereichen MP-3Player, Laptops sowie LCD- und Plasmabildschirme einige Produkte zu „noch sensationelleren Preisen“ angeboten werden. So auskunftsfreudig wie der Media Markt sind die meisten Unternehmen nicht, wenn sie gefragt werden, ob es dieses Jahr tatsächlich keine Rabattschlachten geben wird. Bei Kaufhof heißt es nur, Rabattschlachten seien betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll und gehörten hoffentlich der Vergangenheit an. Die Frage nach Sonderaktionen oder wie man bei Kaufhof auf mögliche Preissenkungen der Konkurrenz reagieren will, wird jedoch nicht beantwortet. Auch Peek&Cloppenburg sagt nichts zum Weihnachtsgeschäft. C&A ist da offener. „Wir haben keine Rabattstrategien, weil wir immer versuchen, den bestmöglichen Preis zu bieten“, sagt ein Konzernsprecher. Auf Schnäppchenangebote zu Weihnachten verzichtet C&A trotzdem nicht. Ab Montag werden die Filialen unter dem Motto „Geschenke, die ein Lächeln zaubern“ hochwertige Kleidung aus Kashmir und Seide zu „attraktiven“ Preisen anbieten.

Ein Lächeln, wenn auch nur ein müdes, haben Branchenkenner für die zurückhaltenden Reaktionen der Einzelhändler übrig. „Die meisten warten offenbar ab, wie sich der Umsatz in den ersten zwei Wochen entwickeln wird“, sagt Gfk-Experte Twardawa. Und wenn der nicht stimme, dann gehe es mit den Rabatten los.

Der Branchenverband HDE jedenfalls rechnet damit, dass der Einzelhandel zu Weihnachten eine Milliarde Euro mehr umsetzen wird als 2003. Allein schon, weil der November und Dezember in diesem Jahr je einen Einkaufstag mehr haben. Peter Weinberg, Leiter des Instituts für Marketing und Konsumentenforschung an der Uni Saarbrücken, glaubt nicht, dass diese zwei Einkaufstage den Umsatz deutlich nach oben treiben werden. „Gerade an Weihnachten kaufen die Menschen gezielt ein, sie haben sich vorher genau überlegt, was sie wollen und wie viel sie bereit sind auszugeben“,, sagt Weinberg. Zudem würden die Leute ihr Geld zusammenhalten, die Sparquote in Deutschland sei so hoch wie nie. „Spontankäufe wird es daher kaum geben“, sagt Weinberg. Spontane Rabattaktionen hingegen wahrscheinlich schon.

Dagmar Rosenfeld

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