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Gebremst. Die hohe Inflation und die massiv gestiegenen Immobilienpreise belasten die chinesische Wirtschaft. Foto: picture alliance / dpa

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Wirtschaft: Geschwächter Drache

Das Wirtschaftswachstum der Volksrepublik kühlt sich ab. Das Land kämpft auch mit den Folgen der eigenen Konjunkturprogramme.

Es ist erst ein paar Monate her, dass der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, in China auf Werbetour ging: Die Volksrepublik mit ihren enormen Devisenreserven von 3,2 Billionen Dollar sollte sich an den Hilfen für wackelnde Euro-Staaten beteiligen. Die Chinesen bekannten sich zwar zu Europa, hielten sich beim Anleihenkauf aber zurück. Am vergangenen Freitag kündigte die chinesische Regierung an, 300 Milliarden Dollar in den USA und Europa investieren zu wollen – aller Voraussicht nach soll das Geld aber nicht in Anleihen, sondern in die Realwirtschaft fließen.

Es kriselt in Europa, Amerika kämpft mit seiner Schuldenlast, die OECD warnt vor einer weltweiten Rezession. Und wieder – wie in der Finanzkrise 2008 – hofft die westliche Welt auf die Chinesen. Doch mit zu viel Unterstützung aus dem Reich der Mitte sollte Europa nicht rechnen. Denn auch China kämpft mit eigenen Problemen.

Erstmals seit drei Jahren zeigt das Wachstum der chinesischen Wirtschaft erste Zeichen einer Verlangsamung: Im November schrumpfte die Industrieproduktion. Auch die Exporte, die 40 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsproduktes ausmachen, gingen zurück. Zum Teil ist das politisch gewollt. Die Regierung versucht, das Wachstum zu bremsen und die allzu kreditfreudigen Banken an die Leine zu nehmen. Denn durch die Konjunkturprogramme ist die Geldmenge aufgebläht, die Inflation schwankt zwischen vier und sechs Prozent und es gibt eine Immobilien-Blase, die jederzeit platzen könnte.

Die Konjunkturprogramme waren nach der Lehman-Pleite 2008 Chinas Antwort auf die weltweite Finanzkrise: 450 Milliarden Euro pumpte die Regierung in ihre Wirtschaft, neue Flughäfen, Straßen und Wolkenkratzer wurden in Chinas Millionenstädten gebaut, die Fabriken von Shenzhen bis Peking produzierten auf Hochtouren. So steckte China die Krise überraschend schnell weg, schneller als viele westliche Industrienationen. Trotz Exporteinbrüchen lag das Wachstum 2009 schon wieder bei neun Prozent. Und die Nachfrage aus der Volksrepublik brachte auch die Weltwirtschaft wieder auf Touren.

Doch als Folge der Konjunkturprogramme sind heute die lokalen Regierungen – anders als die Zentralregierung – hoch verschuldet. Sie liehen sich in der Krise über Umwege bei Banken Milliarden, um die Infrastruktur aufzubauen. Dass sie all diese Schulden zurückzahlen können, bezweifelt selbst die Regierung. Die Banken könnten auf faulen Krediten in Milliardenhöhe sitzen bleiben.

Um gegenzusteuern, schränkte China die Kreditvergabe ein und schuf sich damit ein neues Problem: die Schattenbanken. Die sammeln Geld bei Privatleuten ein und reichen es an Unternehmen weiter – meist an kleine Firmen, die auf offiziellem Weg keine Kredite mehr bekommen. Einer Studie des japanischen Bankhauses Nomura zufolge liegt der Wert der Schattenbank-Kredite bereits bei mehr als 1000 Milliarden Euro, das sind knapp 20 Prozent der gesamten Kreditsumme der Volksrepublik. Auch der China-Analyst der Commerzbank, Ashley Davies, sieht die Lage kritisch: „Das Wachstum der Schattenbanken zeigt deutlich die Mängel des offiziellen Bankensystems“, sagt er. Wenn China sein auf staatliche Banken gestütztes Finanzsystem nicht tiefgreifend reformiere, könne das langfristig zu großen Problemen im Land führen.

Die Maßnahmen der Regierung zeigten in den vergangenen Monaten Wirkung: Die Immobilienpreise gingen leicht zurück, etliche Baufirmen stoppten ihre Projekte, die Inflation nahm ab. „Doch wir sorgen uns, dass sich das Wachstum stärker verlangsamt als gewollt“, sagt Analyst Davies. Der sorgenvolle Blick gilt auch Europa. „Wenn die europäischen Banken ihre Kreditvergabe einschränken, wird sich das auch auf Chinas Exporte auswirken“, sagt er. Liefert China weniger Waren nach Europa, hat es selbst weniger Geld, um dort Autos und Maschinen zu kaufen. Hinzu kommt, dass die Bevölkerung zwar fleißig deutsche Autos kauft, aber zunehmend auch heimische Hersteller favorisiert.

Für deutsche Firmen aus der Auto- oder Chemieindustrie, die in China produzieren, verschärft sich derzeit die Lage durch steigende Löhne im Land. „Fachkräfte verdienen heute in manchen Bereichen bis zu 50 Prozent mehr als noch vor drei Jahren“, sagt Jochen Gleisberg, Partner der Strategieberatung Roland Berger. Sollte eine globale Rezession kommen und auch China erfassen, ist im Land wenig Spielraum für große Konjunkturpakete. Für 2012 rechnet die Commerzbank mit einem China-Wachstum von 7,5 Prozent – niedrig in Anbetracht jahrelanger fast zweistelliger Wachstumsraten. „China wird die allgemeine Abkühlung der Wirtschaft diesmal deutlicher spüren, denn heute ist es noch stärker mit der Weltwirtschaft verbunden als 2009“, sagt Gleisberg.

Dass das Wachstum nachhaltiger werden muss und der Wohlstand gleichmäßiger verteilt, hat auch die chinesische Regierung erkannt. Denn die Schere zwischen armer Landbevölkerung und reichen Städtern wird größer. „Trotz des Wachstums gelingt es nicht, alle Schichten am Wohlstand partizipieren zu lassen“, sagt Gleisberg. Zudem schreite die Überalterung der Gesellschaft in China massiver voran als in Europa – bei unzureichender sozialer Absicherung durch den Staat. Schon heute fürchtet sich China vor sozialen Unruhen. „Wenn diese Herausforderungen nicht schnell gemeistert werden, könnte das den Wachstumspfad und die friedliche Transformation des Landes gefährden“, sagt Gleisberg.

China könnte im Falle einer großen Krise seine enormen Reserven also selbst brauchen. Dass es sie in weiten Teilen nutzt, um wackelnde Eurostaaten zu stabilisieren, glauben Experten nicht. Zumal ein Großteil in US-Staatsanleihen steckt. „Jede ruckartige Bewegung Richtung Euro drückt zwangsläufig den US-Dollar. Damit würden Chinas Dollar-Bonds an Wert verlieren. Peking wird sich also hüten, zu viel Eurothermik zu erzeugen“, schreibt der Journalist Frank Sieren in seinem Buch „Angst vor China". Davies hält den Aufkauf von Euro-Schuldtiteln durch das Land aber ohnehin nur für eine kurzfristige Lösung. „China kann der Eurozone nicht helfen, das Vertrauen in ihre Anleihenmärkten wiederherzustellen, das können nur die europäischen Staatschefs selbst“, sagt der Analyst.

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