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Wirtschaft: Gesetzgeber mischt sich bei Betriebsrenten nicht ein

Sozialverbände geben Politik Mitschuld an Vorsorge-Kürzungen

Berlin (hej/pet). Der Sozialverband VDK und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi haben gefordert, eine Kürzung von Betriebsrenten per Gesetz zu verbieten. „Wir befürchten, dass weitere Unternehmen dem Beispiel der Commerzbank folgen werden, wenn der Gesetzgeber nicht einschreitet“, sagte Judith Kerschbaumer, die Rentenexpertin von Verdi, dem Tagesspiegel. Auch VdKPräsident Walter Hirrlinger forderte gesetzliche Regelungen. „Der Gesetzgeber ist gefordert, Vorschriften zu erlassen, damit die Betroffenen nicht benachteiligt werden“, sagte er der „Passauer Neuen Presse". Das Bundessozialministerium wies die Forderung am Donnerstag zurück.

Die Commerzbank hatte angekündigt, ihre Betriebsrenten aus Kostengründen zum Jahresende zu kürzen. Ausgenommen sind nur die Betriebsrenten der Vorstände. SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler bezeichnete dies am Rande einer Klausursitzung in Leipzig als „als besonderes Zeichen von Charakterlosigkeit“ der Vorstände. CDU-Chefin Angela Merkel sagte, sie hoffe, dass hierzu noch nicht das letzte Wort gesprochen sei. Verdi kündigte eine juristische Prüfung an. Auch Gerling hat die Betriebsrenten zum Jahresbeginn zusammengestrichen. Der Pharmakonzern Schering will bei Neueinstellungen von diesem Jahr an von einem entgeltbezogenen auf ein beitragsbezogenes System umstellen. Nach Angaben des Vize-Betriebsratsvorsitzenden Siegfried Stolz ist noch nicht klar, ob der Leistungsumfang bei Neuverträgen verringert wird. Die Verhandlungen zwischen Konzern und Betriebsrat hätten gerade begonnen. Gegen den Trend will Opel seine 1997 abgeschaffte Betriebsrente nach Angaben einer Sprecherin wieder einführen. Ein Datum nannte sie nicht.

Die Betriebsrentenkürzung vieler Konzerne läuft dem Ziel von Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) entgegen, die Altersvorsorge in den Betrieben zu stärken – als Ergänzung zur gesetzlichen Altersversorgung.

Trotzdem lehnt das Bundessozialministerium es ab, gegen die Kürzung von Betriebsrenten gesetzlich vorzugehen. Die Betriebsrenten beruhten auf freiwilligen Vereinbarungen in den Unternehmen, sagte Sprecher Klaus Vater. „Da hat der Gesetzgeber nicht mitzumischen.“ Auch Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba), sprach sich gegen eine Intervention des Gesetzgebers aus. „Kein Arbeitgeber macht ein Betriebsrentenmodell, wenn er die Konditionen nicht mehr ändern kann“, sagte Stiefermann dem Tagesspiegel. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer sagte, eine gesetzliche Regelung würde zwar wegen der bestehenden Rechtsprechung zu dem Thema faktisch nichts ändern. Sie plädierte aber trotzdem für einen solchen Schritt, weil das ein „politisches Signal für mehr Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die zusätzliche Altersversorgung“ wäre.

An der Verunsicherung der Betriebsrentner sei nicht zuletzt die Politik Schuld, meint dagegen aba-Geschäftsführer Stiefermann. „Ständig werden die Gesetze geändert“, kritisierte er, dabei sollen die Betriebsrentenmodelle doch über Jahrzehnte laufen. Auch bei der jüngsten Riester-Reform werde die klassische Betriebsrente stiefmütterlich behandelt, indem Steuervorteile gestrichen werden sollen.

Die aba rechnet damit, dass die Umstellung der Betriebsrenten von einer Gehalts- hin zu einer Beitragsorientierung weitergehen wird. „Viele Arbeitnehmer waren überversorgt, das System war nicht mehr finanzierbar“, sagte Stiefermann.

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