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Vor dem geistigen Auge. Sich Bilder schöner Momente ins Gedächtnis zurückzurufen, kann auch das Wohlbefinden wieder hervorbringen, das man in der Situation empfunden hat.

© picture-alliance / dpa

Gesundheit im Beruf: Was vom Urlaub bleibt

Nach den Sommerferien keine Lust mehr auf Arbeit? Wie Beschäftigte sich Urlaubsgefühle und Wohlbefinden in den Alltag hinüberretten.

Vor ein paar Tagen noch ist man in den Bergen herumspaziert oder hat sich am Strand in die Wellen geworfen. Und jetzt ist wieder Büro angesagt. Am ersten Tag nach dem Urlaub wird man am Bildschirm zusehen müssen, wie massenhaft die unbeantworteten Emails mit schwarzem, fettem Betreff ins Postfach einlaufen.

Ist der Sommerurlaub zu Ende, fällt vielen Berufstätigen die Rückkehr in die Arbeitswelt schwer. Während der letzten freien Tage mögen sie gar nicht an den Dienstbeginn am Montagmorgen denken. Schnell ist die Entspannung verflogen, der Alltag zurück. Dabei kann man sich das Urlaubsgefühl und Wohlbefinden der vergangenen Wochen durchaus in das „normale“ Leben hinüberretten. Zumindest für einige Zeit.

DER ANKER

Besonders positive Momente eines entspannten Urlaubs wie das Baden im Meer oder das Erklimmen eines Berges lassen sich abspeichern, um sie später im Arbeitsalltag wieder abzurufen. „Ankern“, nennt Jürgen Schuster, die Methode. Er ist Coach für die Vereinbarkeit von Leistung und Gesundheit in Kirchheim im Allgäu. Nein, es gehe nicht darum, nostalgisch vergangenen Urlaubstagen nachzusinnen, sagt Schuster. Das visuelle Erinnern solle helfen, sich im aktuellen Moment körperlich und geistig in einen ähnlich entspannten Zustand zu versetzen, wie man ihn damals erlebt habe.

Man kann sich dafür während des Arbeitstages drei kleine Pausen einplanen und sie als „Termine mit sich“ zur Erinnerung in den Kalender eintragen. Selbst fünf Minuten würden sich lohnen, erklärt Schuster. Zusätzlich helfe es, sich von seinem Schreibtisch kurz wegzubewegen. Aufstehen, den Flur entlang gehen, in eine andere Abteilung oder kurz hinunter in den Hof. Durch solche kleinen Fortbewegungen gewinne man etwas Abstand und sehe auch erste Konflikte gelassener.

Ein paar Wochen könnten die meisten mit Hilfe eines solchen Ankers gut arbeiten, so Schuster. Dann verblasse der Eindruck und man müsse sich einen neuen Anker abspeichern.

DAS GUTE TEAM

Für die ersten zwei Tage nach dem Urlaub rät Janina Cußmann, Personalerin beim Spielesoftware-Entwickler Wooga, es ruhiger angehen zu lassen. Sie selbst sei gerade zurück aus dem Urlaub und habe sich als Erstes mit ihrem Team auf eine Tasse Kaffee hingesetzt und von der Reise erzählt. Dadurch bekommen auch die Kollegen etwas von der positiven Stimmung ab, meint sie. „Einer kommt aus dem Urlaub zurück und alle tippen weiter am Computer“, das gebe es bei Wooga nicht.

Wer das Gefühl von Entspannung nach dem Urlaub erhalten will, braucht auch gute Kollegen. Kommt man zurück und muss neben dem laufenden Geschäft nicht nur zwei, drei wirklich wichtige Aufgaben, sondern hunderte unbeantwortete Emails und Berge angesammelter Aufträge nacharbeiten, ist das Wohlbefinden schnell dahin. Deshalb macht der von Berliner Politik und Wirtschaft zum familienfreundlichsten Unternehmen 2014 gekürte Betrieb die Übergänge vor und nach dem Urlaub zur Team-Angelegenheit. Die meisten der 250 Mitarbeiter seien in ihren Abteilungen Generalisten und könnten sich somit gut gegenseitig vertreten, erklärt Cußmann. „Wir versuchen, so viel wie möglich zu machen, damit sich nicht so viel auftürmt“, sagt sie. Für interne Abläufe wird vor allem ein Chat verwendet. Dort sieht jeder vor dem Verfassen einer Nachricht, ob der Kollege anwesend ist. Das erspart unnötige Nachrichten. In den Arbeitsbereichen mit viel Außenkommunikation werden in der Urlaubszeit Emails von der Vertretung bearbeitet.

Gute Strukturen interner Kommunikation erleichtern, nach dem Urlaub auch inhaltlich wieder einzusteigen. In den einzelnen Spiele-Studios gibt es tägliche Besprechungsrunden. Auf Whiteboards wird festgehalten, wer gerade woran arbeitet und wo es Baustellen gibt. Das verschafft Überblick.

JEDER TAG ZÄHLT
Wie gut man sich im Urlaub entspannen kann und wie lange diese Entspannung anhält, zeigt auch, ob die Arbeitssituation und das Gleichgewicht zwischen Beruf- und Privatleben insgesamt stimmen. Wenn sich noch am Strand der Magen zusammenzieht, weil man bald wieder arbeiten muss, sei das ein deutlicher Hinweis darauf, grundsätzliche Veränderungen zu überdenken, sagt Karriereberater und Coach Heinz Götz aus Düsseldorf.

Für ihn beginnt das Problem, wenn der Urlaub zur Ausnahmezeit wird für alles, was wichtig ist – aber im Alltag zu kurz kommt: Entspannung, sich treiben lassen, auch Feiern, Spaß haben. Viele hecheln von einem Urlaub zum nächsten, springen von einem Extrem zum anderen, so seine Erfahrung.

Götz ist auch Yogalehrer und integriert Ansätze yogischen Denkens in seine Beratung. „Der Alltag sollte nicht nur eine Durchgangsstation sein“, sagt er. Man sollte nicht nur in der freien Zeit, sondern grundsätzlich versuchen, jeden Tag zu genießen und sich wohl zu fühlen.

Kurz vor dem Ende des Urlaubs empfiehlt er, einen Schnitt zu machen. „Was hat mir gut getan? Was brauche ich?“ Das genüssliche Lesen etwa oder die Spaziergänge? Diese Elemente gelte es in den Alltag zu integrieren und mit einer gewissen Disziplin zu verfolgen. Sonst gehen sie im Stress als erstes unter, weiß Götz. Man solle aber Geduld haben, Veränderungen bräuchten Zeit. Wie ein Kollege zu sagen pflege: „Der Grashalm wächst nicht schneller, wenn man zieht.“

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