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Erst die Piloten, dann Ärzte und Lokführer und demnächst die Feuerwehrleute? Die Spitzenverbände von Arbeitgebern und Gewerkschaften rechnen mit dem Schlimmsten. Foto: dpa

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Gewerkschaften: Ein Gesetz gegen die Feuerwehr

Arbeitgeber und DGB haben sich verbündet. Sie wollen kleine Gewerkschaften klein halten. Nachdem das Bundesarbeitsgericht das Prinzip "ein Betrieb, ein Tarif" gekippt hat, könnte es künftig nämlich noch mehr Interessenvertretungen und ständige Arbeitskämpfe geben.

Berlin - Wenn es auf der Bühne losgeht, ist Reinhard Göhner schon wieder in der Kulisse verschwunden. Den großen Auftritt überlässt er anderen, die wirklich Wichtigen scheuen das Licht. Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, früher mal Staatssekretär, ein CDU-Mann mit Kontakten nach überall, ist einer der tüchtigsten Lobbyisten der deutschen Wirtschaft. Und schlau ist er auch. Göhner sorgt sich seit Jahren um das Prinzip der Tarifeinheit und hat sich zeitig nach Alternativen umgeschaut. Und er ist fündig geworden.

Ingo Schäfer arbeitet seit 1987 als Feuerwehrmann. 20 Jahre war er Mitglied einer kommunalen Beamtengewerkschaft, doch vor einigen Jahren reichte es ihm. Es gab Kürzungen beim Weihnachtsgeld, viele Jahre keine Gehaltserhöhung, „und gleichzeitig nahmen die Belastungen immer mehr zu, auch durch Ereignisse wie die Fußball-WM und den Weltjugendtag in Köln“. Schäfer trat aus und ist heute Vorsitzender der Interessenvertretung der Feuerwehr, eine kleine Gewerkschaft, die bald mit dem Berufsverband Feuerwehr fusionieren will. Und dann kann Schäfer selbst Tarifverträge machen und eine „eigene Laufbahnverordnung Feuerwehr“ durchsetzen. Auch im Streik. „Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat uns natürlich in die Karten gespielt“, sagt Schäfer.

Göhner hat das Urteil des BAG zur Tarifeinheit kommen sehen. Weil sich abzeichnete, dass die obersten Arbeitsrichter das gewohnte Prinzip (ein Betrieb, ein Tarifvertrag) killen und die Tarifpluralität auf Basis der grundgesetzlichen Koalitionsfreiheit höher einstufen würden. Göhners Sorge: In den Betrieben tummeln sich künftig mehrere Gewerkschaften, so wie bislang schon bei Bahn und Lufthansa, es gibt ständig Arbeitskämpfe, das Tarifsystem zersplittert und am Ende haben wir englische Verhältnisse: Viel zu viele Gewerkschaften, die ständig Zoff machen und schließlich von einer harten Hand (Maggie Thatcher) verboten werden müssen. Armes Deutschland.

Nicht mit Göhner. Über zwei Jahre hat er mit Gewerkschaften über einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag verhandelt, und als der dann im Sack war, ist er durch die politische Landschaft getingelt. In mehr als 20 Gesprächen, von der Bundeskanzlerin über die relevanten Minister und arbeitsmarktpolitischen Sprecher, hat der Chefeinflüsterer der Arbeitgeber die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit erläutert. Und wie die aussehen könnte, hat Göhner gleich mitgeliefert: Gibt es in einem Betrieb mehrere Tarifverträge, die für eine bestimmte Beschäftigtengruppe gedacht sind, dann gilt nur der Vertrag der Gewerkschaft, die im Betrieb die meisten Mitglieder hat.

Was für die Arbeitgeber von herausragender Bedeutung ist: Solange der vorrangige Tarifvertrag läuft, gilt die Friedenspflicht auch für alle anderen im Betrieb vertretenen Gewerkschaften. Ob diese Einschränkung des Arbeitskampfrechts allerdings verfassungskonform ist, wird hier und da bezweifelt.

Nicht so von Rupert Scholz. Der Staatsrechtler und Ex-Verteidigungsminister hat im Auftrag Göhners ein „Rechtsgutachten zur Problematik von Tarifpluralität und Tarifeinheit“ erstellt, indem es im Wesentlichen um Verfassungsfragen geht. „Die Frage bleibt allerdings, ob eine solche Ausdehnung der Friedenspflicht mit Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz zu vereinbaren ist“, schreibt Scholz, um später festzustellen, dass „dieser grundrechtliche Schutz der Arbeitskampffreiheit als solcher nicht zur gesetzgeberischen Disposition steht“. Schließlich könne der Artikel 9 Absatz 3, Scholz zitiert das Bundesverfassungsgericht, „zum Schutz von Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden“. Zum Gemeinwohl gehört Scholz zufolge die Tarifeinheit, da diese „zur Wahrung und Sicherung einer funktionsfähigen Tarifautonomie notwendig ist“. Und „die maßgebenden Grundsätze der Tarifeinheit“ sollten in einem neuen Paragrafen 4a des Tarifvertragsgesetzes festgeschrieben werden, meint der Jurist.

Das wäre schlecht für Schäfer und seine Feuerwehrgewerkschaft. Denn Verdi ist mit schätzungsweise 7000 Mitgliedern unter den Feuerwehrleuten noch auf absehbare Zeit größer als Schäfers Truppe mit rund 2000 Mitgliedern. Doch das Vorbild der Lokomotivführergewerkschaft, die der Bahn eine zweistellige Tariferhöhung abtrotzte und reichlich Mitglieder gewann, spukt Schäfer im Kopf herum. Dass die meisten Feuerwehrmänner Beamte sind und nicht streiken dürfen, stört Schäfer nicht, wenn er genügend Mitglieder unter Werks- und Flughafenfeuerwehren hat. „Verdi kann nicht fordern, was wir für unseren Berufsstand fordern, die müssen noch andere mit einbeziehen“, sieht sich Schäfer strategisch im Vorteil. Die Vorbereitungen laufen: „Eine Streikkasse haben wir schon.“

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