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Ein Korb für den Vorsitzenden. Der neue DGB-Chef Reiner Hoffmann (r.) scheiterte bei dem Versuch, ein vertrauliches Treffen der zerstrittenen Gewerkschaftsbosse zu organisieren. Verdi-Chef Frank Bsirske hatte sich mit der IG Metall angelegt.

© picture alliance / dpa

Gewerkschaften gegen Gewerkschaften: Kampf um Macht und Geld

Bei den DGB-Gewerkschaften eskaliert der Streit um Macht und Geld. Ein Beispiel für die Auseindersetzungen ist der Konflikt zwischen Verdi und der IG Metall bei der Bremer Firma Stute Logistics.

Spitzenfunktionäre sind auch nur Menschen. Eigentlich wollte die Spitze des DGB im Oktober bei einem vertraulichen Treffen über interne Machtkämpfe und Organisationskonflikte reden. Doch die Chefs der großen Gewerkschaften sind inzwischen so sauer aufeinander, dass sich Reiner Hoffmann einen Korb eingefangen hat. Das ist bitter für den neuen DGB-Chef, zu dessen wichtigsten und schwierigsten Aufgaben gehört, den aus acht Gewerkschaften bestehenden Verbund zusammenzuhalten. Das wird immer schwieriger, weil sich die Gewerkschaften wechselseitig die Mitglieder abjagen. Zu einem ersten Friedensgipfel hatte Hoffmann für den 11. Oktober eingeladen – IG-Metall-Chef Detlef Wetzel sagte damals aus Termingründen ab. Ein zweiter Versuch scheiterte in diesen Tagen, wiederum an Wetzel. Diesmal ist der Metaller so sauer auf den Verdi-Vorsitzenden Frank Bsirske, dass er keine Gesprächsgrundlage mehr sieht. Das Misstrauen ist groß an der Spitze des gewerkschaftlichen Dachverbands, der gerne Kollegialität und Solidarität betont.

Es geht um Macht - und um Geld

Der Streit geht ganz schlicht um Macht und Geld. Aktuell streiten sich Verdi und IG Metall um Mitglieder beim Logistikunternehmen Stute. Erst schloss Verdi einen Tarifvertrag ab, dann die IG Metall, dann wieder Verdi. Die Unternehmensleitung ist entnervt und sieht sich als Opfer eines Organisationsstreits zwischen zwei DGB-Gewerkschaften. „Das ist eine Katastrophe für den Arbeitgeber“, klagt Geschäftsführer Marco Hamacher. Die eine Gewerkschaft versucht, die andere Gewerkschaft mit ihrem Tarifvertrag zu übertrumpfen, um mehr Mitglieder zu bekommen. Ungefähr so wie bei der Bahn, wo die Lokführergewerkschaft GDL mit attraktiven Tarifen Mitglieder bei der Konkurrenzgewerkschaft EVG abwerben will. Bsirske kritisiert das scharf: Der zum Beamtenbund gehörende GDL gehe es gar nicht vorrangig um die Tarifforderung, „sondern darum, einen Konkurrenzkampf mit der (zum DGB gehörenden) EVG auszufechten“.

In der Gewerkschaftsbranche tobt ein harter Konkurrenzkampf

Einen solchen Konkurrenzkampf ficht Verdi selbst nicht nur mit der IG Metall aus. In der Energiewirtschaft gibt es Ärger mit der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), und in der ostdeutschen Wasserwirtschaft sowieso, da beide Gewerkschaften die Branche und ihre Beschäftigten für sich beanspruchen. Obwohl es einen Tarifvertrag gibt, der aber von der IG BCE abgeschlossen wurde, hat Verdi kürzlich ihre Mitglieder beim lokalen Wasserversorger in Annaberg zu einem Warnstreik für einen eigenen Tarif aufgerufen. IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis tobte: „Ein solches Vorgehen hat es in der Geschichte des DGB bislang nicht gegeben“, schimpfte er im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und verglich Verdi mit der GDL.

Der DGB ist die treibende Kraft für eine gesetzliche Tarifeinheit

Tatsächlich ist der DGB neben den Arbeitgebern die treibende Kraft für eine gesetzliche Festschreibung der Tarifeinheit, mit der Berufsgewerkschaften wie der GDL das Leben schwergemacht und gewerkschaftliche Konkurrenzkämpfe blockiert werden sollen. „Tarifeinheit begrenzt die Konkurrenz, sichert die Durchsetzungsfähigkeit der Belegschaften und fördert die Akzeptanz der Tarifautonomie“, heißt es im DGB-Beschluss. Auch auf dieser Grundlage werkelt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gerade an einem Gesetz. Eine erstaunliche Konstellation: Die DGB-Gewerkschaften fordern den Gesetzgeber auf, die durch Spartengewerkschaften entstehenden Konflikte im Unternehmen zu erschweren, und sind selbst nicht in der Lage, die eigenen Organisationsstreitigkeiten zu lösen. Dazu gibt es eigentlich ein Schiedsverfahren beim DGB. Doch im Fall der Stute Logistics hat das nicht gegriffen. Bis jetzt jedenfalls nicht.

Die Bremer Firma Stute Logistics ist ein Paradebeispiel für den Streit

Bei der Bremer Firma arbeiten rund 2500 Personen, unter anderem übernimmt Stute Logistikleistungen für den Airbus-Konzern. Dieser Umstand hat die IG Metall angelockt, meint jedenfalls Geschäftsführer Hamacher. „Bislang kannten wir nur Verdi.“ Dann rückte die Metallergewerkschaft mit einem Organizing- Team an, warb Mitglieder und machte sich bereit für einen Tarifkonflikt. Gegen die ersten Warnstreiks klagte das Unternehmen vor dem Arbeitsgericht – und verlor. Um den lebenswichtigen Kunden Airbus nicht zu verärgern, schloss Hamacher Anfang September mit der IG Metall einen Tarif. „Das tut unendlich weh, was wir hier erleben“, klagt der Geschäftsführer. Denn kurz nach der IG Metall kam Verdi und setzte ein paar Wochen später noch bessere Konditionen für die eigenen Mitglieder durch. „Verdi ist und bleibt die tarifzuständige Gewerkschaft“, freute sich Verdi-Vize Andrea Kocisis. Und jagte IG- Metall-Chef Wetzel auf den Baum. Und nun? Bis Ende 2015 hat Hamacher gültige Tarifverträge, weder Verdi noch die IG Metall dürfen bei Stute streiken. Und bis dahin, so hofft der Manager, werde das DGB-interne Schiedsverfahren ergeben, welche Gewerkschaft künftig zuständig ist für Stute. Oder aber der Gesetzgeber hat die Tarifeinheit so geregelt, dass auch den DGB-Gewerkschaften und den DGB-Chefs zu einem friedlichen Miteinander verholfen wird.

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