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Wirtschaft: Gewerkschaften „jederzeit gesprächsbereit“

Beim Streit um tarifliche Öffnungsklauseln hofft die Regierung auf eine Einigung in letzter Minute

Berlin (ce/rvr/uwe). Im Streit um Öffnungsklauseln in Tarifverträgen suchen die Gewerkschaften offenbar dringend nach einer Lösung. Nachdem bereits am Donnerstag der ChemieGewerkschaftschef Hubertus Schmoldt gesagt hatte, er halte eine Lösung für wahrscheinlich, sagte gestern ein Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes, man sei „jederzeit gesprächsbereit“. Bundesregierung und SPD forderten die Tarifpartner erneut auf, eine eigene Lösung zu finden.

In dem Streit geht es darum, ob Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände den Unternehmen künftig erlauben wollen, in Krisensituationen vom Tarifvertrag abzuweichen, etwa, um Arbeitsplätze zu sichern. Bisher dürfen Betriebsräte und Manager so etwas nicht allein beschließen – auch wenn es in der Praxis gang und gäbe ist. Die Bundesregierung hofft, dass die Tarifpartner einen eigenen Lösungsweg finden. Anderenfalls werde der Gesetzgeber handeln, hatte der Bundeskanzler mehrfach gedroht.

Zeitdruck für eine Lösung gibt es, weil das Thema auch im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag verhandelt werden muss. Die CDU hat einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht, der nun im Rahmen der großen Reformverhandlungen des Ausschusses auch auf der Agenda steht. Die Gewerkschaften fürchten nun, dass die Bundesregierung dem CDU-Entwurf zustimmen könnte, um andere Ziele im Vermittlungsausschuss durchsetzen zu können. Das Risiko, dass am Ende trotz aller Versicherungen doch ein Gesetz komme, sei zu groß, hieß es.

Auf der Arbeitgeberseite hieß es gestern, man sei ebenfalls jederzeit zu einer Einigung bereit - allerdings auf der Grundlage der bereits erreichten Vereinbarung. Die sei von den Gewerkschaften Anfang der Woche überraschend abgelehnt worden. „Grundlage muss die Vereinbarung sein, die auf dem Tisch liegt“, sagte Uwe Mazura, der Sprecher der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gestern dieser Zeitung: „Die können wir unterschreiben, wenn die Gewerkschaften auch dazu bereit sind.“

In dem Papier hatte es unter anderem geheißen, dass eine gesetzliche Regelung für die Öffnung von Tarifverträgen dann nicht nötig sei, „wenn die Tarifparteien bei den anstehenden Tarifverhandlungen entsprechende Öffnungsklauseln selbst vereinbaren“. Diese Formulierung wollen einige Einzelgewerkschaften nicht mittragen, weil sie die einzelnen Tarifparteien verpflichtet hätte, in der laufenden Lohnrunde eine solche Lösung zu finden. Der Sprecher der IG Bau, Michael Knoche, sagte allerdings, seine Gewerkschaft gehe davon aus, dass auch die anderen Arbeitnehmerorganisationen bereit seien, die Tarifverträge für Notfälle zu öffnen. Die Baugewerkschaft hatte erst vor kurzen erlaubt, dass Bauunternehmen im Notfall weniger als das vereinbarte Weihnachtsgeld bezahlen können.

Auch die SPD setzt weiter auf freiwillige Vereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern. „Schön wäre es, wenn die Tarifpartner schon parallel zum Vermittlungsverfahren zu einer Vereinbarung kommen“, appellierte Rainer Wend (SPD), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Arbeit. Wenn es ein bisschen länger dauere, sei dies aber „auch kein Beinbruch“, sagte Wend dem Tagesspiegel. Wend rechnet allerdings nicht damit, dass es im Vermittlungsverfahren zu einer gesetzlichen Öffnung der Tarifverträge kommen werde. „Niemand sollte damit rechnen, dass wir in der Sache Zugeständnisse machen können“, sagte der SPD-Politiker.

In Berliner Regierungskreisen hieß es jedoch am Freitag, es gelte weiter die Drohung des Bundeskanzlers in seiner Reformrede vom 14. März. Damals hatte Gerhard Schröder bei der Vorstellung der Agenda 2010 gesagt: „Ich erwarte, dass sich die Tarifparteien auf betriebliche Bündnisse einigen, wie das in vielen Branchen bereits der Fall ist. Geschieht das nicht, wird der Gesetzgeber zu handeln haben.“ Die Tarifautonomie sei nicht nur ein Recht, sondern auch eine Verpflichtung, so der Kanzler damals. Öffnungsklauseln hätten bereits Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen und die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben verbessert.

Am Freitag hieß es nun, die Ausführungen Schröders vom März hätten unvermindert Bestand, auch wenn man sie heute nicht als Beitrag zum aktuellen Vermittlungsverfahren interpretieren dürfe. Schröder habe seine damalige Drohung mit gesetzlichen Öffnungsklauseln zwar „zurückgefahren, aber nicht kassiert“, hieß es in Berlin. Zuletzt hatte der Kanzler stets die Formulierung gebraucht, die Tarifparteien müssten die Balance zwischen Tarifrecht und freiwilligen Vereinbarungen selbst finden.

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