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Wirtschaft: Gewerkschaften streiten über Greencards für zusätzliche Arbeitskräfte aus der Informationstechnik

Offizielle Statements decken den Dissens zu, doch hinter des Kulissen prallen die Ansichten bei den Gewerkschaften aufeinander. Der Streitpunkt: Braucht Deutschland offene Grenzen für Fachleute der Informationstechnik (IT), um im internationalen Wettbewerb zu bestehen?

Offizielle Statements decken den Dissens zu, doch hinter des Kulissen prallen die Ansichten bei den Gewerkschaften aufeinander. Der Streitpunkt: Braucht Deutschland offene Grenzen für Fachleute der Informationstechnik (IT), um im internationalen Wettbewerb zu bestehen? Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Grenzen generell für ausländische IT-Spezialisten zu öffnen, sagte DGB-Abteilungsleiter Wilhelm Adamy dem Handelsblatt. Damit stellt sich die Dachorganisation der Gewerkschaften gegen Forderungen aus der IG Metall und aus der DAG, mit Greencards für ausländische Talente der deutschen IT-Branche ein unbehindertes Wachstum zu ermöglichen. Das ist auch die Linie der Arbeitgeber in der Branche. Adamy meinte jedoch, er sehe keine großen Differenz zu den Einzelgewerkschaften.

Selbst innerhalb der Einzelgewerkschaften ist man in der Frage der generellen Arbeitserlaubnis für IT-Spezialisten nicht ganz einer Meinung. So meint DAG-Vorstandsmitglied Heino Rahmstorff, dass über notwendige größere Ausbildungsanstrengungen hinaus in der wachsenden IT-Branche genug Bedarf bestehe, ausländische Fachkräfte zu beschäftigen. "Der Bedarf kann von der Branche aus eigener Ausbildungskraft nicht gelöst werden", sagte Rahmstorff. DAG-Chef Roland Issen sieht derzeit jedoch keine Notwendigkeit, die Anwerbestoppverordnung für IT-Fachleute aufzuheben. Er fürchtet, dass damit eine Signalwirkung für andere Branchen gesetzt werden könne. Diese Gefahr sieht auch Rahmstorff. In der IT-Branche ginge es aber nicht um "Dumping-Wettbewerb" wie beim Bau oder der Gastronomie, sondern um hochqualifizierte Fachleute, die einen Sog weiterer Arbeitsplätze nach sich zögen.

"Die Diskussion muss versachlicht werden", fordert Rahmstorff. Bei dem Streit geht es allein um außereuropäische Arbeitskräfte. Innerhalb der EU sind die Grenzen für alle Arbeitnehmer offen. Alle anderen Ausländer erhalten derzeit jedoch eine Arbeitserlaubnis nur, wenn nachgewiesen wurde, dass kein Inländer die Stelle besetzen kann. Darauf verweisend hob Adamy hervor, dass die Anwerbung einzelner Fachkräfte schon im Rahmen des geltenden Rechts möglich sei. Dennoch sei das mit Ungarn verabredete Kontingent im IT-Bereich 1999 nicht ausgeschöpft worden. Das werfe ein merkwürdiges Licht auf die Behauptung, in Osteuropa gebe es viele ausgebildete IT-Fachleute, die sich "um Stellen in Deutschland rissen".Die IT-Branche fordert 30 000 Greencards für ausländische IT-Experten, die sie gerade in Mittel- und Osteuropa vermutet. Die Bundesregierung will über eine Marktöffnung für IT-Fachkräfte erst entscheiden, wenn verlässliche Daten zum Bedarf vorliegen. Daran versucht sich derzeit eine Arbeitsgruppe im Bündnis für Arbeit. Solange keine Daten vorlägen, so Adamy, müsse Berlin an der derzeitigen Regelung festhalten. Nach DGB-Angaben waren 1999 rund 30 800 Menschen arbeitslos, die dem IT-Bereich zugeordnet werden können. Die IT-Branche selbst schätzt die Zahl der unbesetzten Stellen auf rund 80 000.

Der DGB fürchtet, dass durch eine Grenzöffnung die Ausbildungsanstrengungen deutscher Unternehmen zum Erliegen kämen. Auf diese Gefahr wies auch Dieter Scheitor von der IG Metall hin. "Noch sind nicht alle Reserven bei der Ausbildung ausgeschöpft", sagte der Teamleiter IT beim IG-Metall-Vorstand. DAG-Vorstand Rahmstorff sieht hingegen einen großen Willen einzelner Unternehmen zur Ausbildung. Die Teilnehmer im Bündnis für Arbeit hatten eine Steigerung der Ausbildungsplätze im IT-Bereich auf 40 000 vereinbart. "Angesichts anhaltender Klagen über Fachkräftemangel im IT-Bereich verwundert es, dass die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse 1999 nur um 5800 auf gut 128000 erhöht worden ist", meint dazu DGB-Abteilungsleiter Adamy. Ein Großteil dieser Stellen würde auch noch von der Bundesanstalt für Arbeit mitfinanziert.

pw

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