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Wirtschaft: Gewinne aus der Fritteuse

Mit dem britischen Fastfood-Klassiker „Fish and Chips“ werden glänzende Geschäfte gemacht

Arthur Parrington legt seine tätowierten Unterarme auf ein wackeliges Pult und fängt an, über die Kunst des Frittierens zu dozieren. Genauer gesagt über die Herstellung von „Fish and Chips“, dem britischen Fastfood-Gericht aus frittiertem Fisch und Pommes frites, die man in England „Chips“ nennt. „Die Chips sind die eigentlichen Gewinnbringer“, hämmert er den künftigen Imbiss-Betreibern ein, die einen seiner Kurse besuchen. „Leute, wenn ihr hier eines mitnehmt, dann ist es das.“

Tatsächlich lässt sich mit dem Fastfood-Klassiker derzeit wieder gutes Geld verdienen. Die allgemeine Belebung der britischen Küche, angetrieben durch Fernsehköche wie Jamie Oliver, hat auch dem britischsten aller Schnellgerichte zu neuem Aufwind verholfen. Häufiger als je zuvor greifen die Briten laut einer Erhebung des Marktforschungsunternehmens Euromonitor zu „Fish and Chips“. Damit trotzen sie neueren Fastfood-Alternativen wie Pizza, McDonald’s und gesunden Snacks. „Die anhaltende Beliebtheit des Gerichts in Großbritannien stellt den allgemeinen Trend zu gesünderer Ernährung auf den Kopf“, sagt die Euromonitor-Analystin Caroline Bremner.

Der Umsatz im Geschäft mit „Fish and Chips“ ist im letzten Jahr um zwölf Prozent gewachsen. Parallel dazu stieg auch die Anzahl der Fisch-Imbissläden auf der Insel seit 1999 stetig um 200 Läden jährlich. 9000 sind es bereits, sieben mal mehr als McDonald’s-Filialen.

Auch außerhalb des Königreichs kommt der Handel in Schwung. Mehr und mehr Briten wollen sich im Ausland mit einem Fisch-Imbiss ein Stück Heimat in die Fremde holen. Außerdem ist der lange von Burger- und Pizza-Gerichten dominierte Fastfood-Markt seit jeher für neue Einflüsse empfänglich. So ist auch das New Yorker Schnellrestaurant „A Salt and Battery“ auf den Trend zum Backfisch aufgesprungen. Nach dem Erfolg der ersten Filiale in Manhattan sollen jetzt weitere Geschäfte in den USA eröffnet werden. Fast überall auf der Welt ist der frittierte Fisch-Kartoffel-Snack bereits zu haben, von Peking bis Vancouver.

Die Idee, frittierten Fisch und Pommes zu kombinieren, wird dem jüdischen Einwanderer Joseph Malin zugeschrieben, der daraus 1863 in seinem Laden in London zum ersten Mal ein Gericht machte. Seit dieser Zeit beherrschen unabhängige Imbiss-Betreiber die Branche. Und viele von ihnen gehen durch die Schule von Imbiss-Dozent Parrington und seinen Kollegen von der National Federation of Fish Fryers, dem Landesverband der Fisch-Frittierer in Leeds, einer schroffen Stadt im Norden Englands. Seit 75 Jahren bietet der Verband seine Frittierkurse an und hat bereits 100000 Studenten in der Zubereitung von „Fish and Chips“ unterrichtet.

Unter ihnen ist auch der Brite Mark Briner, der im September einen Fisch-Imbiss in Arizona eröffnen wird. Auf die Idee kam er durch einen Artikel in seinem Lokalblatt, wo die dürftige Backfisch-Versorgung in dem US-Bundesstaat beklagt wurde. Der dreitätige Kurs kostet umgerechnet 599 Euro und deckt alles Wesentliche ab, vom Geschäftsmodell bis zur Lebensmittelhygiene. Und selbstverständlich auch das Frittieren. Am dritten Kurstag geht es für die Teilnehmer in die Lehrküche, wo sie zunächst in die Geheimnisse des Kartoffelschälens eingeweiht werden.

Und hier ist Vorsicht geboten, warnt der Lehrer Wilf Rhodes in kernigem Straßendialekt. In der ersten Minute gehen in der Schälmaschine von 25 Kilogramm Kartoffeln zwei Kilo verloren, nach zwei Minuten sind es bereits vierzehn Kilo Verlust. Dann erklärt er, wie der Teig beschaffen sein muss, mit dem die Fischstücke vor dem Frittieren überzogen werden: So flüssig, dass er vom Schneebesen tropft. Dennis Tate, ein weiterer Tutor des Verbands, bringt den Teilnehmern außerdem bei, was sie über das Filetieren des Fischs wissen sollten: „Sie alle machen das hier aus einem Grund: Nämlich zum Geld verdienen“, erinnert er die Schüler und zeigt, wie man auch aus Reststücken und Teig perfekte Filets formen kann.

Nicht einmal die Betreiber der Backfisch-Läden gehen soweit, ihre frittierte Kost als gesundheitsfördernd anzupreisen. Doch immer häufiger versuchen sie, den Nährwert ihrer Produkte etwa durch den Einbau von Ölfiltern zu verbessern. „Die junge Generation von Betreibern ist gesundheitsbewusster“, sagt Steve Hill, der ein Geschäft für Frittier-Ausrüstung im englischen Gloucester betreibt und seine Umsätze in den letzten drei Jahren verdoppelt hat.

Nicht zuletzt umfasst der englische Frittierkurs eine Schulung in angewandter Ökonomie. In seinem „Seminar zur Portionierung und Verpackung“ schaufelt Parrington eine Kelle Fritten in eine Pappschachtel und legt ein Stück Fisch darauf. Nur mit Mühe lässt sich der Deckel schließen. „Das sind zu viele Chips“, sagt er und zeigt, dass sich hier bei jeder Portion 60 Gramm Pommes einsparen lassen. „Wer darauf bei jeder Bestellung achtet, kann sich davon den Sommerurlaub finanzieren.“

Was er jetzt lehrt, hat Parrington während seiner 30 Jahre Geschäftserfahrung selbst praktiziert. Abend für Abend habe er mit seiner Frau die Müllbehälter durchgesiebt, um zu sehen, ob die Angestellten zu große Portionen ausgegeben hatten. „Den Verkäufern habe ich klar gemacht, dass jede zusätzliche Kelle Chips mein Geld kostet und ich bei weiteren Verlusten Stellen abbauen muss“, sagt Parrington. Doch was wirft eine Fischbude letztlich ab? Die Anzahl der Zutaten ist minimal, und die Rohstoffe sind dazu noch sehr preiswert, lassen die Tutoren wissen. Damit können Gewinnspannen von mehr als 50 Prozent erreicht werden.

Hannah Karp[Leeds]

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