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Ein Containerschiffr auf der Elbe bei Hamburg

© imago/argum

Gewollt und legal: Fast alle Hochseeschiffe verpesten Meere mit Schwefel

Eine Umweltsünde, die der Öffentlichkeit kaum bekannt ist: Schiffsabgase werden zwar gereinigt – doch die giftigen Reste landen direkt im Meer.

An Land wird die Verkehrswende heiß diskutiert - der klimaschädliche Schiffsverkehr droht dabei aus dem Blick zu geraten: Noch immer setzen die Schiffseigner vor allem auf Diesel, Tausende sogar noch auf giftiges Schweröl. Um damit die Motoren antreiben zu dürfen, brauchen sie Anlagen zur Abgasnachbehandlung, sogenannte „Scrubber“. Nur mit diesen Reinigungsanlagen, die den Schwefel aus den Schweröl-Abgasen extrahieren, können sie die internationalen Emissionsvorschriften einhalten.

Trotzdem leiten fast alle Hochseeschiffe mit Abgasvorrichtung ihre Schwefelabwässer einfach ins Meer. Das geht aus einer Statistik der DNV GL, dem weltweit größten Schiffsklassifikationsunternehmen hervor, die Tagesspiegel Background einsehen konnte. Demnach haben lediglich 63 der dort aufgeführten 3816 Schiffe einen in sich geschlossenen Abgaswäscher installiert („closed-loop scrubber“).

Nur bei diesen werden die Schwefelabwässer in Tanks gespeichert, bevor die Schiffe sie in einer sicheren Entsorgungsanlage in einem Hafen ableiten. Die anderen gut 3700 Schiffe kippen den flüssigen Schwefel einfach ins Meer. Sie fahren mit einem sogenannten „open-loop“ Scrubber. Beide Reinigungssysteme sind legal.

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„Diese Systeme behaupten, die Umweltleistung zu verbessern, obwohl sie es nicht tun. So entsteht in der Öffentlichkeit das Gefühl, betrogen zu werden“, sagt Lucy Gilliam von der Brüsseler NGO Transport and Environment Tagesspiegel Background. „Schrubber sollten zum Schutz von Küstengewässern und Häfen verboten werden.“

Auch der deutsche Umweltverband Nabu spart nicht mit Kritik. „Die Scrubber waren eine Fehlentscheidung“, sagt Verkehrsreferent Sönke Diesener. „Eigentlich müssen wir sie wieder loswerden. Sie sind nichts anderes als eine Umleitung der Verschmutzung von der Luft ins Wasser – und verbrauchen zudem noch zwei bis fünf Prozent mehr CO2.“

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Damit wächst der Druck auf die Schifffahrt, auf andere Kraftstoffe zu setzen. Denn ab 2020 darf laut UN-Schifffahrtsorganisation IMO nur noch schwefelarmer Schiffsdiesel getankt werden, sofern die Abgase nicht gefiltert werden (Background berichtete). Dann sinkt der Grenzwert für den Schwefelgehalt von Brennstoffen von 3,5 Prozent auf 0,5 Prozent. In Emissionskontrollgebieten liegt er dann bei 0,1 Prozent. Zum Vergleich: Für den Straßendiesel liegt der Schwefelgrenzwert bei 0,001 Prozent.

Open-Loop-Scrubber sind legal, weil die IMO-Mitgliedstaaten ihren Einsatz zur Einhaltung der Schwefelobergrenze genehmigt haben. Trotzdem haben wichtige Regionalhäfen entsprechende Regeln eingeführt, um deren Einsatz zu verhindern. Selbst China hat beispielsweise ein Verbot von Schrubbereinleitungen innerhalb von zwölf Seemeilen vor der chinesischen Küste in der Nähe der südlichen Provinz Hainan erlassen.

Rauchender Schornstein eines Containerschiffes in Hamburg
Rauchender Schornstein eines Containerschiffes in Hamburg

© imago/Christian Ohde

Hinzu kommt: Schiffsabgase heizen auch das Klima auf. Denn das Verbrennen von Schweröl setzt erhebliche Mengen von Ruß frei. Ruß gilt nach Kohlendioxid (CO2) als zweitstärkster Klimatreiber. Er lagert sich auf den Eisflächen der Arktis ab, wodurch ein Grauschleier entsteht, durch den sich die Umgebung aufheizt und das Arktiseis weiter abschmilzt. 2017 verursachte der weltweite Schiffsverkehr über 932 Millionen Tonnen CO2 - in etwa so viel wie ganz Deutschland.

Laut dem International Council on Clean Transportation (ICCT), einer gemeinnützigen Organisation, die wissenschaftliche Analysen für Umweltaufsichtsbehörden durchführt, emittieren Schiffe mit Open-Loop-Wäschern etwa 45 Tonnen verunreinigtes Waschwasser - und zwar pro Tonne Treibstoff, die verbrannt wird. Es enthält krebserregende Stoffe wie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs) und Schwermetalle.

Schädigung des zentralen Nervensystems

Die Schwermetallverschmutzung ist mit einer Schädigung des zentralen Nervensystems bei Mensch und Tier verbunden. PAKs werden für Haut-, Lungen-, Blasen-, Leber- und Magenkrebs verantwortlich gemacht. Darüber hinaus tötet die zunehmende Versauerung der Gewässer der Welt Korallenriffe. Wissenschaftlichen Studien zufolge sind deshalb komplette ozeanische Nahrungsketten bedroht.

„Die Entschwefelungsanlagen verstetigen die Verwendung billiger fossiler Brennstoffe für die Schifffahrt“, sagt Bryan Comer vom ICCT zu Tagesspiegel Background. „Es gibt natürlich auch andere Möglichkeiten, die Schwefelvorschriften einzuhalten, etwa durch saubere, schwefelarme Kraftstoffe. So würde das Problem der Wasserverschmutzung durch die Abgasanlagen vermieden.“

Doch davon sind zumindest deutsche Reedereien noch weit entfernt. Das Bundesamt für Seeschifffahrt teilt auf Anfrage mit, wie die 180 Hochseeschiffe unter deutscher Flagge unterwegs sind: Neun fahren mit Scrubbern, zwei davon sogar mit offenen Systemen. Fast alle der restlichen 171 wollen ab 2020 zwar auf schwefelarmen Marinediesel setzen. Aber auf saubereres und klimafreundlicheres Flüssigerdgas wollen gerade einmal zwei Schiffe umschwenken.

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