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Wirtschaft: Gipfel der Gegensätze

Die EU und Lateinamerika beraten über weitere Handelserleichterungen/Streit um Agrarprodukte

São Paulo/Buenos Aires - Ein Hauch von Seattle, ein bisschen Doha und vor allem Cancún – der ab dem heutigen Freitag im mexikanischen Guadalajara stattfindende EU-Lateinamerika-Gipfel wird viele der Angereisten stark an die früheren Welthandelsrunden der WTO erinnern: Immerhin treffen auf dem Gipfel unter den 58 Staatspräsidenten teilweise die gleichen Kontrahenten aufeinander, die im vergangenen September die Welthandelsrunde im mexikanischen Cancún scheitern ließen.

Für die ebenfalls angereisten Globalisierungsgegner ist der Gipfel denn auch ein „Freihandelspoker zwischen ungleichen Gegnern“, so die deutsche Nicht-Regierungs-Organisation Weed. Denn im Zentrum des Gipfeltreffens stehen Freihandelsverhandlungen zwischen der EU und dem Mercosur, der südamerikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, bestehend aus Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay.

Dabei geht es genau um die Themen, die auch bei der WTO die entscheidenden Nord-Süd-Knackpunkte sind: Die Südamerikaner wollen ihre Agrarprodukte auf die geschützten und subventionierten Märkte der EU exportieren. Die europäischen Unternehmen wollen zum südamerikanischen Wachstumsmarkt Zugang bekommen.

Inzwischen sind sich die Verhandlungspartner näher gekommen: Die EU bietet erweiterte Importquoten auch für sensible Agrargüter wie Fleisch, Bioethanol, Milchprodukte, Weizen oder Mais an. Der Mercosur soll dafür seinen Dienstleistungssektor weiter öffnen und europäischen Firmen den Zugang zu Staatsaufträgen ermöglichen. Doch dabei hapert es: EU-Handelskommissar Pascal Lamy hält die bisherigen Vorschläge des Mercosur nicht für überzeugend. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Qualität des Angebots ausreichend ist“, sagte Lamy. „Der Mercosur muss einen ähnlich ehrgeizigen Vorschlag machen wie wir.“

Besonders die europäische Industrie hofft auf einen Abschluss, um den Handel mit Südamerika ausweiten zu können: Denn europäische Unternehmen sind heute die größten Investoren in Südamerika, der Handel zwischen den Kontinenten hat sich jedoch seit 1980 verringert. Asien und Nordamerika haben dagegen zugelegt. Heute entspricht der EU-Lateinamerika-Handel in etwa dem zwischen China und dem Doppelkontinent. „Ich möchte Sie dringend bitten, substanzielle Angebote zu machen“, beschwört der ehemalige BASF-Chef und jetzige Präsident des europäischen Spitzenverbandes der Industrie (Unice), Jürgen Strube. „Sonst könnte eine einmalige Chance vergeben sein.“

Den europäischen Unternehmen liegt viel an einem privilegierten Zugang zu einer Wirtschaftszone, in der 265 Millionen Südamerikaner leben. Diese erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von 520 Milliarden Euro, also weit mehr als die zehn neuen EU-Mitglieder zusammen. Die EU hat noch ein weiteres, strategisches Interesse an dem Mercosur-Abkommen – und zwar im Hinblick auf die Welthandelsrunde. Die laufende so genannte Doha-Runde der WTO – benannt nach der Stadt in Katar, wo die neue Runde im Jahr 2001 beschlossen wurde – wird nun erst nach den Mercosur-Verhandlungen abgeschlossen. „Der Mercosur will aber Marktzugang sofort und nicht in einer ungewissen Zukunft“, sagt EU-Agrarkommissar Franz Fischler.

Trotz der Differenzen werden sowohl die Europäer als auch die Südamerikaner versuchen, sich beim Gipfeltreffen in Guadalajara auf eine politische Absichtserklärung zu einigen, wonach die Verhandlungen im Oktober beendet werden sollen. Doch zunehmend bekommen die europäischen Verhandlungspartner Probleme mit ihren eigenen Angeboten: Vor allem die geplante erweiterte Importquote für Bioethanol geht einigen europäischen Ländern viel zu weit.

Alexander Busch, Anne Grüttner

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