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Am Times Square in New York wirbt Siemens auch als offizieller Partner von Disney.

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Global Player: Der Siemens-Konzern in Amerika

Botschafter in Disneys Welt: Mit Raumschiffen, Luftballonschießen und schnelleren U-Bahnen rollt das deutsche Unternehmen den amerikanischen Markt auf.

Mutter und Tochter spielen Shuffleboard. Mit großem Eifer schieben sie mit ihren Stöcken digitale Scheiben über ein virtuelles Spielfeld auf dem Boden. Ziel ist es, die aufscheinenden Stadtteile mithilfe der Scheiben mit Energie zu versorgen, damit die Stadt wachsen kann. „In der Hochsaison stehen die Leute hier Schlange“, sagt Darren Sparks. „Und die Kinder verstehen das meist schneller als die Eltern“, meint der Siemens-Manager und lacht. Doch das beste Spiel sei der Knochenmann, eine Ecke weiter. Hier kann man Knochen zu einem Skelett zusammensetzen, natürlich ebenfalls nur virtuell auf einem Bildschirm.

Was wie Spiel aussieht und den Besuchern offenbar Spaß macht, ist in Wahrheit Werbung für Siemens. Hier in Walt Disney World in Orlando (Florida) ist das Unternehmen Sponsor einer Attraktion: des Spaceship Earth. Der Besucher unternimmt darin eine Reise durch die Entwicklung der Kommunikation von den Anfängen in der Steinzeit bis heute, von den Höhlen bis zum Kosmos. Nach der Fahrt gelangt er nicht wie sonst üblich in einen Shop, sondern in die Halle, wo er spielerisch mit Shuffleboard und Knochenmann oder auf Informationstafeln erfahren kann, was Siemens in seinen vier Bereichen – Energie, Industrie, Infrastruktur und Städte sowie Medizintechnik – an Technik und Lösungen zu bieten hat. Daneben gibt es ein Veranstaltungszentrum, wo Siemens Kunden, Mitarbeiter und Gäste empfängt. „Wir sind so etwas wie die Botschaft von Siemens in der Welt von Disney“, sagt Darren Sparks, der bei dem Unternehmen für die Partnerschaft mit dem uramerikanischen Medien- und Unterhaltungskonzern zuständig ist. Nur eines steht nirgends: dass Siemens ein deutsches Unternehmen ist.

Siemens made in USA

„Die Vereinigten Staaten sind unser wichtigster Binnenmarkt“, erklärt Siemens-Vorstand Peter Solmssen. „Wir werden beinahe als amerikanisches Unternehmen gesehen. Viele wissen gar nicht, dass wir eine deutsche Mutter haben.“ In den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres setzte Siemens in den USA 12,3 Milliarden Euro um, 15 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings geht der Auftragseingang um zwei Prozent auf 11,3 Milliarden Euro zurück. Mehr als 60 000 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in den Vereinigten Staaten, wo es mehr als 100 Produktionsstätten hat und knapp 1,4 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung ausgibt. Seine Jahresbilanz legt Siemens am 8. November in Berlin vor.

Die Stadt New York zum Beispiel gehört zu den größten Kunden von Siemens weltweit. Die berühmte Carnegie Hall wird gerade mit Siemens-Gebäudetechnik ausgestattet, Siemens Signaltechnik sorgt dafür, dass die U-Bahnen in der Stadt in kürzerem Abstand fahren und mehr Menschen befördern können. Dort, wo früher die Türme des World Trade Centers standen, sind heute zwei riesige Brunnen, deren Wasserversorgung mit Siemens-Technik gesteuert wird. Siemens-Technik steckt auch in den neuen Wolkenkratzern, die gerade an Ground Zero entstehen.

„Die Entwicklung beim Auftragseingang wird sich auch wieder ändern“, sagt Solmssen, der das US-Geschäft verantwortet. Er sieht sein Unternehmen in den USA gut aufgestellt. „Egal, wer die Präsidentschaftswahl gewinnt, für uns wird es keine große Veränderung geben. Beide Parteien haben die Re-Industrialisierung des Landes in ihren Programmen stehen.“ Davon will die Siemens-Industriesparte profitieren, deren Kunden unter anderem Autohersteller und Nahrungsmittelproduzenten sind. Positiv sei auch, dass Schiefergas eine immer wichtigere Rolle in den USA spiele. „Diese Themen passen genau in unser Portfolio.“ In Deutschland ist die Gewinnung von Schiefergas wegen der Umweltgefahren umstritten. In den USA dagegen hofft man, mit der Ausbeutung der Vorkommen von Energieimporten unabhängig zu werden. Die Preise für Natural Gas, wie die Amerikaner es nennen, sind bereits auf sehr niedrigem Niveau. „Der Boom bei Schiefergas wird zu einer höheren Nachfrage nach unseren Gasturbinen führen“, ist sich Solmssen sicher.

Von Moabit bis North Carolina

In Charlotte (North Carolina) hat Siemens gerade sein Turbinenwerk erweitert. Bisher hat Siemens die H-Klasse, die Gasturbinen mit dem höchsten Wirkungsgrad, nur im Werk in Berlin Moabit gebaut. Ab 2013 sollen die riesigen Gasturbinen auch in Charlotte produziert werden – nicht nur für den amerikanischen Markt. 350 Millionen Dollar hat Siemens hier in den vergangenen Jahren investiert. Insgesamt 1500 Mitarbeiter hat der Standort, wo auch Dampfturbinen und Generatoren gebaut werden, 2015 sollen es 1800 sein. „Noch ist der Nachfrageboom nicht da“, sagt Werksleiter Mark Pringle. „Aber er kommt spätestens 2014. Wir sind vorbereitet.“ Und das am richtigen Ort, denn die Stadt Charlotte hat sich zum Ziel gesetzt, die Energiehauptstadt der USA zu werden.

Aber was hat Siemens mit Disney gemein? Eine ganze Menge, meint Disney-Manager Russell Oja. Beide Konzerne seien in ihrer Industrie führend, global präsent und innovativ. Die 2005 vereinbarte strategische Partnerschaft besteht darin, dass Disney bevorzugt Siemens-Technik einsetzt – in seinen Themenparks, Ferienclubs, Hotels und Kreuzfahrtschiffen mit 63 Millionen Kunden pro Jahr. Siemens wiederum darf mit Disney werben, auf dem Times Square in New York zum Beispiel.

Siemens sponsert in Disney World eine Attraktion, in der die Besucher durch die Geschichte der Kommunikation reisen.
Siemens sponsert in Disney World eine Attraktion, in der die Besucher durch die Geschichte der Kommunikation reisen.

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Tatsächlich ist die Disney-World-Technik sehr anspruchsvoll: „Wir entwerfen unsere Fahrgeschäfte so, dass sie 18 Stunden an 365 Tagen über 20 Jahre laufen“, sagt Oja. Dabei dürfe der Besucher nicht merken, dass Technik am Werk ist. Unter anderem hat Siemens die Antriebs- und Steuerungstechnik für Toy Story Mania geliefert, eine interaktive Attraktion in 3-D, bei der die Besucher mit einer Kanone auf Luftballons und andere virtuelle Ziele schießen. Geschossen wird mit Funktechnik. „Es ist das erste Fahrgeschäft, zu dem die Leute morgens rennen, sobald der Park geöffnet hat“, sagt Oja. Dann verbessert er sich: „Rennen dürfen Sie bei uns natürlich nicht.“ Auch für seine hohen Sicherheitsansprüche ist Disney bekannt.

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