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GM und Chrysler: Chefplaner für Detroit

Die Zukunft von GM und Chrysler hängt auch vom politischen Wohlwollen der US-Regierung ab – und damit vor allem von Steven Rattner.

Das politische Überleben Steven Rattners scheint erst mal gesichert. Die Sorgenkinder, die er betreut, können sich ihrer Zukunft weniger sicher sein. Rattner ist Barack Obamas Beauftragter für die US-Autoindustrie. Er entscheidet, unter welchen Bedingungen Amerikas größter Autokonzern General Motors (GM) weiter existieren darf und welche Produkte von Chrysler noch eine Zukunft haben. Dabei geht der schmächtige 56-Jährige kühl und manchmal hart vor. Er überbrachte GMs vormaligem Chef Rick Wagoner Ende März die Nachricht, das Weiße Haus mache seinen Rücktritt zur Bedingung für weitere Milliardenhilfen aus Steuermitteln. Er hat auch entscheidend mitzureden bei den Einstiegsbedingungen für Fiat bei Chrysler.

Dabei stand Rattner selbst unter Druck. Kurz nachdem er ernannt worden war, wurde bekannt, dass die von ihm mitgegründete Firma Quadrangle Group in einen Bestechungsskandal verwickelt ist. Freilich ermittelt die Staatsanwaltschaft bisher weder gegen ihn noch seine Firma. Sondern gegen die obersten Rechnungsprüfer von New York, die offenbar 2004 geldwerte Vorteile forderten, ehe sie Quadrangle den Auftrag gaben, ein 100-Millionen-Dollar-Paket des New Yorker Pensionsfonds zu verwalten.

Über die jüngsten Jahrzehnte sind die Marktanteile der sogenannten „Großen Drei“ – GM, Ford, Chrysler – in den USA stetig zurückgegangen. Im Zuge der Wirtschaftskrise fielen sie drastisch. Für GM halbierte sich der Anteil in Wagoners Amtszeit von 45 auf zuletzt 22 Prozent.

Oft heißt es pauschal, das US-Management habe zu lange blind an zu großen Modellen und schweren Geländewagen festgehalten. Das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Seit 2004 wechselte der Benzinpreis mehrfach rasch zwischen unter zwei Dollar und mehr als vier Dollar pro Gallone. Da wussten weder die Konsumenten verlässlich, ob sie große Spritschlucker oder kleinere, sparsame Modelle bevorzugen, noch die Firmen, für welchen Kundenwunsch sie produzieren sollen. Seit über GM und Chrysler die Konkursgefahr schwebte, ging der Absatz erst recht zurück; die Bürger zweifelten, ob sie, falls sie einen Neuwagen dieser Marken kaufen, in Zukunft problemlos Ersatzteile und Service bekommen.

Amerikas Autobauer sind aber nicht weltweit in der Krise. Ford ist ohnehin nicht in Konkursgefahr. Seine Geschäfte in Westeuropa, Russland und Südamerika laufen gut. GM hat daheim Probleme, nicht aber in China, wo insbesondere die Marke Buick einen legendären Ruf genießt. Chrysler ist zu klein, um zu überleben. Der Konzern hat aber drei profitable Produktlinien: den Jeep, den Familienvan und die Pick-up-Serie Dodge- Ram. Viele würden sich um diese Teile der Konkursmasse reißen.

Ob GM auf glimpflichem Wege saniert werden kann, ist unsicher. Der Staat hat bereits 13,4 Milliarden Dollar in den Konzern gesteckt (und vier Milliarden in Chrysler). GM braucht über kurz oder lang weitere 16 Milliarden. Die wahrscheinlichere Variante ist der geregelte Konkurs, der in den USA nicht das Ausscheiden aus dem Markt bedeutet, sondern den Schutz vor Gläubigern. Ein Konkursrichter legt dann fest, wer welche Opfer bringen und auf Forderungen verzichten muss, um einen Neustart in schlankerem Format zu ermöglichen. Mit schweren Einbußen müssen die aktuellen und die pensionierten Arbeiter rechnen.

Wie auch immer Rattner vorgeht, er wird damit politische Probleme für sich und seine beiden Chefs, Präsident Obama und Finanzminister Timothy Geithner, schaffen. Die sind mit der Interpretation angetreten, die Milliardenhilfe für die US-Autobauer sei richtig, weil sie Jobs in Amerika sichere. GM und Ford können jedoch nur dann wieder richtig profitabel werden, wenn sie verstärkt Produktion aus den USA ins billigere Ausland verlagern, nach Asien, Mexiko und Lateinamerika. Das sind auch die Wachstumsmärkte der Zukunft.

Wichtig ist also der öffentliche Verkauf der Politik. Den beherrscht Rattner, der ansonsten wenig Erfahrung in der Autobranche mitbringt. Er war Reporter der „New York Times“ in Washington und London, ehe er in die Finanzindustrie wechselte. Er baute für die Investmentbanken Morgan Stanley und Lazard Kommunikationsabteilungen auf. 2000 machte er sich mit Quadrangle selbstständig. Christoph von Marschall

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