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Wirtschaft: Gnadenfrist für Spanien

Brüssel kommt dem Krisenland entgegen. Frankreich wird dagegen gescholten.

Berlin - In einer Abkehr von der bisherigen Krisenstrategie hat sich die Brüsseler EU-Kommission am Mittwoch bereit erklärt, die Sparvorgaben für ein europäisches Krisenland zu lockern. Währungskommissar Olli Rehn sagte, das immer stärker unter Druck geratene Spanien könne ein Jahr Aufschub erhalten, um sein Etatdefizit unter die maximal zulässige Höhe von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Statt bis 2013 müsse die Neuverschuldungsquote von zuletzt 8,5 Prozent nun erst bis 2014 entsprechend gesenkt werden. Voraussetzung sei aber, so Rehn, „dass uns Spanien einen überzeugenden Doppelhaushalt für die Jahre 2013 und 2014 vorlegt und glaubhaft machen kann, dass es die übermäßigen Ausgaben der unabhängigen Regionen in den Griff bekommt“.

Die EU-Kommission präsentierte in Brüssel eine umfassende Lageanalyse mit Empfehlungen an die Politik. Spanien ist dabei das einzige Land der Euro-Zone, für das sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft vorhergesagt wird. Zudem rechnet die Kommission mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit auf mehr als 25 Prozent. Diese Aussichten haben die EU in Bezug auf Spanien milde gestimmt. Ein Vorbild für andere Krisenländer wie Griechenland, Portugal oder Irland sei die Lockerung der Vorgaben aber nicht, stellte der Finne Rehn ausdrücklich klar.

So mahnte die EU-Kommission Frankreich, schnell „effektive Maßnahmen“ zu ergreifen, um nächstes Jahr unter die Drei-Prozent-Marke zu kommen. „Ohne veränderte Politik“ werde Frankreich 2013 dieses Ziel deutlich verfehlen. Zudem gebe es noch zahlreiche politische Hindernisse, die „Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen“. Den ebenfalls mit zu hohen Defiziten ausgestatteten Sorgenkindern Italien, Portugal, Irland und den Niederlanden bescheinigt das Kommissionsdokument dagegen, auf dem richtigen Weg zu sein.

Mit Sorge beobachtet die Kommission dagegen den Bankensektor in Europa. Auch hier geht der Blick vor allem nach Spanien, nachdem der Finanzkonzern Bankia gerade erst ein neues Bilanzloch in Höhe von 19 Milliarden Euro eingestehen musste. „Der Bankensektor bleibt fragil“, schreibt die Kommission, „da Haushalte und Unternehmen gleichermaßen weiter hoch verschuldet sind.“

Vor allem die Probleme der europäischen Banken, die trotz der Billigkredite der Europäischen Zentralbank anhalten, haben die EU-Kommission nun offenbar dazu bewogen, eine noch engere Verzahnung auf diesem Gebiet anzustreben. „Eine Bankenunion könnte ein Baustein auf dem Weg zu einer echten Wirtschaftsunion sein“, sagte Kommissionschef José Manuel Barroso bei der Vorstellung der insgesamt knapp 1500 Seiten an Vorschlägen für die Mitgliedstaaten: „Wir müssen weiter und schneller gehen.“

Barroso und Rehn stellten sich erstmals hinter die bisher vor allem von Spanien erhobene Forderung, der mit 500 Milliarden Euro ausgestattete Krisenfonds ESM solle von der Pleite bedrohte Banken künftig direkt bezuschussen dürfen. Bisher muss ein Land, dessen Geldhäuser Verluste machen, einen Hilfsantrag beim aktuellen Rettungsfonds EFSF stellen und dafür bestimmte Spar- und Reformauflagen erfüllen. Das hat Spanien bisher abgelehnt. Christopher Ziedler

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