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Wirtschaft: Goldene Zeiten für Mieter

Schlechte Verhandlungsposition für Eigentümer: In Berlin stehen 100 000 Wohnungen leer

RICHTIG VERHANDELN: SO NUTZEN SIE IHRE CHANCEN AUF DEM WOHNUNGSMARKT

Bestechungsgelder für Makler, Abstandszahlungen für Schrottmöbel, Gesundheitszeugnis beim Besichtigungstermin – wer eine Wohnung sucht, muss einiges in Kauf nehmen. In München. In Berlin sieht die Sache völlig anders aus. Hier sind Mieter begehrt wie nie. Rund 130 000 Wohnungen stehen derzeit in Berlin leer. Angesichts des Überangebots sind Mieter in einer starken Verhandlungsposition. Sprechen kann man mit dem Vermieter über fast alles: von einer Senkung der Miete bis hin zum Einbau eines neuen Bads auf Kosten des Vermieters (siehe Interview).

In München finden sie nur schwer eine Wohnung, in Berlin haben sie die freie Wahl – Auszubildende. In Hellersdorf etwa werden Azubis und Studenten mit Sonderangeboten von 50 Euro Grundmiete für zwei Zimmer und 100 Euro für drei Zimmer in teilsanierten Gebäuden hofiert. „Hafög“, Hellersdorfer Ausbildungs-Förder-Grundmiete, heißt das Programm. „Das ist für uns eine Investition in die Zukunft“, sagt Dagmar Neidigk von der Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“, die allein in Hellersdorf rund 17000 Wohnungen anbietet. Über „Hafög“ sollen Kinder alteingesessener Mieter im Stadtteil gehalten und junge Neumieter gewonnen werden. Rund 200 Hafög-Verträge wurden seit vergangenem Jahr abgeschlossen, jetzt plant „Stadt und Land“, das Programm auf andere Bezirke auszuweiten. Denn Wohnungsleerstand gibt es nicht nur in ehemaligen DDR-Plattenbauten.

„Katzengraue Fünfzigerjahre-Bauten mit klapprigen Spanholztüren und engen Badezimmern werden Sie auch in Spandau nicht los“, sagt Michael Schick vom Verband Deutscher Makler (VDM). Bei schwieriger Wohnlage und schlechter Ausstattung bleiben Vermieter auf ihren Wohnungen sitzen. Daher, so Schick, müssten die Eigentümer in den Bestand investieren: neue Badewannen, lärmgeschützte Fenster, heitere Fassaden.

Ein „Sockelleerstand“ von 30 000 Wohnungen ist nach Einschätzung des VDM für den Markt gesund. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass rund 100 000 Wohnungen in Berlin derzeit nicht vermittelbar sind. Das hat dazu geführt, dass unbeliebte Vertragsklauseln nicht mehr auftauchen: „Staffelmieten über dem Inflationsausgleich oder befristete Mietverträge lassen sich am Markt nicht mehr durchsetzen“, sagt Schick.

Vermieter zahlt die Provision

Die Mieter sind anspruchsvoller geworden, weiß auch Wolfgang Gruhn, Vorsitzender des Rings Deutscher Makler (RDM) in Berlin: „Das Umfeld muss stimmen, Fassade und Treppenhaus müssen in gutem Zustand sein, und der Hof darf nicht aussehen wie eine Müllkippe.“ Mieter können heute einiges aushandeln: Etwa ein bis zwei Monate Mieterlass, um bei einem Umzug Doppelmieten zu vermeiden. Und gelegentlich zahlt der Vermieter auch die Maklerprovision. „In Neukölln, Wedding und in Teilen Kreuzbergs sind Wohnungen kaum provisionspflichtig vermittelbar“, sagt Stefan Weber von der Immobilienverwaltung Weber und Wernicke. Auch nichtrenovierte Wohnungen bekommen Vermieter kaum los, sagt Weber. Nicht, dass überall Traumwohnungen leerstehen: In beliebten City-West-Lagen, in Mitte oder Prenzlauer Berg sind schöne Altbauwohnungen auch heute schwer zu finden und sind entsprechend teuer. Doch wer sich auch in weniger prestigeträchtigen Wohngegenden wohlfühlt, hat es gut. Vor allem die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften überbieten sich mit Ideen, Mieter zu binden und neue zu werben: Umzugsservice, Gästewohnungen und Mieterfeste gehören zum Standard. Wer neue Mieter wirbt oder die neue Wohnung selbst renoviert, wohnt bis zu drei Monate mietfrei.

Wer feststellen will, ob die eigene Miete jetzt noch angemessen ist, kann sich kostenlos an den Berliner Mieterverein wenden: Bei der Aktion „Mietpreisüberprüfung“ checkt der Verein anhand des neuen Mietspiegels, ob der Preis für die eigene Wohnung nicht zu hoch ist (Telefon: 030/226 260, Internet: www.mieterverein-berlin.de ). Denn: Der Mieter soll seine Marktmacht nutzen, solange er sie noch hat.

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