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Wirtschaft: Grenzenlose Hilfsbereitschaft

Überall legen Regierungen Konjunkturpakete auf – doch damit verschärfen sie den Abschwung womöglich. Ein neuer Protektionismus droht

Das Argument ist einfach, es verfängt bei Wählern wie bei Politikern. „Wir müssen unsere Gesetze aggressiv umsetzen, damit die Dollars der amerikanischen Steuerzahler amerikanische Arbeitsplätze schaffen“, dröhnt Leo Gerard, Chef der US-Metallgewerkschaft United Steelworkers. „Wenn wir eine Brücke in West Virginia bauen, heuern wir ja auch keine Arbeiter aus Deutschland an“, sekundiert Thomas Gibson, einer der führenden Stahl-Lobbyisten im Land. Das Selbstbewusstsein von Gerard und Gibson hat einen Grund: Sie könnten die Gewinner des neuen Konjunkturprogramms von Barack Obama werden. Alles Material, für das der Staat dabei Geld ausgibt, muss aus amerikanischer Produktion stammen, heißt es in dem Entwurf, über den der Senat kommende Woche abstimmt.

Erst das Land, dann die Welt: Rund zwei Billionen Dollar pumpen die Regierungen überall auf der Welt dieser Tage in ihre Volkswirtschaften, um der tiefsten Krise seit Jahrzehnten zu entkommen. Da sind viele Politiker bestrebt, zuerst die heimischen Unternehmen zu bedenken. Subventionen für marode Firmen, Handelsschranken, Zölle – Hemmungen kennt niemand. Die ungezügelte Globalisierung der vergangenen 20 Jahre, getrieben durch einen Abbau von Handelsschranken, scheint passé. „Wir erleben eine Zeitenwende“, beobachtet Rolf Langhammer, Vizepräsident am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Welthandelsorganisation WTO ist alarmiert. „Protektionismus kann zu Gegenmaßnahmen der Betroffenen führen und so die Krise noch verschlimmern“, schwant den Genfer Experten. Sie denken an 1929 – die Abschottung vieler Länder hat die Weltwirtschaft erst richtig zum Absturz gebracht.

Den USA und Europa dürfte ein heftiger Handelskrieg bevorstehen, wird die „Buy-American“-Klausel Gesetz. Doch Washington ist nicht der einzige Flegel. Selbst in der wichtigsten Freihandelszone der Welt, der EU, gibt es Sympathisanten. „Etwas Protektionismus“, ließ Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde kürzlich wissen, sei „ein notwendiges Übel, das vorübergehend sein muss“. Angela Merkels Mahnung beim Weltwirtschaftsforum am Freitag in Davos, eine „offene Wirtschaft“ und „internationale Koordinierung“ seien wichtig, findet beim wichtigsten Handelspartner offenbar kein Gehör.

Vor allem kapitalintensive Branchen – Schiffbau, Anlagen, Autoindustrie – erfreuen sich staatlicher Fürsorge. Die Amerikaner stellten Milliarden Dollar für Chrysler und GM bereit. Deutschland, Frankreich und Italien zahlen Abwrackprämien, um den Neuwagenkauf anzukurbeln. Neue Hilfen, etwa für den Autozulieferer Schaeffler/Continental, sind wahrscheinlich. Indien und China liegen im Clinch über Stahlzölle, die Ukraine will Einfuhrzölle drastisch erhöhen, in Malaysia darf es in vielen Fabriken keine Neueinstellungen ausländischer Arbeitskräfte mehr geben. „Das ist kein Klima, in dem man über Fortschritte bei der Doha-Welthandelsrunde auch nur nachdenken könnte“, befürchtet IfW-Fachmann Langhammer.

Gerade für Deutschland, den weltgrößten Exporteur, wäre das schlecht. Weniger Handel bedeutet weniger Wohlstand. Volkswirten zufolge müssen sich vermutlich viele Länder auf magere Jahre einstellen. Nach dem Ende der Rezession ab 2010 sei vorerst nur mit „moderaten“Wachstumsraten zu rechnen, meint etwa Michael Heise, der Chefvolkswirt der Allianz. Trotz der milliardenschweren Rettungspakete der Staaten in aller Welt.

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