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Da braut sich was zusammen. Eine Pleite Griechenlands würde für die deutschen Steuerzahler teuer. Die Banken sind inzwischen kaum noch in dem Land engagiert.

© dapd

Griechenland: Die Angst vor dem Ernstfall

Die Pleite Griechenlands und ein Euro-Austritt schrecken die internationalen Finanzmärkte. Doch das Szenario ist zu teuer, um tatsächlich einzutreten.

Das Denken in Szenarien hat seit Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise Konjunktur. Ein Szenario sorgt an den Finanzmärkten nicht zum ersten Mal für größte Unruhe: die Staatspleite Griechenlands und der Austritt des Landes aus dem Euro. Bereits im Herbst 2011 vor dem damals diskutierten griechischen Referendum und vor der Wahl am 17. Juni war das Thema „Grexit“ auf der Tagesordnung. Nach der jüngsten Bemerkung von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), ein Austritt Griechenlands habe „längst seinen Schrecken verloren“, und Spekulationen, der IWF wolle Athen den Geldhahn zudrehen, wird an den Märkten wieder einmal nachgerechnet. Was würde ein Austritt tatsächlich kosten? Welche Folgen hätte er für den Europäischen Währungsraum?

Die Verunsicherung war am Dienstag am Kurs der Gemeinschaftswährung abzulesen: Der Euro verlor deutlich und kostete zeitweise nur noch 1,207 Dollar.

Für die deutschen Steuerzahler wäre ein Kollaps Griechenlands teuer. Die Dekabank kalkuliert die unmittelbaren Kosten einer Pleite aktuell auf 83 Milliarden Euro. So viel hat Deutschland tatsächlich bislang – unmittelbar oder indirekt – an Athen ausgezahlt. Insgesamt liegt der deutsche Anteil an den internationalen Hilfszusagen (rund 402 Milliarden Euro) höher: nach Schätzungen der Dekabank bei rund 104 Milliarden Euro.

In den 83 Milliarden Euro sind als größter Posten 36,7 Milliarden Euro enthalten, die Deutschland im Rahmen des ersten und zweiten Rettungspakets an Athen gezahlt hat. Deutschland müsste außerdem 30,7 Milliarden Euro schultern, die die griechische Notenbank der Bundesbank schuldet (über das sogenannte Taget-System der EZB). Hinzu kommen 13 Milliarden Euro an Verpflichtungen, die sich für Deutschland ergeben, weil die Europäische Zentralbank (EZB) im Pleitefall auf wertlosen griechischen Staatsanleihen sitzen bliebe. Ex-Deutsche-Bank- Chef Josef Ackermann hatte vor Monaten die für Deutschland zu tragenden Kosten einer Griechen-Pleite ebenfalls auf rund 80 Milliarden Euro geschätzt – international kam Ackermann auf Belastungen in Höhe von 500 Milliarden Euro.

Die Einführung einer eigenen Währung könnte den Absturz abfedern

Bevor sich diese Rechnungen allerdings konkretisieren, muss die Experten- Troika ein Urteil abgeben. Am Dienstag begann sie ihre entscheidende Prüfung der Reform- und Sparfortschritte in Athen. Die Kontrollen sollen bis zum 6. August dauern. Am Freitag wollen sich die Kontrolleure des Internationalen Währungsfonds (IWF), der EZB und der EU-Kommission mit dem griechischen Ministerpräsident Antonis Samaras treffen. Eine endgültige Bewertung wird nicht vor Ende August erwartet.

Käme die Troika zu dem Ergebnis, dass Griechenland keine weiteren Hilfen mehr bekommen sollte, träte der Ernstfall ein. „Bekäme der Staat kein Geld mehr, müsste er auf Bargeldwirtschaft umstellen“, sagt Jan Amrit Poser, Chefökonom der Schweizer Bank Sarasin. „Er würde von der Hand in den Mund leben, würde Pensionen, Gehälter und öffentliche Leistungen nur bezahlen, wenn ihm entsprechende Steuereinnahmen zufließen.“ Die sind aber wegen der Wirtschaftskrise eingebrochen. Zahlungsverzögerungen wären wahrscheinlich. Poser: „Vielen Griechen würde das Geld für die täglichen Besorgungen fehlen. Der Konsum würde noch weiter einbrechen.“ Die griechische Volkswirtschaft geriete in eine gefährliche Abwärtsspirale.

Mit der Einführung einer eigenen Währung könnte das Land den Absturz zumindest abfedern. Die neue Währung würde Experten zufolge um mindestens 50 Prozent zum Euro abgewertet. Der Staat könnte Löhne und Gehälter bezahlen, indem er die Notenpresse anwirft, er könnte Lücken im Haushalt decken oder die Banken stützen. Außerdem würde sich die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Wirtschaft zeitweise verbessern, weil sich griechische Produkte im Ausland verbilligen würden.

Dieser Effekt würde freilich nach Meinung vieler Experten überkompensiert von der Vertrauenskrise, in die die Eurozone geraten würde. Nicht nur der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, fürchtet eine Kettenreaktion in Spanien oder Italien. Die Folgen des „Grexit“ für Banken und Versicherungen scheinen tatsächlich beherrschbar, weil viele Finanzhäuser gar nicht mehr in Griechenland engagiert sind. Doch die Ansteckungsgefahr für Spanien und Italien war nie größer: Für fünfjährige spanische Staatspapiere stiegen die Renditen am Dienstag erstmals über die der zehnjährigen Anleihen. Für kurzlaufende Schuldtitel musste das Land die zweithöchsten Zinsen seit seiner Mitgliedschaft im Euro zahlen.

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