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Wirtschaft: Griechenland ist spitze

Athen reformiert entschlossener als alle Euro-Nachbarn. In Deutschland ist Arbeit günstig.

Von Sabine Beikler

Berlin - Ein leichter Hoffnungsschimmer in der Euro-Krise: Die strukturellen Reformen in den Peripherieländern wirken offenbar. Innerhalb der Euro-Zone hat sich die Gesamtwirtschaft in Spanien, Portugal und Belgien im Vergleich zum Vorjahr spürbar verbessert. Dem Euro-Monitor 2012 zufolge, einer Studie des Versicherers Allianz, hat es vor allem Griechenland geschafft, sich stärker zu verbessern als jedes andere Euro-Land – wenngleich ausgehend von niedrigem Niveau. „Die Ergebnisse zeigen: Reformen brauchen Zeit, die Problemländer sind aber auf einem guten Weg“, sagte am Montag Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise.

Der Euro-Monitor bewertet 17 Länder in der Euro-Zone und misst in 14 Indikatoren wie Lohnstückkosten, Inlandsnachfrage, Arbeitsproduktivität oder Defizit der öffentlichen Haushalte die makroökonomischen Ungleichgewichte in der Euro-Zone. Griechenland habe sich durch einen Rückgang bei den Lohnstückkosten und beim Verschuldungsgrad des privaten Sektors verbessert. „Es gibt in Griechenland Fortschritte, die in der öffentlichen Diskussion übersehen werden“, sagte Heise. Darauf wies auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor gut drei Wochen während einer Grundsatzrede im Europarlament hin. „In Irland, Portugal, Spanien, aber auch in Griechenland sind die Lohnstückkosten spürbar gesunken. Das ist ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Merkel in Brüssel. Die Lohnstückkosten setzen die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung.

In dem Allianz-Monitor bildet Zypern in diesem Jahr das Schlusslicht. An der Spitze liegt Deutschland vor Österreich und Luxemburg. Bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft dagegen liegt Deutschland weiterhin im Mittelfeld der EU. 2011 lag die Bundesrepublik mit 30,10 Euro pro Arbeitsstunde wie im Jahr zuvor an siebter Stelle unter den EU-Ländern. Höhere Arbeitskosten hatten die Niederlande (31 Euro), Frankreich (34,20 Euro) Schweden (39,1 Euro) oder Belgien, wo die Stundenkosten bei 39,30 Euro lagen. Geringfügig niedriger waren die Arbeitskosten in Finnland und Österreich. In Griechenland zahlten Arbeitgeber für eine Stunde Arbeit 16,50 Euro. Schlusslicht bildeten die Staaten Osteuropas. In Bulgarien kostete eine Arbeitsstunde 3,50 Euro, einen Euro weniger als in Rumänien.

Die Arbeitskosten, die sich aus Bruttolöhnen und den Nebenkosten zusammensetzen, gelten als wichtige Größe im Standortwettbewerb. Deutschland sei zwar ein „Land mit hervorragender Wettbewerbsfähigkeit“, sagte Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung am Montag bei der Vorstellung der IMK-Studie. Die Kehrseite sei jedoch eine relativ schwache Entwicklung bei den Löhnen und der Binnennachfrage.

Die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor sind laut Studie allerdings 20 Prozent geringer als im verarbeitenden Gewerbe. In keinem anderen EU-Land ist dieser Rückstand so groß. Vom vergleichsweise niedrigen Stundenniveau im Dienstleistungssektor profitiert laut IMK-Studie wiederum die Industrie, die dort Vorleistungen anfragt. Laut Schätzungen bringt dieser „Vorleistungseffekt“ Kosteneinsparungen für die Industrie zwischen sechs und 13 Prozent.

Seit der Euro-Einführung sind die Arbeitskosten in Deutschland bis 2008 lediglich um 1,8 Prozent gestiegen, während es im EU-Durchschnitt rund 3,6 Prozent waren. Selbst zwischen 2008 und 2011 blieb der Anstieg in Deutschland mit zwei Prozent unter dem EU-Durchschnitt von 2,3 Prozent. Hätte Deutschland das EU-weite Inflationsziel von zwei Prozent jährlich eingehalten, wären die Einkommen um 16 Prozent höher, sagte Horn. Er warnte vor einer Deflation und forderte die Tarifparteien auf, die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre aufzugeben.

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