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Weltgrößter Leerverkäufer: James Chanos verdient an sinkenden Kursen.

© dpa

Griechenland-Krise: Hedge-Fonds-Manager verteidigt Leerverkäufe

Mit Wertpapierverkäufen sollen Leerverkäufer Griechenland an den Rand des Ruins gebracht haben. James Chanos ist Hedge-Fonds-Manager an der Wallstreet, Sohn griechischer Einwanderer - und nimmt die Vorwürfe gelassen.

New York/Düsseldorf - Gegenwind ist James Chanos gewohnt, aber was ihm derzeit seitens der Politik entgegenbläst, ist ein ausgemachter Sturm. Der 52-jährige Hedge-Fonds-Manager an der New Yorker Wall Street verdient sein Geld mit Leerverkäufen. Und um das Image von Leuten wie ihn ist es spätestens seit der Griechenland-Krise übel bestellt. Mit ihren Wertpapierverkäufen, so der Vorwurf, hätten Leerverkäufer griechische Anleihen unter Druck und Griechenland an den Rand des Ruins gebracht. Weltweit fordern Politiker eine stärkere Regulierung von Leerverkäufen, manche wollen sie sogar komplett verbieten.

James Chanos gibt sich gelassen. „Die Taktik, Leerverkäufer für das Verschärfen von Krisen verantwortlich zu machen, ist so alt wie die Märkte selbst“, sagt er im Interview mit dem „Handelsblatt“. „Es klingt so schön nach einer Verschwörung wie im James-Bond-Film, dass diese bösen Spekulanten Pläne aushecken, um Regierungen zu stürzen.“ Aber das, sagt er, sei einfach nicht wahr. „Es hat noch nie auch nur den kleinsten Beweis dafür gegeben, dass Leerverkäufe der Grund für einen großen Absturz an den Märkten waren. Deren Anteil an der gesamten Marktaktivität ist zu klein.“

Chanos hat guten Grund, seine Finanzgeschäfte zu verteidigen. Denn Leerverkäufe haben den Sohn griechischer Einwanderer zum Milliardär gemacht. Ursprünglich wollte Chanos Arzt werden, doch ein Zufall verschlug ihn an die Wall Street. Dort fahndete er als Analyst unter anderem für die Deutsche Bank nach Firmen, die gemeinhin als solide galten, aber hinter der Fassade breits in Schieflage waren. Ende 2000 – Chanos hatte längst eine eigene Firma gegründet – machte die Enron-Pleite ihn zu einem der reichsten Amerikaner: Chanos hatte bei dem Energiehändler Bilanzungereimheiten ausgemacht. Während sich Enron-Aktien noch gut verkauften, wettete Chanos schon auf den Untergang der Firma. Sein Spürsinn sollte sich auszahlen. Seither gilt er als „weltgrößter Leerverkäufer“.

Im Grunde gehen Leerverkäufer eine simple Wette ein, nämlich die auf fallende Kurse. Sie leihen sich bei anderen Anlegern Aktien von Firmen, bei denen sie einen Kurseinbruch erwarten. Treten die Kursverluste ein, kaufen sie die Papiere billiger aus dem Markt zurück. Die Differenz aus Verkaufs- und Rückkaufspreis ist ihr Gewinn. Bei einer zweiten Variante, sogenannten ungedeckten Leerverkäufen, verkaufen Anleger Wertpapiere, ohne sie sich vorher auszuleihen. Diese Strategie ist für risikofreudige Spekulanten besonders attraktiv, da keine Kosten für die Wertpapierleihe anfallen. Viele Politiker halten diese Technik für gefährlich. Leerverkäufer seien Mitverursacher der Finanzkrise, sagen sie.

„Leerverkäufer sind eigentlich die Guten!“, kontert James Chanos. „Sie sind Finanzpolizisten der Märkte in Echtzeit. Leerverkäufer haben einen ökonomischen Anreiz, nicht nur Überbewertungen auszurotten, sondern auch Betrug und Marktmissbrauch.“ Ein Markt ohne Leerverkäufer, das sei wie eine Demokratie ohne freie Presse, habe ein bekannter Finanzier einmal gesagt. Denn während der Regulierer wie ein Archäologe immer erst nachher komme, könne der Leerverkäufer wie ein Detektiv viel früher auf Marktverzerrungen aufmerksam machen. Schauen Sie sich unseren Enron-Fall an“, sagt Chanos. „ Wir haben im Jahr 2000 herausgefunden, dass bei dem Unternehmen etwas ganz gewaltig schief läuft, während andere die Aktie immer noch gekauft haben.“

Die US-amerikanische Regierung sieht das anders. Im Krisenherbst 2008 verbot sie Leerverkäufe kurzfristig komplett, derzeit plant sie, diese Art von Transaktionen langfristig grundlegend zu erschweren. Chanos hält nichts von solchen Verboten. Wissenschaftliche Studien hätten gezeigt, dass das Verbot 2008 sich nicht auf die Kurse ausgewirkt habe, sondern nur die Unsicherheit am Markt über die nächsten Schritte der Regulierer erhöht habe. „Die Kurse sind weiter ins Minus gerutscht. Es hatte genau den gegenteiligen Effekt.“

Tatsächlich behaupten Ökonomen, dass Leerverkäufe sogar gut für die Finanzmärkte seien. Indem sie das Angebot an Aktien und damit die Liquidität erhöhen, kämen bessere Preise zustande. Die Bundesregierung hat sich darum auch dagegen entschieden, Leerverkäufe komplett zu verbieten. Der Gesetzentwurf „zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung des Kapitalmarktes" sieht aber vor, dass sie transparenter werden: Sobald Leerverkäufe 0,2 Prozent des Aktienkapitals eines Konzerns ausmachen, müssen sie an die Finanzaufsicht gemeldet werden; ab 0,5 Prozent muss der Leerverkäufer seinen Namen veröffentlichen. Ein Mittelweg.

„Ich würde sagen, die jüngste EU-Rettungsaktion war schlimmer als Spekulationen oder Leerverkäufe“, sagt Chanos. „Die deutschen, die französischen und andere Steuerzahler haben die Aktionäre der Banken subventioniert.“ Schießen sich die Europäer also zu sehr auf Spekulanten ein? „Blasen hinterherzujagen und Vermögenswerte zu überteuerten Preisen zu kaufen, hat den Leuten viel mehr geschadet, als Leerverkäufer es jemals getan haben“, sagt Chanos. „Schauen Sie sich mal die deutsche Mittelstandsbank IKB an und den Deal, den sie mit Goldman gemacht haben“, sagt Chanos. „Europäer sollten sich viel mehr um solche Risiken sorgen.“

Längst ist Chanos Milliardär, aber das Spekulieren gibt er nicht auf. Seit 25 Jahren ist er dabei und gilt als „bad guy“ der Finanzbranche. Sein Image störe ihn nicht, sagt er. „An der Wall Street will man ohnehin nie mit dem Strom schwimmen. Das ist hier kein Beliebtheitswettbewerb.“ Die nächsten Leerverkaufs-Kandidaten hat er schon gefunden - Autokonzerne und Zementhersteller, die vom Immobilienboom in China profitiert haben. Wenn die Immobilienblase platzt, gibt es immer noch einen, der gute Geschäfte macht. Andreas Menn (mit hb)

Andreas Menn

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